Vererben will gelernt sein
Die Vermögen, die die Menschen bis zu ihrem Tod ansammeln, werden größer. Damit ein Testament rechtsgültig ist, muss es fehlerlos sein. Doch viele, die nicht zum Notar gehen, machen etwas Entscheidendes falsch
Die Vermögen, die die Menschen bis zu ihrem Tod ansammeln, werden größer. Doch viele, die nicht zum Notar gehen, machen etwas Entscheidendes falsch.
Neuburg Rund 8000 Testamente liegen beim Amtsgericht Neuburg. In fünf Panzerschränken werden sie sicher verwahrt. Diplomrechtspfleger Klaus Neumaier arbeitet seit zwölf Jahren im hiesigen Nachlassgericht, das für alle Sterbefälle im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen zuständig ist. Allein im vergangenen Jahr haben Neumaier und seine Kollegen circa 750 Nachlassverfahren abgewickelt. Wir haben mit dem Experten über das Erben und Vererben gesprochen und darüber, welche Fehler die Menschen dabei machen.
Herr Neumaier, wie viele Menschen machen bei uns in der Region ein Testament? Werden es tendenziell mehr?
Neumaier: Die Sterbefälle im Landkreis nehmen zu. Das liegt einerseits daran, dass der Landkreis wächst, und andererseits daran, dass es immer mehr ältere Menschen gibt. In ungefähr 50 Prozent der Fälle greift die gesetzliche Erbfolge, weil es entweder gar keines oder kein gültiges Testament gibt. Bei den anderen 50 Prozent ist eine letztwillige Verfügung vorhanden. Insbesondere die notariellen Verträge haben seit ich angefangen habe deutlich zugenommen, um ein Viertel, würde ich schätzen. Die Menschen wollen einfach sichergehen, dass nach ihrem Tod alles geregelt ist.
Um welche Summen handelt es sich bei den Erbschaften?
Neumaier: Die Vermögen werden größer. Man spricht von der „Generation der Erben“. Hohe Vermögen von mehr als 500 000 Euro sind auch in Neuburg an der Tagesordnung, oft sogar von über einer Million.
Wann ist die Errichtung eines Testaments besonders wichtig?
Neumaier: Wenn man von der gesetzlichen Erbfolge abweichen will. Besonders wichtig ist es bei kinderlosen Ehepaaren. Falls dann kein Testament vorliegt, erbt der überlebende Ehegatte nämlich nicht allein. Hier werden außerdem die Eltern des Verstorbenen und, wenn die nicht mehr leben, auch noch die Geschwister zu Miterben. Das ist aber meistens nicht gewollt und führt oft zu großen Problemen.
Und wann würden Sie empfehlen, unbedingt zum Notar zu gehen?
Neumaier: Immer dann, wenn Grundbesitz vorhanden ist oder wenn man ganz spezielle Anordnungen im Testament treffen will.
Muss ein Testament zwingend im Nachlassgericht verwahrt werden?
Neumaier: Notarielle Testamente müssen amtlich hinterlegt werden. Aber auch privatschriftliche Testamente können bei uns aufbewahrt werden. Die Verwahrung kostet eine Festgebühr von 75 Euro plus 18 Euro für die Registrierung im zentralen Testamentsregister in Berlin. Wir dürfen allerdings nicht beraten. Der Umschlag wird verschlossen entgegengenommen und weggesperrt. Die amtliche Verwahrung ist also keine Garantie für die Gültigkeit des Dokuments. Erst nach dem Tod wird der Umschlag geöffnet und somit werden auch erst dann die Fehler bemerkt.
Welche Fehler machen die Erblasser denn?
Neumaier: Der häufigste Fehler ist, dass die Erblasser nicht zwischen Vererben und Verteilen unterscheiden. Das heißt, sie setzen keinen richtigen Erben ein, sondern schreiben einfach: „Den Bauplatz bekommt meine Tochter. Das Auto bekommt mein Sohn.“Das ist rechtlich jedoch nicht zulässig. Der zentrale Satz im Testament muss lauten: „Als Erben setze ich XYZ ein.“Erst dann geht es ans Verteilen.
Und was wird sonst noch falsch gemacht?
Neumaier: Wichtig ist es, dass der Erblasser seinen letzten Willen handschriftlich – nicht am Computer – aufsetzt und am Ende auch unterschreibt. Man kann das nicht den Enkel machen lassen, nur weil der vielleicht eine schönere Handschrift hat. Verfasst ein Ehepaar gemeinsam ein Testament, reicht es, wenn einer der Partner den Text schreibt, die Unterschrift wird aber von beiden Beteiligten benötigt.
Was hat es für einen Vorteil, wenn ich mein Testament beim Amt hinterlege?
Neumaier: Stirbt jemand, informiert das Standesamt das Nachlassgericht. Wir eröffnen dann automatisch das Testament und benachrichtigen die Erben per Post. Wir stellen auch einen gebührenpflichtigen Erbschein aus. Erst mit dieser Urkunde können sich die darin aufgeführten Personen ihr Erbe von der Bank holen. Wer seinen letzten Willen außerdem über den Notar verfügt hat, kann sich den Erbschein sparen.
Was passiert, wenn nach dem Tod plötzlich mehrere Testamente auftauchen? Oder wenn der Wille des Erblassers nicht ganz klar ist?
Neumaier: Bei mehreren Testamenten zählt immer das aktuellste. Wir versuchen stets, den Willen des Erblassers herauszufinden, zum Beispiel durch Gespräche mit den Erben. Meist kommen wir am Ende zu einem Ergebnis, dass alle Seiten tragen können.
Was geschieht, wenn es überhaupt kein Testament gibt?
Neumaier: In diesem Fall gilt die gesetzliche Erbfolge. Es sterben allerdings immer häufiger Menschen ohne unmittelbare Angehörige. Dann muss ein Anwalt die Nachlasspflegschaft übernehmen. Oder ein Erbenermittlungsbüro sucht auf der ganzen Welt. Das kann manchmal Jahre dauern.
Welche Schwierigkeiten können bei einem Nachlassverfahren auftreten?
Neumaier: Ungefähr drei- bis fünfmal im Jahr haben wir mit Fälschungen zu tun. Dann geben wir ein Schriftgutachten in Auftrag. Oder die Erben sagen, der Erblasser wäre nicht mehr testierfähig gewesen. Dann geben wir ebenfalls ein Gutachten in Auftrag. Manchmal taucht auch plötzlich ein uneheliches Kind auf. Oder es liegt Vermögen im Ausland. Oder jemand behauptet, es gebe irgendwo noch ein anderes Testament. Das müssen wir dann erst überprüfen.
Werden Erbschaften oft ausgeschlagen?
Neumaier: Ja. Ausschlagungen nehmen sogar rasant zu. Vor allem dann, wenn die Verstorbenen im Altersheim gelebt haben und die Sozialhilfe die Kosten dafür getragen hat. In so einem Fall ist den Erben das Risiko oft zu groß, da sie auch mit ihrem Privatvermögen haften. Sollte im Nachhinein doch noch ein großes Vermögen auftauchen, kann die Ausschlagung unter bestimmten Voraussetzungen angefochten werden.