Was kann weg?
Stadttheater In „Die Dinge meiner Eltern“beschäftigt sich Gilla Cremer mit dem Entrümpeln des Lebens
Auf der Bühne entsteht eine überdimensionale Umzugskistenwand. Davor liegt ein Perserteppich, der aus zahlreichen Fotos zu bestehen scheint. Hier katapultiert Autorin und Schauspielerin Gilla Cremer die Zuschauer im Neuburger Stadttheater in Lichtgeschwindigkeit in eine elterliche Haushaltsentrümpelung – oder eben mitten in ihr sehenswertes Theaterstück „Die Dinge meiner Eltern“.
„Was vom Leben übrig bleibt, kann alles weg...?“heißt es im Programm und auch auf der Bühne. Es bleiben vier Möglichkeiten: Aufheben, Wegwerfen, Verschenken, Verkaufen. Doch die Entscheidung fällt sicher nicht nur Gilla Cremer schwer, die auf der Bühne von ihren fiktiven Schwestern Agnes-Mäuschen genannt wird, sondern wohl auch dem Großteil der Theaterbesucher.
Hängen doch an vielen Dingen prägende Erinnerungen, die plötzlich wieder ganz präsent werden. So erinnert der Morgenmantel der verstorbenen Mutter mit dem ihm ganz eigenen „Mami-Geruch“noch an die Ehe der Eltern, die nicht immer unerschütterlich war. Was kommt da hoch und vertreibt die hinterbliebenen, längst erwachsenen Kinder aus dem Paradies der Kindheit? Möchte man das?
Die angesammelten Konsumgüter – angefangen bei 2500 Büchern über das nicht mehr ganz vollständige Silberbesteck bis hin zu mehr als 200 Kleiderbügeln – besitzen neben ihrem ideellen ja auch einen materiellen Wert oder zumindest einen Nutzwert. Was kann also weg, was muss man verkaufen oder zumindest verschenken? Die Kistenwand wird zur Bedrohung, der Container vor der Haustür ist nicht so leicht zu füllen. Man braucht Hilfe: beim Wegwerfen, Erinnerungen begraben, Leben sortieren.
Gilla Cremer und Regisseur Dominik Günther gelingt es auf beeindruckende Weise, ein dichtes Abbild unserer Gesellschaft, unserer materiellen Kultur zu entwerfen. Dabei kommt die Komik der jeweiligen Situation keinesfalls zu kurz – obwohl einen die eine oder andere Litanei vorhandener Dinge eher beklemmend erscheint, einen ermahnt und einen an das eigene Elternhaus oder gar an den eigenen Haushalt denken lässt. Auch das sparsame Bühnenbild und die geschickte Ausstattung, wofür Eva Humbug verantwortlich ist, verdeutlichen die Versuchung und die Bedrohung, der wir durch den ständigen Überfluss ausgesetzt sind.
„Die Dinge meiner Eltern“zeigten auf überzeugende Weise die Schwachstellen unseres Lebens. Gleichzeitig bot das Stück einen Abend voll inspirierender Unterhaltung.