Neuburger Rundschau

„Es war so, als hätte sich etwas meiner bemächtigt“

Prozess Echinger Doppelmord: Angeklagte­r gesteht unter Tränen, seine Ex-Freundin und seinen Sohn erwürgt zu haben

- VON STEPHANIE MILLONIG

Es soll die klassische Eifersucht­stragödie gewesen sein: Die Ex-Freundin hat einen Neuen, deshalb tötet der verlassene Mann wutentbran­nt die Frau und das gemeinsame Kind. Was letztlich der Auslöser war – der Täter weiß es nicht. „Es war so, als hätte sich etwas meiner bemächtigt“, sagt er zum Auftakt des Prozesses.

Vor dem Augsburger Schwurgeri­cht wird seit Dienstag der Doppelmord von Eching verhandelt. Ein 52-jähriger Franzose wird beschuldig­t, am 17. August 2016 seine 36-jährige Ex-Freundin und den gemeinsame­n siebenjähr­igen Sohn erwürgt zu haben.

In seinen Ausführung­en, die teilweise von Tränen begleitet sind, gesteht der Angeklagte, beide getötet zu haben. Er beschreibt eine Beziehung, die offensicht­lich über Jahre hinweg unter dem Konflikt litt, wo der gemeinsame Lebensmitt­elpunkt sein sollte, in Frankreich oder in Deutschlan­d. Ein Konflikt, der aber nicht offen ausdiskuti­ert wurde. Das Paar hatte sich 2007 in Südfrankre­ich über die Arbeit – beide sind Journalist­en – kennengele­rnt und im Haus des Angeklagte­n in Agen gelebt. 2008 kehrte die Frau zur Mutter, die in Dießen am Ammersee lebt, zurück, um dort den Sohn zur Welt zu bringen. Es folgte eine Zeit des Hin- und Herpendeln­s zwischen beiden Ländern, wie auch Zeugen berichten.

Obwohl auch nach Aussage des Angeklagte­n seit 2015 kein sexueller Kontakt mehr stattgefun­den hatte, ging der Angeklagte davon aus, dass noch eine Beziehung bestand. Er erwähnt in seinen Ausführung­en, dass er katholisch sei und ein wenig altmodisch. Gefallen habe ihm an seiner Ex-Freundin, dass sie ernsthaft gewesen sei, hübsch war, sich aber nicht aufdonnert­e, keine Miniröcke und keine tiefen Dekolletés trug. Anfang August 2016 verbrachte er mit ihr und dem Sohn einige Tage in Frankreich. Auf der Fahrt nach Eching am Ammersee habe sie ihm eröffnet, dass sie wieder liiert sei, berichtet der Angeklagte. Am Tattag ging er, wie er sagt, mit dem Sohn Fußballspi­elen, war beim Minigolfen und Spazieren im Echinger Freizeitge­lände. Bis dahin sei er davon ausgegange­n, dass sein Sohn glücklich sei, doch der Bub habe ihm erzählt, dass er ihn, den Vater, anlügen müsse. Dies und die Problemati­k, wann er in Zukunft seinen Sohn sehen könne – mit diesen Gedanken habe er sich sehr beschäftig­t.

Auslöser für die Gewalttat war seinen Ausführung­en nach ein Gespräch über den nahenden Geburtstag des Buben im November, der dann in der neuen Wohnung mit dem neuen Partner stattgefun­den hätte. Sie habe gesagt, er müsse bei dieser Feier in der Küche bleiben.

Eifersücht­ig sei er nicht gewesen, sagt der Franzose. Er schildert die Beziehung so, dass das Opfer immer entschiede­n habe, wann sie mit dem Kind nach Deutschlan­d ging. Drohungen, die Frau, das Kind oder sich selbst umzubringe­n, wie Bekannte dies berichtet hatten, will er nicht geäußert haben.

Der neue Freund, den die junge Frau im Oktober 2015 über ein Internetpo­rtal kennengele­rnt hat, beschreibt das Opfer als sehr unsicher, ohne Selbstwert­gefühl und schreibt dies dem Umgang mit dem Angeklagte­n zu. Auch die Mutter berichtet, dass ihre Tochter eine sanfte, zurückhalt­ende Frau und „hypernervö­s“gewesen sei in der Beziehung mit dem Franzosen, den sie als cholerisch fürchtete. Einen klaren Schlussstr­ich ziehen konnte sie aber nicht, wie Mutter und Schwester, die beide als Nebenkläge­rinnen auftreten, sagen. „Das hat sie sich nicht getraut“, so die Schwester. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetz­t.

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Foto: Julian Leitenstor­fer Eine Mutter und ihr siebenjähr­iger Sohn wurden in Eching getötet, der Vater steht jetzt vor Gericht.

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