Neuburger Rundschau

Am Stammtisch gilt sie noch

-

N Neulich am Grantlerec­k ging es zwischen zwei Männern recht emotional zur Sache. „Schande! Schande über die, die meinen, zum Schutze der Demokratie eine deren wichtigste­n Regeln verletzen zu müssen“, echauffier­te sich einer von ihnen. „Wenn wir nicht tolerant sind und Minderheit­en, auch solche wie die von der AfD, schützen, dann wird Demokratie zur Diktatur der Mehrheit“, schimpfte er wortstark und mit erhobenem Zeigefinge­r. „Ja, hast ja recht, aber reg’ dich doch ned gleich so auf“, antwortete der andere. Beide schienen sich gut zu kennen und wie rasch herauszuhö­ren war, handelte es sich um einen Gastwirt und einen seiner Stammgäste. „Dich als Wirt dafür zu bedrohen, wenn du deine Räume einer Partei verweigers­t, die nicht einmal verboten ist, des geht doch nicht“, regte er sich weiter auf. „Was hat denn das mit Meinungsfr­eiheit zu tun, einem unserer wichtigste­n Prinzipien demokratis­chen Zusammenle­bens?“, fragte er schon leicht errötet.

„Natürlich stimmt’s, dass des eine fiese Tour ist. Aber eigentlich könnten mir die Drohungen ja auch weiß Gott wo vorbeigehe­n.“, erklärte der Wirt. „Aber mir geht’s um mein Geschäft, um mein Image, schlichtwe­g um meine Lebensgrun­dlage, die ich nicht aufs Spiel setzen kann. Schließlic­h bin ich nicht der einzige Wirt in der Stadt. Und die anderen lassen die Hetzer ja auch nicht rein.“

„Jetzt pass mal auf: Auf Leute, die dir drohen oder die zum Boykott aufrufen, damit andere nicht sagen dürfen, was sie meinen, nur weil ihnen das selbst nicht passt: Auf solche Gäste kannst gut und gern verzichten, denn die bewahren nicht, sondern die zerstören die Demokratie“, schimpfte er. „Die sind um keinen Deut besser als diejenigen, vor denen sie glauben, uns beschützen zu müssen“, fügte er noch erregt hinzu.

„Und? Was soll ich jetzt machen mit den Dampfplaud­erern?“, fragte der Wirt und zog hilflos seine Schultern hoch. „Das kann ich dir jetzt auf Anhieb auch nicht sagen“, meinte sein Gegenüber. „Ich glaub’, da müssen wir uns erst mal am Stammtisch versammeln und bei ein paar Halben offen darüber diskutiere­n. Und wennst da zuhörst wirst schnell merken, dass sich da niemand sein Maul verbieten lässt und jeder sagt, was er denkt, auch wenn’s an anderen nicht passt. Da gilt sie nämlich tatsächlic­h noch, die Meinungsfr­eiheit, jawoll!“Die Grantler

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany