Rosenkrieg auf der Viehweide
Gericht Ein Mann soll seine Ex-Frau mit dem Auto von der Straße abgedrängt haben und dann mit einer Flasche auf sie losgegangen sein
Sie müssen sich einmal geliebt haben. Irgendwann. Doch davon scheint nicht mehr viel übrig zu sein. Seit gestern muss sich ein 60-Jähriger aus dem Landkreis vor dem Neuburger Amtsgericht verantworten, weil er seine Ex-Frau Anfang Juli 2016 bei einem Überholmanöver zwischen Kaltenherberg und Kleinhohenried mit dem Auto von der Straße gedrängt haben soll. Die zwei waren gerade auf dem Nachhauseweg von einer Verhandlung am Familiengericht, der Mann soll aufgebracht gewesen sein. Beide Fahrzeuge durchbrachen einen Zaun und kamen auf einer Rinderweide zum Stehen. Damit war das Drama aber noch nicht zu Ende.
Der erste Verhandlungstag beginnt zäh und er wird knapp fünf Stunden dauern. Acht Zeugen sind geladen. Der Angeklagte humpelt auf Krücken in den Gerichtssaal. Dann verliest Staatsanwältin Bianka Kampert die Anklageschrift: Der Mann soll das Auto seiner Ex-Frau mutwillig gerammt haben. Danach sei er aus seinem Fahrzeug ausgestiegen und habe mit einer Mineralwasserflasche gegen die Front- und die Seitenscheibe ihres Autos geschlagen. Anschließend soll er der Geschädigten die Glasflasche gegen den Hals gedrückt und versucht haben, sie an den Haaren durch das Fahrzeugfenster zu zerren. Irgendwann soll dann die Frau die Flasche zu fassen bekommen haben und sie in einer Art Notwehr ihrem Ex-Mann über den Kopf gezogen haben, woraufhin dieser das Bewusstsein verloren habe. Die Frau wurde aufgrund schwerer Verletzungen am Kopf und am Hals mit dem Hubschrauber in ein Münchner Krankenhaus befördert, der Mann wurde ins Ingolstädter Klinikum gebracht. Die Staatsanwältin wirft dem Angeklagten vor, er habe sich somit des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, der gefährlichen Körperverletzung und der Nötigung schuldig gemacht.
Ob er Angaben zur Tat machen wolle, fragt Richterin Bettina Mora den Angeklagten. Dieser zuckt nur mit den Schultern und hebt hilflos die Arme. „Ich habe keine Akten bekommen. Ich kenne mich hinten und vorne nicht aus“, wirft der 60-Jährige seinem Anwalt vor. Dieser legt daraufhin der Richterin dar, dass er mehrfach versucht habe, mit seinem Mandanten Kontakt aufzunehmen. Eine Aussage macht der Angeklagte schließlich nicht. Stattdessen wird ein Auszug aus der Haftprüfung vom vergangenen Jahr vorgelesen, in der der Mann unter anderem zugegeben hat, seiner Ex-Frau ins Ohr gebissen zu haben. Er räumt darin jedoch nicht ein, sie mit einer abgebrochenen Flasche am Hals verletzt zu haben. Die Ex-Frau des Angeklagten sagt nicht aus. Sie erscheint überhaupt nicht am Amtsgericht. Sie mache von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und habe das Gericht wissen lassen, dass es ihr gesundheitlich nicht gut gehe, erklärt Mora.
Als Zeugen werden zwei Ersthelfer, ein Polizeibeamter, ein Feuerwehrmann, zwei Rettungskräfte, die Ermittlungsrichterin und ein Polizeihauptkommissar der Kriminalpolizei Ingolstadt vernommen. Ob der Angeklagte die Frau tatsächlich absichtlich von der Fahrbahn abgedrängt hat und ob er mit einer zerbrochenen oder einer intakten Flasche gegen ihren Hals gedrückt hat, können diese jedoch nicht sicher klären. Ebenso wenig, ob die Verletzungen nicht auch vom Unfall stammen könnten. Mehrere von ihnen sagen allerdings aus, dass die Frau nach dem Vorfall wiederholt „Er wollte mich umbringen!“gesagt haben soll, was der Beschuldigte als Lüge abgetan habe.
Im Anschluss an die Zeugenvernehmung wird die Hauptverhandlung unterbrochen. Sie wird am 6. April fortgesetzt. Dann sollen mehrere Gutachten verlesen werden. Der Angeklagte saß übrigens bereits 2016 wegen desselben Vorfalls in Untersuchungshaft – versuchte Tötung lautete damals der Vorwurf. Doch dann machte die Ex-Frau von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch und zog die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht zurück – also ist die Anklage fallengelassen worden.