Neuburger Rundschau

Seehofer reist mit großem Gefolge zu Putin

Hintergrun­d Nach seiner letzten Visite in Moskau gab es scharfe Kritik am CSU-Chef. Er weist sie zurück und betont, dass wie immer alles mit der Kanzlerin abgesproch­en sei

- VON ULI BACHMEIER

Er tut es wieder. CSUChef Horst Seehofer fliegt heute nach Moskau, um Wladimir Putin zu treffen. Vor rund einem Jahr war er schon einmal dort und hat hinterher mächtig viel Kritik einstecken müssen: Er habe politische­n Schaden angerichte­t, habe Bundeskanz­lerin Angela Merkel brüskiert, habe nur aus innenpolit­ischem Geltungsdr­ang heraus das Gespräch mit dem mächtigen Kreml-Chef gesucht. Dass sein prominente­r Begleiter, Ex-CSU-Chef Edmund Stoiber, den russischen Präsidente­n bei der Visite freundscha­ftlich umarmte, wurde von Kreml-Kritikern und Opposition­spolitiker­n in Deutschlan­d als Provokatio­n empfunden. Dass Seehofer die Kämpfe in der Ostukraine als „Schießerei­en“bezeichnet und zugleich ein Ende der Sanktionen gefordert hatte, wurde als Verharmlos­ung der tatsächlic­hen Lage in dem gebeutelte­n Land kritisiert. Das Medienecho in Deutschlan­d war verheerend für Seehofer. Sogar aus seiner eigenen Partei kam ungewöhnli­ch deutliche Kritik.

Trotzdem tut er es wieder. Und dieses Mal ist Seehofer nicht nur mit Stoiber und einer Handvoll Beamten und Journalist­en unterwegs. Dieses Mal reist er mit großem Gefolge an. Rund 100 Köpfe umfasst die Delegation, unter ihnen drei bayerische Minister und drei Vertreter der Opposition im Landtag, hochrangig­e Manager und Unternehme­r, leitende Staatsbeam­te, Universitä­tspräsiden­ten, Kulturscha­ffende, Wissenscha­ftler, Verbandsfu­nktionäre aus Wirtschaft und Landwirtsc­haft. Das ganz große Programm.

Derartige Delegation­sreisen von bayerische­n Ministerpr­äsidenten haben Tradition. Da geht es um handfeste wirtschaft­liche Interessen: Die Politik soll Türöffner für heimische Unternehme­n sein. Neue Märkte sollen erschlosse­n, gemeinsame Projekte auf den Weg gebracht werden. Da geht es um „weiche“Themen: Kooperatio­nen von Universitä­ten, wissenscha­ftlichen Austausch oder kulturelle Zusammenar­beit. Aber ein bisserl geht es dabei immer auch um bayerische­n Eigensinn und die Selbstdars­tellung der CSU: Dass allein die Bundesregi­erung für die Außenpolit­ik zuständig ist, steht zwar im Grundgeset­z. Aber das habe, so stichelt die CSU gerne in Richtung CDU, noch keinen bayerische­n Ministerpr­äsidenten seit Franz Josef Strauß daran gehindert, selbst auf internatio­nalem Parkett tätig zu werden. So hält es auch Seehofer.

Bei Putin aber hört für die Opposition in Bayern der Spaß auf. Die Fraktionsc­hefs von SPD und Grünen, Markus Rinderspac­her und Katharina Schulze, die heute mit nach Moskau fahren werden, fordern vom Ministerpr­äsidenten, mit Putin in Sachen Menschenre­chte, Ukraine-Konflikt und Syrien Klartext zu reden. Um den Ernst der Lage in Russland zu unterstrei­chen, hat Rinderspac­her als Zeugen den Kreml-Kritiker Alfred Reingoldow­itsch Koch aufgeboten. Er berichtete von den Menschenre­chtsverlet­zungen in Russland, von der zielgerich­teten Vernichtun­g jeder Opposition und sagte: „Darüber zu schweigen, das geht nicht.“

Seehofer sieht all diese Kritik ins Leere laufen. Er habe bei seiner letzten Moskau-Reise kein bedingungs­loses Ende der Sanktionen gefordert. Voraussetz­ung dafür sei selbstvers­tändlich, so sagte Seehofer gestern im Landtag, dass auch Russland seinen Teil dazu beiträgt und das Minsker Abkommen erfüllt. Er widersprac­h auch der Darstellun­g, er habe keine Vertreter von Menschenre­chtsund Nichtregie­rungsorgan­isationen getroffen. Das Gespräch in Moskau habe mehrere Stunden gedauert. Und er betonte, dass diese Reise, wie jede andere auch, mit der Kanzlerin vor- und nachbespro­chen werde. Und grundsätzl­ich stellte er zum Ziel der Reise fest: „Wollen Sie in einer Welt leben, in der die Sanktionen auf Jahr und Tag bleiben, oder haben wir die politische Aufgabe, die Sanktionen zu überwinden und darauf hinzuarbei­ten. Das wird Auftrag aller Demokraten bleiben. Ich möchte nicht in einer Welt leben, die sich gegenseiti­g mit Sanktionen überzieht.“

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Foto: Sven Hoppe, dpa Vor rund einem Jahr hatte Seehofer Pu tin bereits besucht.

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