Da beißt die Maus den Lebensfaden ab
Namenspatrone Gertrud von Nivelles ist Schutzherrin der Gärtner. Und soll eine besondere Beziehung zu Nagern haben
Zuweilen kann man durch Heilige etwas über die europäische Geschichte erfahren. Wie die selige Biletrud von Bergen, die ottonische Kaiserenkelin, stammt auch Gertrud (oder Gertraud) von Nivelles aus höchstem Adelshaus. Sie war die Tochter Pippins des Älteren, dem Stammvater der karolingischen Frankenkönige und -kaiser.
Gertrud wurde 626 geboren. Ihre Mutter Iduberga (Itta) stiftete 640 ein Kloster zu Nivelles, südlich von Brüssel. Nach dem Tod der Mutter trat Gertrud dort ein und wurde erste Äbtissin. Nach ihrem eigenen Ableben 659 entwickelte sich eine große Wallfahrt zu ihrer letzten Ruhestätte.
Zu Lebzeiten kümmerte sie sich um Kranke, wandernde Scholaren und vor allem um die Ausbildung der weiblichen Jugend. Zur Krankenbetreuung ließ sie Spitäler bauen, die oftmals unter ihren Schutz gestellt wurden.
Gertrud selbst war viel auf Reisen. Auf einer gründete sie das Kloster Karlburg am Main in Unterfranken. Das war nicht ihre einzige Klostergründung entlang der Reiserouten.
Gertrud wurde oft mit vorchristlichen Göttinnen verglichen und wie Freja mit Spinnrocken dargestellt – den Lebensfaden spinnend, den am Ende eine Maus abbeißt. Daher zeigen sie Bilder zuweilen auch mit Mäusen, die an ihrem Äbtissinnenstab emporklettern. Ihr Gebet soll Mäuse und Ratten von den Feldern vertreiben und für gute Ernten sorgen. Sie ist Patronin von Krankenhäusern und Herbergen, von Pilgern und Wanderern. Wegen ihres Gedenktages im Frühjahr ist sie auch Schutzherrin der Gärtner und der Feld- und Gartenfrüchte. Der Volksmund sagt: „Gertraud führt die Kuh zum Kraut, das Ross zum Pflug, die Biene zum Flug.“
Die Kirche in Dinkelshausen wurde Gertrud von Nivelles geweiht, in einer Zeit, als deren mittelalterliche Verehrung noch ungebrochen war und die Wertschätzung von Frauen zum Ende des Hochmittelalters stark zunahm. Als das Gotteshaus im 18. Jahrhundert barockisiert wurde, malte der Neuburger Künstler Gabriel Seel statt Gertrud von Nivelles die gerade modern gewordene und von den Jesuiten favorisierte Gertrud von Helfta auf das Altarblatt. Gertrud von Helfta kam 1256 zur Welt, lebte als Zisterzienserin, große Mystikerin und Verfasserin von theologischen Schriften im Kloster Helfta bei Eisleben in Thüringen. Sie schöpfte ihre Gedanken aus Christusvisionen. Ihre Werke beeinflussten auch Petrus Canisius. Sie starb 1302. Im Jahr 1678 wurde sie als Heilige in das römische Martyrologium aufgenommen, obwohl sie keine Märtyrerin war. Auch wenn Gertrud von Helfta auf dem Altar in mystischer Vermählung abgebildet ist, feiern die Dinkelshausener doch am Tag der Gertrud von Nivelles am 17. März ihr Patrozinium.