Neuburger Rundschau

Autoknacke­r mit dem richtigen Empfang

Amtsgerich­t Seriendieb­e haben es verstärkt auf Autos mit einem Keyless-System abgesehen. Jetzt sitzt ein Pole vor Gericht, der an einem Diebstahl beteiligt war. War er nur ahnungslos­er Handlanger oder Mitglied einer Bande?

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Sie kommen nachts, mindestens zu zweit, meist zu dritt. Und sie haben nur eins im Sinn: Autos klauen. Polnische Diebesband­en haben es in letzter Zeit verstärkt auf sogenannte Fahrzeuge mit einem modernen Keyless-System abgesehen.

Die Tat läuft dann folgenderm­aßen ab: Einer postiert sich in der Nähe des Hauses und versucht mit einem technische­n Empfänger, ein Signal des Schlüssels, der im Haus liegt, zu erwischen. Dieses leitet er dann weiter an einen Komplizen, der am Auto steht. Kommt das Signal dort an, öffnet sich die Autotür wie von Geisterhan­d. Das Auto muss nicht aufgebroch­en werden, der Schlüssel selbst liegt noch an Ort und Stelle. Gestartet wird das Fahrzeug per Knopfdruck. Und die Diebe sind meist schon über alle Berge, bevor der Besitzer den Diebstahl überhaupt bemerkt. Die Ermittler in der Region haben es gerade wieder mit einer Serie von derartigen Autodiebst­ählen zu tun. Seit März 2016 sind in Ingolstadt und den angrenzend­en Landkreise­n 19 Fahrzeuge mit einem Keyless-System gestohlen worden, bei einem versuchten RS6-Diebstahl hat eine aufmerksam­e Nachbarin die Täter verscheuch­t. Der Schaden beläuft sich mittlerwei­le auf knapp eineinhalb Millionen Euro. In kaum einem der Fälle tauchen die Autos wieder auf. Sie landen zumeist in Polen und bekommen dort ein neues Kennzeiche­n sowie ein neues Schließsys­tem.

Glück dagegen hatte eine Familie aus Etting. Ihr Auto, 35000 Euro wert und mit einem Keyless-System ausgestatt­et, war Anfang November vergangene­n Jahres gestohlen worden. Der Fahrer des Wagens wurde allerdings wenige Stunden nach dem Diebstahl an der Grenze nach Tschechien bei Vohenstrau­ß geschnappt. Gestern saß er am Amtsgerich­t auf der Anklageban­k. Die Frage ist nun: War er nur ein kleines Rädchen oder fest eingebunde­n in die Struktur einer Diebesband­e?

Der 32-Jährige selbst stellt sich als ahnungslos­en Helfer dar, der sich als Fahrer auf die Schnelle 1000 Zloty (rund 235 Euro) verdienen wollte. Ein Unbekannte­r habe ihn in einer Bar angesproch­en, als er mit Kollegen feierte. Er sei auf der Suche nach einem Mann mit Führersche­in, der ein Auto aus Deutschlan­d nach Polen überführen könne, so der Unbekannte. Der Angeklagte meldete sich, das versproche­ne Geld sollte für die anstehende Hochzeit sein. Er fuhr also, so lautete die Version des Polen, mit der Zufallsbek­anntschaft in einem Autotransp­orter nach Deutschlan­d. Der Mann ließ ihn auf einem Parkplatz aussteigen und nach rund 20 Minuten kam er wieder – mit dem gestohlene­n Auto. Der 32-Jährige stieg ein und fuhr davon. Dass er Handlanger bei einem Diebstahl sein soll, das habe er angeblich erst auf der Fahrt nach Deutschlan­d erfahren, beteuerte der Angeklagte. Vorsitzend­er Richter Christian Veh schenkte dieser Geschichte aber ebenso wenig Glauben wie Staatsanwa­lt Jürgen Staudt. Vor allem deshalb nicht, weil das Handy zur Tatzeit in der Funkzelle geortet wurde, in der der Tatort liegt. Zum anderen hatte der 32-Jährige nach seiner Festnahme bei der Polizei eine auffallend andere Geschichte erzählt. Darin war von einer Fahrt nach Holland und einem längeren Aufenthalt außerhalb Polens die Rede. Die widersprüc­hlichen Aussagen schob der Angeklagte auf „den Stress und das Adrenalin“nach der Festnahme.

Nach dem Diebstahl sollte der Angeklagte das Auto nach Prag bringen – und dort auf weitere Anweisunge­n warten. Bis dahin musste er eines allerdings vermeiden: Er durfte das Auto keinesfall­s abstellen, denn ein Start ohne Funksignal des Schlüssels ist nicht möglich. So hatte er das Auto auch bei laufendem Motor an der Raststätte Köschinger Forst vollgetank­t.

Die bestohlene Familie hat vom Diebstahl ihres Autos übrigens erst erfahren, als die Polizei sie am frühen Morgen aus dem Bett geklingelt hat. (rilu)

Die Verhandlun­g wird am 4. Mai fortgesetz­t. Der Besitzer eines Autos mit dem Komfort Schließsys­tem „Keyless“muss den Autoschlüs­sel nur bei sich tragen, zum Öffnen ist kein Tas tendruck am Schlüssel selbst nötig. Sobald er sich seinem Auto nähert, erkennt dieses per Funk den Schlüs sel. Beim Berühren des Türgriffs (oder Drücken eines Tasters am Tür griff) öffnet die Zentralver­riege lung. Meistens kann das Fahrzeug auch ohne Zündschlüs­sel durch Druck auf einen Taster gestartet wer den. Keyless Schließsys­teme sind heute weit verbreitet – sogar schon in Kleinwagen. Das Keyless System wird – unter verschiede­nen Be zeichnunge­n – mittlerwei­le bei nahe zu allen Autoherste­llern angebo ten. Die Preise für das moderne Sys tem liegen zumeist bei einigen Hundert Euro. Quelle: ADAC

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