Alles „Klaro“
Karolina Strassmayer und Drori Mondlak boten im Neuburger Hofapothekenkeller lyrischen Jazz-Zauber
Karolina Strassmayer zählt wahrlich nicht ohne Grund zu den besten Altsaxofonisten der gesamten Jazz-Welt. Am Ende eines großartigen Konzerts im Birdland Neuburg sagt sie: „Danke für die Einladung in diesen besonderen Club und danke dafür, dass Sie uns gelauscht haben.“Und das war nicht einfach routiniert dahingesprochen.
„Gelauscht“, dieses Wort trifft es genau für einen Abend voller lyrischem Jazz-Zauber. Nicht einfach „zugehört“. Denn das Publikum im Birdland-Keller ließ sich einfangen von der ruhigen Intensität, von der hoch konzentrierten und zugleich lockeren, selbstverständlichen Spielweise dieser vier Künstler: Karolina Strassmayer am Altsaxofon, Drori Mondlak (Drums), Thomas Stabenow (Bass) und Stefan Bauer am Vibrafon. Die musikalische Welt dieses Quartetts zieht den Zuhörer gerade in den langsamen, leisen und zutiefst lyrischen Passagen in den Bann.
Die Steirerin Karolina Strassmayer, Saxofonistin und Komponistin fast aller Stücke der neuen CD („Mystery and Beauty“), entwickelt ihre Melodien oft wie aus dem Nichts heraus und lässt dann einen Kosmos von Klangfarben und Stimmungen aufblühen. Und dies ohne aufzutrumpfen, ohne Forcieren in den wilden Ausbrüchen, die es durchaus auch gibt. Drori Mondlak an den Drums, das ist ein intellektueller Musikpoet, der seine Trommeln und Becken oft geradezu streichelt. Effekthascherei und lärmende Selbstverliebtheit, die manchen Schlagzeugern nicht fremd sind, hat dieser US-Amerikaner einfach nicht im Angebot.
Vergleichbares gilt für Stefan Bauer am Vibrafon. Er spielt dieses Instrument sehr perkussiv, was dem Zusammenklang mit dem Saxofon und den anderen Mitstreitern sehr zugutekommt. Überlanger Nachhall im Ohr der „Lauscher“und zu dominante Vibrations werden so vermieden, die einzelnen Stücke gelingen in luftiger Transparenz. „Klaro“eben, auch dieser Begriff für die Musik des Quartetts ist kein witziges Etikett, sondern trifft den Kern. Diese Art kennzeichnet auch den Bassisten Thomas Stabenow: Klarheit, Können und musikalisches Gespür, den anderen und sich selbst lauschen – das ist es.
Will man ein Stück aus diesem großen Jazz-Abend hervorheben, dann vielleicht dieses: Altsaxofon und Bass im minutenlangen versonnenen Dialog, ein Blues der raffinierten, auch witzigen Art und zugleich der tiefen Gefühle. Es ist ein musikalisches Geschenk von Karolina Strassmayer und Thomas Stabenow an ihr Publikum. Der Bassist bringt sein Instrument geradezu zum Singen. Es verschmilzt mit dem Altsaxofon und seinen über drei bis vier Oktaven hinauf- und hinunterwirbelnden Passagen zu einer Klangwelt, die auch alte Jazz-Fans so noch kaum gehört haben. Auch Schlagzeug und Vibrafon zelebrieren später einen meditativen und spannenden Dialog, ganz anders im Charakter wegen der sehr unterschiedlichen Instrumentierung, aber ähnlich faszinierend wie das Bravourstück von Saxofon und Bass.
Was die vier Jazz-Poeten können, beweisen sie im Quartett an diesem Abend oft genug. Am schönsten eine Strassmayer-Komposition mit biografischem Bezug. 16 Jahre alt war die Schülerin aus der Steiermark, sie spielte ganz ordentlich Block- und Querflöte. Dass es in der Musik noch eine ganz andere Welt geben könnte – dieser Gedanke blitzte in ihr auf, als sie beim Warten auf den Schulbus bis dahin fremde Töne hörte: Jazz. Sie ließ sich auf dieses Abenteuer ein, ja stürzte sich bald hinein.
Die Faszination dieser Jazz-Welt öffnet Strassmayers Komposition in allen Facetten: sphärische, leise und fast schüchterne Töne genauso wie die wilden, mitreißenden, virtuosen Passagen. Alle vier Musiker füllen diese beiden Welten mit Leben und spielen sich mit Grandezza die musikalischen Bälle zu. Langer, verdienter Beifall.