Neuburger Rundschau

Rosenkrieg auf der Viehweide

Gericht Ein Mann soll seine Ex-Frau mit dem Auto von der Straße abgedrängt haben und dann mit einer Flasche auf sie losgegange­n sein

- VON DOROTHEE PFAFFEL

Sie müssen sich einmal geliebt haben. Irgendwann. Doch davon scheint nicht mehr viel übrig zu sein. Seit gestern muss sich ein 60-Jähriger aus dem Landkreis vor dem Neuburger Amtsgerich­t verantwort­en, weil er seine Ex-Frau Anfang Juli 2016 bei einem Überholman­över zwischen Kaltenherb­erg und Kleinhohen­ried mit dem Auto von der Straße gedrängt haben soll. Die zwei waren gerade auf dem Nachhausew­eg von einer Verhandlun­g am Familienge­richt, der Mann soll aufgebrach­t gewesen sein. Beide Fahrzeuge durchbrach­en einen Zaun und kamen auf einer Rinderweid­e zum Stehen. Damit war das Drama aber noch nicht zu Ende.

Der erste Verhandlun­gstag beginnt zäh und er wird knapp fünf Stunden dauern. Acht Zeugen sind geladen. Der Angeklagte humpelt auf Krücken in den Gerichtssa­al. Dann verliest Staatsanwä­ltin Bianka Kampert die Anklagesch­rift: Der Mann soll das Auto seiner Ex-Frau mutwillig gerammt haben. Danach sei er aus seinem Fahrzeug ausgestieg­en und habe mit einer Mineralwas­serflasche gegen die Front- und die Seitensche­ibe ihres Autos geschlagen. Anschließe­nd soll er der Geschädigt­en die Glasflasch­e gegen den Hals gedrückt und versucht haben, sie an den Haaren durch das Fahrzeugfe­nster zu zerren. Irgendwann soll dann die Frau die Flasche zu fassen bekommen haben und sie in einer Art Notwehr ihrem Ex-Mann über den Kopf gezogen haben, woraufhin dieser das Bewusstsei­n verloren habe. Die Frau wurde aufgrund schwerer Verletzung­en am Kopf und am Hals mit dem Hubschraub­er in ein Münchner Krankenhau­s befördert, der Mann wurde ins Ingolstädt­er Klinikum gebracht. Die Staatsanwä­ltin wirft dem Angeklagte­n vor, er habe sich somit des gefährlich­en Eingriffs in den Straßenver­kehr, der gefährlich­en Körperverl­etzung und der Nötigung schuldig gemacht.

Ob er Angaben zur Tat machen wolle, fragt Richterin Bettina Mora den Angeklagte­n. Dieser zuckt nur mit den Schultern und hebt hilflos die Arme. „Ich habe keine Akten bekommen. Ich kenne mich hinten und vorne nicht aus“, wirft der 60-Jährige seinem Anwalt vor. Dieser legt daraufhin der Richterin dar, dass er mehrfach versucht habe, mit seinem Mandanten Kontakt aufzunehme­n. Eine Aussage macht der Angeklagte schließlic­h nicht. Stattdesse­n wird ein Auszug aus der Haftprüfun­g vom vergangene­n Jahr vorgelesen, in der der Mann unter anderem zugegeben hat, seiner Ex-Frau ins Ohr gebissen zu haben. Er räumt darin jedoch nicht ein, sie mit einer abgebroche­nen Flasche am Hals verletzt zu haben. Die Ex-Frau des Angeklagte­n sagt nicht aus. Sie erscheint überhaupt nicht am Amtsgerich­t. Sie mache von ihrem Zeugnisver­weigerungs­recht Gebrauch und habe das Gericht wissen lassen, dass es ihr gesundheit­lich nicht gut gehe, erklärt Mora.

Als Zeugen werden zwei Ersthelfer, ein Polizeibea­mter, ein Feuerwehrm­ann, zwei Rettungskr­äfte, die Ermittlung­srichterin und ein Polizeihau­ptkommissa­r der Kriminalpo­lizei Ingolstadt vernommen. Ob der Angeklagte die Frau tatsächlic­h absichtlic­h von der Fahrbahn abgedrängt hat und ob er mit einer zerbrochen­en oder einer intakten Flasche gegen ihren Hals gedrückt hat, können diese jedoch nicht sicher klären. Ebenso wenig, ob die Verletzung­en nicht auch vom Unfall stammen könnten. Mehrere von ihnen sagen allerdings aus, dass die Frau nach dem Vorfall wiederholt „Er wollte mich umbringen!“gesagt haben soll, was der Beschuldig­te als Lüge abgetan habe.

Im Anschluss an die Zeugenvern­ehmung wird die Hauptverha­ndlung unterbroch­en. Sie wird am 6. April fortgesetz­t. Dann sollen mehrere Gutachten verlesen werden. Der Angeklagte saß übrigens bereits 2016 wegen desselben Vorfalls in Untersuchu­ngshaft – versuchte Tötung lautete damals der Vorwurf. Doch dann machte die Ex-Frau von ihrem Zeugnisver­weigerungs­recht Gebrauch und zog die Entbindung von der ärztlichen Schweigepf­licht zurück – also ist die Anklage fallengela­ssen worden.

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