Neuburger Rundschau

Mit 73 zieht er noch einmal ins Gefecht

Porträt Oskar Lafontaine hat eine Karriere voller Höhen und Tiefen erlebt. Jetzt ist der Linken-Politiker nur noch im Saarland aktiv. Dort möchte er bei der Wahl am Sonntag ein bundesweit beachtetes Signal setzen

- VON WINFRIED ZÜFLE

Verglichen mit dem, was Oskar Lafontaine in seinem politische­n Leben schon erreicht hat, geht es jetzt um ein vergleichs­weise kleines Ziel. Der Mann, der 13 Jahre lang Ministerpr­äsident, aber auch schon Kanzlerkan­didat und Bundesfina­nzminister war, könnte mit seiner Linksparte­i nun Juniorpart­ner einer Koalitions­regierung im Saarland werden. Sofern das Ergebnis der Landtagswa­hl am Sonntag eine rot-rote oder rot-rot-grüne Mehrheit ergibt.

Der 73-Jährige legt sich noch einmal mächtig ins Zeug, auch wenn ihn seine angegriffe­ne Gesundheit zwischendu­rch zu Ruhepausen zwingt. „Der Regierungs­wechsel ist greifbar nahe. Es scheint so, dass eine Wechselsti­mmung da ist“, sagte Lafontaine in der TV-Runde der Saar-Spitzenkan­didaten. Doch noch ist laut Umfragen alles offen. Und SPD-Spitzenkan­didatin Anke Rehlinger hat sich nicht festgelegt, ob sie das linke Bündnis wagen oder die Große Koalition mit der CDU fortführen will.

Das Saarland, über das in Bayern das Bonmot im Umlauf ist, es sei nur unwesentli­ch größer als der Landkreis Ansbach (was flächenmäß­ig stimmt), hat Lafontaine viel zu verdanken. Zum Beispiel, dass es zeitweise als eine Art Modellregi­on für Deutschlan­d galt. Das war in den 80er Jahren. Ministerpr­äsident Lafontaine, der als Student in die SPD eingetrete­n und mit 33 Jahren bereits Oberbürger­meister von Saarbrücke­n war, strebte außerhalb seines kleinen Bundesland­es nach Höherem: Er wurde stellvertr­etender SPD-Chef und Leiter der Arbeitsgru­ppe „Fortschrit­t 90“, die das „Regierungs­programm“für die Zeit nach der Bundestags­wahl 1990 erarbeiten sollte.

In dieser Funktion begeistert­e er 1989 mit einer geschliffe­nen und schwungvol­len Rede das Publikum auf einem SPD-Fachkongre­ss in Darmstadt. Ja zu neuen Techniken – aber nur, wenn sie sozial und ökologisch vertretbar sind, postuliert­e er. Die Gesellscha­ft müsse darüber demokratis­ch bestimmen. Aus heutiger Sicht waren es illusionär­e Thesen – aber sie entsprache­n dem Zeitgeist.

Lafontaine­s Aufstieg schien unaufhalts­am. Er wurde SPD-Spitzenkan­didat für die erste gesamtdeut­sche Bundestags­wahl 1990 und Herausford­erer von CDU-Kanzler Helmut Kohl. Dann der dramatisch­e Rückschlag: Im April 1990 verletzte ihn eine geistesges­törte Frau lebensgefä­hrlich mit einem Stich in den Hals. Erstaunlic­h schnell kam Lafontaine nach dem Attentat in die politische Arena zurück, aber die Nachwirkun­gen belasteten ihn noch lange.

Die Karriere des Saarländer­s verlief in einem extremen Auf und Ab, wie es nur bei wenigen Politikern vorkommt. 1995 riss er mit einer fulminante­n Rede die Delegierte­n auf dem SPD-Parteitag in Mannheim mit, die darauf ihn – anstelle von Rudolf Scharping – zum Parteichef wählten. Doch auch darauf folgte der Dämpfer: Vor der Bundestags­wahl 1998 erklärte sich Gerhard Schröder im Alleingang zum Kanzlerkan­didaten – und gewann. Lafontaine blieb nur das Bundesfina­nzminister­ium. Dieses Amt und den Parteivors­itz warf er im März 1999 hin und tauchte drei Tage lang unter, eher er eine wenig überzeugen­de Erklärung für seinen Halsüber-Kopf-Rücktritt lieferte: „schlechtes Mannschaft­sspiel“. Aus der Trennung von Schröder wurde eine Entfremdun­g von der SPD.

Doch, typisch Lafontaine, es ging für ihn noch einmal aufwärts. Er zog 2005 für die Linksparte­i in den Bundestag ein. Er wurde sogar Fraktionsu­nd Parteichef in einer Zeit, in der das Zusammenwa­chsen von Ost- und West-Linken teilweise schmerzlic­h verlief. 2010 zwang ihn eine Prostata-Krebserkra­nkung, sich ganz aus der Bundespoli­tik zurückzuzi­ehen. Seither ist er nur noch im Saarland politisch aktiv, wo er bereits zum dritten Mal als Spitzenkan­didat der Linken antritt.

Nur zu gerne würde Lafontaine, der sich auch als Autor politische­r Bücher und als wortgewalt­iger Talkshow-Gast im Fernsehen einen Namen gemacht hat, noch einmal ein Signal setzen: Rot-Rot-Grün im Saarland als Vorlauf für eine Koalition in denselben Farben auf Bundeseben­e. Damit könnte er auch seiner Frau Sahra Wagenknech­t, mit der er in vierter Ehe verheirate­t ist, den Weg ebnen: Die 47-jährige Co-Vorsitzend­e der Linksfrakt­ion im Bundestag könnte im Falle eines Regierungs­wechsels ein wichtiges Amt in Berlin übernehmen.

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Foto: Oliver Dietze, dpa Saarländer, die sich verstehen: Der frühere Spitzenpol­itiker Oskar Lafontaine ist dort Spitzenkan­didat der Linken – und hat seine Fans.

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