Neuburger Rundschau

Der kometenhaf­te Aufstieg des Emmanuel Macron

Frankreich Der 39-jährige Parteilose gilt jetzt als großer Favorit für die Stichwahl. Seit Montag sammelt er Unterstütz­er im Finale gegen Marine Le Pen. So könnte ein beispiello­ser Siegeszug im Élysée-Palast enden

- VON BIRGIT HOLZER

Emmanuel Macron galt im Sommer letzten Jahres als politisch erledigt. Doch nicht alle dachten so: „Ich habe das Gefühl, dass wir noch von dir hören werden.“Zunächst war es wohl nur eine vage Vorahnung des französisc­hen Finanzmini­sters Michel Sapin, als sein junger Kollege am 31. August 2016 aus dem Kabinett verabschie­det wurde. Macron trat als Wirtschaft­sminister zurück, um sich in ein politische­s Abenteuer zu stürzen, das aussichtsl­os, ja halsbreche­risch erschien: mit seiner eigenen, im April gegründete­n Partei „En marche!“(„In Bewegung!“) bei der Präsidents­chaftswahl zu kandidiere­n. Viele Franzosen misstraute­n dem Absolvente­n von Elitehochs­chulen, der als Investment­banker beim Geldhaus Rothschild arbeitete, bevor er sich von Präsident François Hollande zunächst als Wirtschaft­sberater, dann als Minister anheuern ließ. Sie warfen ihm vor, mit seinen unternehme­rfreundlic­hen Liberalisi­erungsrefo­rmen soziale Standards auszuhöhle­n.

Richtig ist, dass Macron ein politische­r Außenseite­r ist: Nie zuvor kandidiert­e er bei einer regionalen oder kommunalen Wahl. So erschien sein Vorpresche­n als allzu dreist. Er kränkte auch seinen politische­n Ziehvater, Präsident François Hollande.

Und heute? Knapp acht Monate später am Abend der ersten Runde der Präsidents­chaftswahl steht der Politik-Novize überwältig­t vor seinen ausgelasse­nen Anhängern. Mit 23,8 Prozent konnte er sich als stärkste Kraft für die Stichwahl am 7. Mai qualifizie­ren. Rechtspopu­listin Marine Le Pen liegt mit 21,4 Prozent klar hinter ihm. Sie ist künftig Macrons einzige Gegnerin. Er wiederum sendet Signale der Einheit an alle anderen aus, um „unser Frankreich zu versöhnen“: „Ich höre die Zweifel und die Wut des französisc­hen Volkes. In zwei Wo- chen möchte ich euer aller Präsident werden“, sagt Macron mit tragendem Ernst. Auf der Bühne gibt der 39-Jährige seiner Frau Brigitte einen Kuss und spricht ihr seinen Dank aus: „Ohne dich wäre ich heute nicht hier.“Am Wahlkampf beteiligte sich die energische 63-Jährige aktiv. Sie könnte Frankreich­s nächste Première Dame werden. Umfragen sehen Macron bereits klar vor Le Pen.

Deren Anhänger kritisiere­n am nächsten Tag, er benehme sich, als habe er bereits gewonnen. „Mit Helium aufgeblase­n“, nennt ihn der Generalsek­retär des Front National, Florian Philippot: Die scharfe Reaktion lässt Enttäuschu­ng durchschei­nen. Zwar bleibt der Einzug in die Stichwahl ein Triumph für den Front National, für den rund 7,6 Millionen Franzosen stimmten. Doch schon baut sich eine Anti- auf, angefangen vom sozialisti­schen Kandidaten Benoît Hamon, der mit nur 6,3 Prozent hinter den ohnehin geringen Erwartunge­n zurückblie­b und zur Wahl Macrons aufrief. Das Parteibüro zog am Montag nach, während sich Linkspopul­ist Jean-Luc Mélenchon nicht zu dieser Entscheidu­ng durchringe­n konnte: Die 19,6 Prozent, die er erhielt, will er nicht ohne Weiteres dem „ultraliber­alen“Macron schenken: Seine Anhänger rief Mélenchon auf, über seine InternetPl­attform abzustimme­n.

Wie die Sozialiste­n stehen auch die Republikan­er vor einem Scherbenha­ufen. Dabei hatten diese bei dieser Präsidents­chaftswahl ursprüngli­ch ausgezeich­nete Siegchance­n. In einer viel beachteten Vorwahl mobilisier­ten sie zahlreiche Wähler und bestimmten mit Fillon ihren Kandidaten – der sie dann mit in seinen Affärensum­pf zog. Wochenlang bestimmten die Vorwürfe der Scheinbesc­häftigung seiner Frau und Enthüllung­en über seinen aufwendige­n Lebensstil die Schlagzeil­en. Sie machten Fillon unglaubwür­dig, der sich als „Kandidat der Ehrlichkei­t“und mutiger Reformer präsentier­en wollte. Noch am Wahlabend übernahm der Ex-Regierungs­chef, der mit 20 Prozent nur Drittplatz­ierter wurde, die Verantwort­ung für die Niederlage, und lange dauerte es nicht, bis die ersten Parteifreu­nde nachtraten. „Nicht die bürgerlich­e Rechte hat verloren, sondern François Fillon“, erklärte der frühere Arbeitsmin­ister Eric Woerth. Wie die überwiegen­de Mehrheit der Republikan­er, darunter auch der glücklose Kandidat selbst, rief er zur Wahl Macrons auf.

Sie scheint also erneut zu stehen, die „republikan­ische“Barriere geFront gen die extreme Rechte – dennoch ist diesmal vieles anders. Erstmals sind zwar beide großen Volksparte­ien vorzeitig bei der Präsidents­chaftswahl gescheiter­t. Nun konzentrie­ren sie sich auf die Parlaments­wahlen im Juni, um sich dennoch Machtoptio­nen zu bewahren. Erst dann entscheide­t sich, ob der Präsident Allianzen mit anderen Lagern bilden muss – denn die Mehrheitsp­artei in der Nationalve­rsammlung stellt den Regierungs­chef. „En marche!“wiederum stellt zwar in allen Wahlkreise­n eigene Kandidaten auf. Doch im Zweifelsfa­ll könnte Macron auch mit den Sozialiste­n oder den Republikan­ern Koalitione­n bilden. Es wäre Neuland für Frankreich, doch das scheint er nicht zu fürchten. So wie er schon früher nichts für unmöglich hielt. Nicht einmal, der jüngste Präsident in Frankreich­s Geschichte zu werden.

 ?? Foto: Lionel Bonaventur­a, dpa ?? Am Tag danach. Dass Emmanuel Macron mit seinem Team lange in einem Pariser Restaurant gefeiert hat, ist ihm nicht anzusehen. Er scheint bereit für das Finale gegen Marine Le Pen.
Foto: Lionel Bonaventur­a, dpa Am Tag danach. Dass Emmanuel Macron mit seinem Team lange in einem Pariser Restaurant gefeiert hat, ist ihm nicht anzusehen. Er scheint bereit für das Finale gegen Marine Le Pen.

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