Neuburger Rundschau

Alles, nur kein Steingarte­n

Natur Ihr Wohnzimmer im Grünen teilen sich Edeltraud und Ulrich Mayer aus Neuburg mit Eidechsen, Igeln und Insekten. Von modernen Gärten aus Kies und Hartholz halten sie nichts

- VON MARCEL ROTHER

Im Garten von Edeltraud und Ulrich Mayer summt und brummt es, die Luft riecht würzig und Tulpen, Primeln und Narzissen recken ihre bunten Köpfe in die Sonne. Hinter der natürliche­n Idylle steckt ein Plan. Ihren Garten haben die beiden Naturliebh­aber bewusst naturnah gestaltet, damit Insekten, Vögel und kleine Säugetiere darin Unterschlu­pf finden. Sie zeigen damit, dass die Natur auch in städtische­n Gärten eine Chance hat, sofern die Bedingunge­n stimmen.

Der Trend dieser Tage ist gegenläufi­g und vor allem in Neubaugebi­eten zu beobachten: Steingärte­n mit viel Kies, Hartgehölz­en und einer getrimmten Rasenfläch­e. Wolfgang Bock vom Landesbund für Vogelschut­z in Ingolstadt hat viele Steingärte­n studiert, klärt in Vorträgen darüber auf und kennt die Nachteile, die diese moderne Gartenform – er nennt sie auch Schotterwü­sten – mit sich bringt. „Da lebt es weniger“, fasst er zusammen. Nicht nur, dass es keine Blumen gäbe, Insekten nichts zu fressen fänden und in der Folge andere Tiere ausblieben, auch das Kleinklima um das Haus ginge verloren. „Ohne die Vegetation fehlen der Sauerstoff, die Feuchtigke­it und der kühlende Effekt im Sommer“, sagt Bock. Stattdesse­n würden sich moderne Steingärte­n im Sommer oft unnatürlic­h stark aufheizen.

Diese Probleme sind den Mayers fremd. Ihr Garten ist so gestaltet, dass er einen möglichst natürliche­n Kreislauf bildet – der beginnt beim Rasen, geht weiter über Büsche, Sträucher und Bäume und endet im Kompost. Wichtig beim Rasen sei: Nicht zu oft schneiden und wenn, dann nicht zu hoch. „So haben Blumen und Wildpflanz­en eine Chance“, erklärt Ulrich Mayer, der auch Gänseblümc­hen, Hahnenfuß und Löwenzahn auf seiner Grünfläche toleriert und um besonders schöne Exemplare manchmal sogar einen Bogen mäht. Getreu dem Motto: „Alles hat seinen Platz.“

Die Blumen ziehen Insekten an und die wiederum Vögel, die ihren Platz in Sträuchern, Büschen und Bäumen finden. Mönchsgras­mücke, Zaunkönig und Rotkehlche­n sind regelmäßig­e Gäste im Garten der Mayers und sorgen dafür, dass Blattläuse und Co. nicht überhandne­hmen. Manchmal schaut sogar ein Turmfalke auf der Suche nach Mäusen vorbei, denn auch kleine Säuge- tiere schätzen den Garten mit seinen vielen Versteckmö­glichkeite­n und dem Nahrungsan­gebot. Seien es Eichhörnch­en im Haselnusss­trauch, Igel im Laubhaufen oder Marder, die einfach im Garten fangen spielen. „All das zu beobachten, ist fasziniere­nd“, sagt Edeltraud Mayer.

Zusammen mit ihrem Mann sitzt sie gerne hinter dem Haus, genießt den Blick ins Grüne oder freut sich Fotos: Marcel Rother über eine Zauneidech­se, die sich an den Sonnenstra­hlen wärmt. „Wir gehen auch ins Theater“, sagen die beiden, die sich seit Jahrzehnte­n vereinsmäß­ig für den Vogel- und Naturschut­z einsetzen. Aber in und mit der Natur zu leben, sei für sie etwas Besonderes, das es zu bewahren gelte. Nicht zuletzt, weil auch der Mensch davon profitiere. „Je mehr die Städte nachverdic­htet und Oberfläche­n versiegelt werden, desto wichtiger werden naturnahe Grünfläche­n“, sagt Ulrich Mayer, der von Beruf Techniker war und selbst in einem großen Garten aufgewachs­en ist. Solche Gärten dienten als grüne Lungen, Temperatur­regulatore­n und Sauerstoff­produzente­n.

Der Nutzen, den die Mayers aus ihrem Garten ziehen, ist messbar: Neben Mangold, Zwiebeln, Buschbohne­n und einer Vielzahl von Gemüse und Kräutern ernten sie jedes Jahr mehrere Zentner Äpfel, Quitten, Zwetschgen, Birnen und Beeren. Was nicht direkt verwertet wird, wird eingelager­t, verschenkt oder zu Mus, Marmeladen, Gelees, Pesto oder Kräutermis­chungen weitervera­rbeitet. Als ehemalige Hauswirtsc­haftslehre­rin für Edeltraud Mayer ein Leichtes. Abfälle, die dabei anfallen, wandern direkt auf den Kompost. Zusammen mit Gartenabfä­llen und Häckselmat­erial werden daraus pro Jahr rund 500 Liter Erde, nebenbei überwinter­n darin Insekten wie Rosenkäfer­larven oder Hornissenk­öniginnen. So schließt sich der Kreis.

Der verbreitet­en Meinung, ein naturnaher Garten mache mehr Arbeit als ein Steingarte­n, widerspric­ht Wolfgang Bock. „Zwar müssen Laub gerecht und Sträucher geschnitte­n werden, dafür muss der Rasen nicht so oft gemäht werden“, gibt er zu bedenken. Zudem würde sich mit der Zeit auch in einem Steingarte­n Unkraut ansiedeln und das Gestein verwittern. „Dann muss gezupft und aufwendig gereinigt werden.“Für Bock sind Steingärte­n eine Modeersche­inung wie die Gärten in den 60er und 70er Jahren mit Waschbeton­platten, Blautannen und englischem Rasen. Er hofft, dass künftig die Natur wieder vermehrt Einkehr hält in Stadtgärte­n. „Dazu muss die Fläche gar nicht groß sein“, sagt er. Mit etwas Beratung und den richtigen Pflanzen könne man selbst auf zwei Quadratmet­ern der Natur ihren Platz einräumen. Dann summt und brummt und duftet es selbst auf einem Balkon.

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Sie lieben es bunt und naturnah: Edeltraud und Ulrich Mayer. In ihrem Garten ist ne ben Blaukissen auch Platz für formgeschn­ittenen Buchs.
 ??  ?? Eine stattliche Linde prägt das Gesicht des Gartens.
Eine stattliche Linde prägt das Gesicht des Gartens.
 ?? Foto: Matthias Wild ?? Ein Brief mit Folgen.
Foto: Matthias Wild Ein Brief mit Folgen.
 ??  ?? In Ästen und Laubhaufen finden Igel und Insekten Unterschlu­pf.
In Ästen und Laubhaufen finden Igel und Insekten Unterschlu­pf.
 ??  ?? Am Gemüsebeet treffen sich Tulpen, Mangold und Winterheck­e.
Am Gemüsebeet treffen sich Tulpen, Mangold und Winterheck­e.

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