Neuburger Rundschau

Ab sofort ist Wahlkampf auf der Insel

Unterhaus unterstütz­t Premiermin­isterin

- VON KATRIN PRIBYL

Es war Brenda aus Bristol, die in 14 Sekunden aussprach, was etliche Briten umtrieb: „Nicht schon wieder eine“, antwortete die Frau genervt auf die Frage, was sie von einer vorgezogen­en Neuwahl hält. „Ich kann es nicht mehr ertragen, es geht im Moment zu viel um Politik.“Doch auch wenn das kurze Video von der Rentnerin in den sozialen Medien die Runde machte und sie als „Stimme der Nation“gefeiert wurde, die Brendas dieses Königreich­s wurden nicht gehört. Gestern Nachmittag votierte das britische Parlament mit einer überwältig­enden Mehrheit für eine Neuwahl am 8. Juni. 522 Abgeordnet­e stimmten dafür, lediglich 13 lehnten den von Premiermin­isterin Theresa May beantragte­n Schritt ab. Der Wahlkampf kann beginnen.

Zuvor warb die konservati­ve Regierungs­chefin erneut um Unterstütz­ung für ihren Kurs. Sie werde das Volk um ein Mandat dafür bitten, „den Brexit durchzufüh­ren und daraus einen Erfolg zu machen“. Die Wahl gebe dem Land „eine starke und stabile Führung“. Die Forderung, sich einer TV-Debatte zu stellen, schmettert­e sie dagegen abermals ab. Die Opposition warf der Regierungs­chefin vor, ihr Wort

Opposition wirft May Wortbruch vor

gebrochen zu haben. Sie sei „eine Premiermin­isterin, der man nicht trauen kann“, sagte Labour-Chef Jeremy Corbyn und zielte damit auf Mays bislang größte politische Kehrtwende ab: Seit sie im Juli 2016 in die Downing Street eingezogen ist, hat sie Neuwahlen kategorisc­h ausgeschlo­ssen. Am Dienstag änderte sich das.

Regulär hätte erst 2020 gewählt werden müssen. Angus Robertson von der Schottisch­en Nationalpa­rtei monierte, May wolle „die Opposition beseitigen“. Die Premiermin­isterin strebt an, ihre Machtbasis – derzeit halten die Konservati­ven eine denkbar knappe Mehrheit – auszubauen und ein persönlich­es Mandat für die Brexit-Verhandlun­gen mit der EU zu erhalten. Im vergangene­n Jahr wurde sie nach dem Brexit-Votum und dem Rücktritt von David Cameron nur von der Tory-Parteibasi­s zur Regierungs­chefin gekürt.

Der Altlinke Corbyn begrüßte die Wahl, obwohl Labour derzeit mit einer historisch­en Niederlage rechnen muss. Umfragen zufolge würden nur 23 Prozent der Wähler für die Sozialdemo­kraten stimmen, die Konservati­ven liegen bei 44 Prozent. Für May war die Versuchung offenbar zu groß, die Schwäche der Opposition auszunutze­n. Die Chancen, dass sich bis 2020 ein neuer Vorsitzend­er der Labour-Partei etabliert, sind groß. Auf der anderen Seite könnte bis dahin die Stimmung kippen und die Briten machen die Konservati­ven für mögliche negative Auswirkung­en des EU-Austritts 2019 verantwort­lich. Mit dem wahrschein­lichen Sieg im Juni kaufen sich die Tories mehr Zeit.

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Foto: afp Energisch warb Theresa May im Parla ment für Neuwahlen.

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