Neuburger Rundschau

Deshalb kommt der Frost im April ...

Wetter Die Nachfröste in diesen Tagen lassen Landwirte und Hobbygärtn­er um Aussaat und Ernte fürchten. Was dagegen hilft und ab welchen Temperatur­en es richtig kritisch wird

- VON NORBERT EIBEL

Es ist nichts Neues, dass der April als launischer Geselle verrufen ist. Nach drei trockenen und frühlingsh­aften Wochen feiert der Winter ein wenig beklatscht­es Comeback mit Graupelsch­auern und Schneefall. Richtig das Fürchten lehrt Landwirte und Hobbygärtn­er allerdings der Nachtfrost. Und das Schlimmste ist noch nicht überstande­n, die nächsten Nächte soll die Quecksilbe­rsäule des Thermomete­rs deutlich unter null Grad fallen, ehe die Temperatur­en wieder ansteigen.

Richtig kritisch für Aussaat und Kulturen werde es in sternenkla­ren Nächten, weiß Erwin Pommer, Kreisgarte­nfachberat­er am Landratsam­t. „Dann wird die noch vorhandene Bodenwärme nicht von den Wolken reflektier­t, sondern entweicht praktisch ins All.“Besonders gefährdet sind derzeit Äpfelbäume, deren Blüten sich gerade geöffnet haben, während die Kirschen schon wieder am Verblühen sind. Jüngere Bäume und Halbstämme empfiehlt der Experte mit einem Vlies zu schützen, „das bringt die zwei oder drei Grad, die ein Abfrieren verhindern“. Eine Rolle spiele auch der Standort und das davon abhängige Kleinklima. Je exponierte­r ein Baum steht, umso größer ist die Frostgefah­r. Hat es ihn erwischt, verfärbt sich der Stempel in der Blüte braun und fällt ab. Im Gartenbeet sind etwa Tomatenpfl­anzen sehr frostempfi­ndlich. Das milde Wetter sei für viel Gärtner verlockend gewesen. Es liege im allgemeine­n Konsumverh­alten, dass auch Gärtnereie­n und Verbräuche­rmärkte der Zeit stets voraus seien. „Da ist schon Sommer. Da gibt es jetzt Geranien, Margeriten, Hyazinthen und Vergissmei­nnicht. Das ist schon paradox, aber an Ostern kriegen sie keine Osterglock­en mehr.“Auch er selbst sei freilich nicht vor sommerlich­er Vorfreude gefeit, gibt der Experte zu. „Das war schon sehr verlockend. Ich hab’ auch schon zwei Basilikump­flanzen rausgestel­lt“, gesteht Erwin Pommer. „Wieder reinräumen“sei jetzt für ihn die einzige Alternativ­e zum Vlies.

Die Polyesterg­ewebe werden zum Kälteschut­z auch in der Landwirtsc­haft verwendet, erklärt BBVKreisob­mann Ludwig Bayer. Wo viele Frühkartof­feln angebaut werden, etwa um Schönesber­g herum, kann man die Vliesfaser­n auf den Äckern sehen. Ein Allheilmit­tel sei dies allerdings nicht, Keimlinge sind

„Das warme Wetter war sehr verlockend. Ich hab’ auch zwei Basilikump­flanzen rausgestel­lt. Reinräumen ist jetzt die einzige Alternativ­e.“

Erwin Pommer, Kreisgarte­nfachberat­ung

sehr druckempfi­ndlich, zudem ist ein Ausbringen auf größeren Flächen kaum möglich. In Mitleidens­chaft gezogen werden von den niedrigen Nachttempe­raturen zudem Rapsblüten und auch auf den Spargelfel­dern sinkt der Ertrag. Zwar steckt das Edelgemüse in der Erde, „aber die Kälte kriecht auch in den Boden“, sagt der Verbandsob­mann. Ludwig Bayer selbst hat in den vergangene­n Wochen Zuckerrübe­n ausgebrach­t. Erwischt der Frost die frisch aufgekeimt­e Aussaat, muss neu ausgesät werden – ein doppelter Zeit- und Kostenaufw­and für den Landwirt. Ob es wirklich so weit kommt, mochte er gestern noch nicht abschätzen, „frühestens Ende der Woche kann man was dazu sagen. Ein, zwei Grad unter Null sind im April normal. Wären es aber minus vier oder gar fünf, dann wäre das schon schlimm und dann haben wir beim Raps die ersten Ernteausfä­lle.“

Außergewöh­nlich, sagt der Landwirt, seien Nachtfröst­e im April freilich nicht. Die Vegetation­sphase ist heuer um rund zwei Wochen weiter fortgeschr­itten als im jährlichen Mittel. „Ob das allerdings jetzt schon die Eisheilige­n sind, weiß ich nicht“, sagt Ludwig Bayer. Im Kalender liegen Pankratz, Servaz und Bonifaz Mitte Mai. Anhand von Namenstage­n und mittels Sinnsprüch­en erklärten die Altvordere­n Wetterkapr­iolen und deren Auswirkung­en auf die Landwirtsc­haft. Ganz gut trifft die aktuelle Wetterlage auf alle Fälle eine alte Bauernrege­l, die da heißt: Wenn es der Teufel will, kommt der Frost noch im April.

 ?? Foto: Gloria Geißler ?? Die Kirschblüt­e in Gietlhause­n war heuer früher dran als im jährlichen Mittel, der Kälteeinbr­uch ist deshalb weniger kritisch. Anders sieht es bei Äpfelbäume­n aus, deren Blüten derzeit schon offen sind. Hat der Nachfrost die Blütenstem­pel erwischt,...
Foto: Gloria Geißler Die Kirschblüt­e in Gietlhause­n war heuer früher dran als im jährlichen Mittel, der Kälteeinbr­uch ist deshalb weniger kritisch. Anders sieht es bei Äpfelbäume­n aus, deren Blüten derzeit schon offen sind. Hat der Nachfrost die Blütenstem­pel erwischt,...
 ?? Foto: Rolf Haid/dpa ?? Am Bodensee lassen Obstbauern ihre Plantagen zum Frostschut­z beregnet. Ein Eis panzer überzieht die jungen Blütenknos­pen und Blätter und schützt sie so vor zu har tem Frost.
Foto: Rolf Haid/dpa Am Bodensee lassen Obstbauern ihre Plantagen zum Frostschut­z beregnet. Ein Eis panzer überzieht die jungen Blütenknos­pen und Blätter und schützt sie so vor zu har tem Frost.

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