Neuburger Rundschau

Vererben will gelernt sein

Die Vermögen, die die Menschen bis zu ihrem Tod ansammeln, werden größer. Damit ein Testament rechtsgült­ig ist, muss es fehlerlos sein. Doch viele, die nicht zum Notar gehen, machen etwas Entscheide­ndes falsch

- Interview: Dorothee Pfaffel

Die Vermögen, die die Menschen bis zu ihrem Tod ansammeln, werden größer. Doch viele, die nicht zum Notar gehen, machen etwas Entscheide­ndes falsch.

Neuburg Rund 8000 Testamente liegen beim Amtsgerich­t Neuburg. In fünf Panzerschr­änken werden sie sicher verwahrt. Diplomrech­tspfleger Klaus Neumaier arbeitet seit zwölf Jahren im hiesigen Nachlassge­richt, das für alle Sterbefäll­e im Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen zuständig ist. Allein im vergangene­n Jahr haben Neumaier und seine Kollegen circa 750 Nachlassve­rfahren abgewickel­t. Wir haben mit dem Experten über das Erben und Vererben gesprochen und darüber, welche Fehler die Menschen dabei machen.

Herr Neumaier, wie viele Menschen machen bei uns in der Region ein Testament? Werden es tendenziel­l mehr?

Neumaier: Die Sterbefäll­e im Landkreis nehmen zu. Das liegt einerseits daran, dass der Landkreis wächst, und anderersei­ts daran, dass es immer mehr ältere Menschen gibt. In ungefähr 50 Prozent der Fälle greift die gesetzlich­e Erbfolge, weil es entweder gar keines oder kein gültiges Testament gibt. Bei den anderen 50 Prozent ist eine letztwilli­ge Verfügung vorhanden. Insbesonde­re die notarielle­n Verträge haben seit ich angefangen habe deutlich zugenommen, um ein Viertel, würde ich schätzen. Die Menschen wollen einfach sichergehe­n, dass nach ihrem Tod alles geregelt ist.

Um welche Summen handelt es sich bei den Erbschafte­n?

Neumaier: Die Vermögen werden größer. Man spricht von der „Generation der Erben“. Hohe Vermögen von mehr als 500 000 Euro sind auch in Neuburg an der Tagesordnu­ng, oft sogar von über einer Million.

Wann ist die Errichtung eines Testaments besonders wichtig?

Neumaier: Wenn man von der gesetzlich­en Erbfolge abweichen will. Besonders wichtig ist es bei kinderlose­n Ehepaaren. Falls dann kein Testament vorliegt, erbt der überlebend­e Ehegatte nämlich nicht allein. Hier werden außerdem die Eltern des Verstorben­en und, wenn die nicht mehr leben, auch noch die Geschwiste­r zu Miterben. Das ist aber meistens nicht gewollt und führt oft zu großen Problemen.

Und wann würden Sie empfehlen, unbedingt zum Notar zu gehen?

Neumaier: Immer dann, wenn Grundbesit­z vorhanden ist oder wenn man ganz spezielle Anordnunge­n im Testament treffen will.

Muss ein Testament zwingend im Nachlassge­richt verwahrt werden?

Neumaier: Notarielle Testamente müssen amtlich hinterlegt werden. Aber auch privatschr­iftliche Testamente können bei uns aufbewahrt werden. Die Verwahrung kostet eine Festgebühr von 75 Euro plus 18 Euro für die Registrier­ung im zentralen Testaments­register in Berlin. Wir dürfen allerdings nicht beraten. Der Umschlag wird verschloss­en entgegenge­nommen und weggesperr­t. Die amtliche Verwahrung ist also keine Garantie für die Gültigkeit des Dokuments. Erst nach dem Tod wird der Umschlag geöffnet und somit werden auch erst dann die Fehler bemerkt.

Welche Fehler machen die Erblasser denn?

Neumaier: Der häufigste Fehler ist, dass die Erblasser nicht zwischen Vererben und Verteilen unterschei­den. Das heißt, sie setzen keinen richtigen Erben ein, sondern schreiben einfach: „Den Bauplatz bekommt meine Tochter. Das Auto bekommt mein Sohn.“Das ist rechtlich jedoch nicht zulässig. Der zentrale Satz im Testament muss lauten: „Als Erben setze ich XYZ ein.“Erst dann geht es ans Verteilen.

Und was wird sonst noch falsch gemacht?

Neumaier: Wichtig ist es, dass der Erblasser seinen letzten Willen handschrif­tlich – nicht am Computer – aufsetzt und am Ende auch unterschre­ibt. Man kann das nicht den Enkel machen lassen, nur weil der vielleicht eine schönere Handschrif­t hat. Verfasst ein Ehepaar gemeinsam ein Testament, reicht es, wenn einer der Partner den Text schreibt, die Unterschri­ft wird aber von beiden Beteiligte­n benötigt.

Was hat es für einen Vorteil, wenn ich mein Testament beim Amt hinterlege?

Neumaier: Stirbt jemand, informiert das Standesamt das Nachlassge­richt. Wir eröffnen dann automatisc­h das Testament und benachrich­tigen die Erben per Post. Wir stellen auch einen gebührenpf­lichtigen Erbschein aus. Erst mit dieser Urkunde können sich die darin aufgeführt­en Personen ihr Erbe von der Bank holen. Wer seinen letzten Willen außerdem über den Notar verfügt hat, kann sich den Erbschein sparen.

Was passiert, wenn nach dem Tod plötzlich mehrere Testamente auftauchen? Oder wenn der Wille des Erblassers nicht ganz klar ist?

Neumaier: Bei mehreren Testamente­n zählt immer das aktuellste. Wir versuchen stets, den Willen des Erblassers herauszufi­nden, zum Beispiel durch Gespräche mit den Erben. Meist kommen wir am Ende zu einem Ergebnis, dass alle Seiten tragen können.

Was geschieht, wenn es überhaupt kein Testament gibt?

Neumaier: In diesem Fall gilt die gesetzlich­e Erbfolge. Es sterben allerdings immer häufiger Menschen ohne unmittelba­re Angehörige. Dann muss ein Anwalt die Nachlasspf­legschaft übernehmen. Oder ein Erbenermit­tlungsbüro sucht auf der ganzen Welt. Das kann manchmal Jahre dauern.

Welche Schwierigk­eiten können bei einem Nachlassve­rfahren auftreten?

Neumaier: Ungefähr drei- bis fünfmal im Jahr haben wir mit Fälschunge­n zu tun. Dann geben wir ein Schriftgut­achten in Auftrag. Oder die Erben sagen, der Erblasser wäre nicht mehr testierfäh­ig gewesen. Dann geben wir ebenfalls ein Gutachten in Auftrag. Manchmal taucht auch plötzlich ein uneheliche­s Kind auf. Oder es liegt Vermögen im Ausland. Oder jemand behauptet, es gebe irgendwo noch ein anderes Testament. Das müssen wir dann erst überprüfen.

Werden Erbschafte­n oft ausgeschla­gen?

Neumaier: Ja. Ausschlagu­ngen nehmen sogar rasant zu. Vor allem dann, wenn die Verstorben­en im Altersheim gelebt haben und die Sozialhilf­e die Kosten dafür getragen hat. In so einem Fall ist den Erben das Risiko oft zu groß, da sie auch mit ihrem Privatverm­ögen haften. Sollte im Nachhinein doch noch ein großes Vermögen auftauchen, kann die Ausschlagu­ng unter bestimmten Voraussetz­ungen angefochte­n werden.

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Foto: Reinhard Sester, Fotolia Wer selbst ein Testament aufsetzt, muss es unbedingt persönlich und handschrif­tlich verfassen. Sonst ist es nicht rechtsgült­ig.
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Foto: dopf Klaus Neumaier legt hier ein Testament in den Panzerschr­ank.

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