Alles, nur kein Steingarten
Natur Ihr Wohnzimmer im Grünen teilen sich Edeltraud und Ulrich Mayer aus Neuburg mit Eidechsen, Igeln und Insekten. Von modernen Gärten aus Kies und Hartholz halten sie nichts
Im Garten von Edeltraud und Ulrich Mayer summt und brummt es, die Luft riecht würzig und Tulpen, Primeln und Narzissen recken ihre bunten Köpfe in die Sonne. Hinter der natürlichen Idylle steckt ein Plan. Ihren Garten haben die beiden Naturliebhaber bewusst naturnah gestaltet, damit Insekten, Vögel und kleine Säugetiere darin Unterschlupf finden. Sie zeigen damit, dass die Natur auch in städtischen Gärten eine Chance hat, sofern die Bedingungen stimmen.
Der Trend dieser Tage ist gegenläufig und vor allem in Neubaugebieten zu beobachten: Steingärten mit viel Kies, Hartgehölzen und einer getrimmten Rasenfläche. Wolfgang Bock vom Landesbund für Vogelschutz in Ingolstadt hat viele Steingärten studiert, klärt in Vorträgen darüber auf und kennt die Nachteile, die diese moderne Gartenform – er nennt sie auch Schotterwüsten – mit sich bringt. „Da lebt es weniger“, fasst er zusammen. Nicht nur, dass es keine Blumen gäbe, Insekten nichts zu fressen fänden und in der Folge andere Tiere ausblieben, auch das Kleinklima um das Haus ginge verloren. „Ohne die Vegetation fehlen der Sauerstoff, die Feuchtigkeit und der kühlende Effekt im Sommer“, sagt Bock. Stattdessen würden sich moderne Steingärten im Sommer oft unnatürlich stark aufheizen.
Diese Probleme sind den Mayers fremd. Ihr Garten ist so gestaltet, dass er einen möglichst natürlichen Kreislauf bildet – der beginnt beim Rasen, geht weiter über Büsche, Sträucher und Bäume und endet im Kompost. Wichtig beim Rasen sei: Nicht zu oft schneiden und wenn, dann nicht zu hoch. „So haben Blumen und Wildpflanzen eine Chance“, erklärt Ulrich Mayer, der auch Gänseblümchen, Hahnenfuß und Löwenzahn auf seiner Grünfläche toleriert und um besonders schöne Exemplare manchmal sogar einen Bogen mäht. Getreu dem Motto: „Alles hat seinen Platz.“
Die Blumen ziehen Insekten an und die wiederum Vögel, die ihren Platz in Sträuchern, Büschen und Bäumen finden. Mönchsgrasmücke, Zaunkönig und Rotkehlchen sind regelmäßige Gäste im Garten der Mayers und sorgen dafür, dass Blattläuse und Co. nicht überhandnehmen. Manchmal schaut sogar ein Turmfalke auf der Suche nach Mäusen vorbei, denn auch kleine Säuge- tiere schätzen den Garten mit seinen vielen Versteckmöglichkeiten und dem Nahrungsangebot. Seien es Eichhörnchen im Haselnussstrauch, Igel im Laubhaufen oder Marder, die einfach im Garten fangen spielen. „All das zu beobachten, ist faszinierend“, sagt Edeltraud Mayer.
Zusammen mit ihrem Mann sitzt sie gerne hinter dem Haus, genießt den Blick ins Grüne oder freut sich Fotos: Marcel Rother über eine Zauneidechse, die sich an den Sonnenstrahlen wärmt. „Wir gehen auch ins Theater“, sagen die beiden, die sich seit Jahrzehnten vereinsmäßig für den Vogel- und Naturschutz einsetzen. Aber in und mit der Natur zu leben, sei für sie etwas Besonderes, das es zu bewahren gelte. Nicht zuletzt, weil auch der Mensch davon profitiere. „Je mehr die Städte nachverdichtet und Oberflächen versiegelt werden, desto wichtiger werden naturnahe Grünflächen“, sagt Ulrich Mayer, der von Beruf Techniker war und selbst in einem großen Garten aufgewachsen ist. Solche Gärten dienten als grüne Lungen, Temperaturregulatoren und Sauerstoffproduzenten.
Der Nutzen, den die Mayers aus ihrem Garten ziehen, ist messbar: Neben Mangold, Zwiebeln, Buschbohnen und einer Vielzahl von Gemüse und Kräutern ernten sie jedes Jahr mehrere Zentner Äpfel, Quitten, Zwetschgen, Birnen und Beeren. Was nicht direkt verwertet wird, wird eingelagert, verschenkt oder zu Mus, Marmeladen, Gelees, Pesto oder Kräutermischungen weiterverarbeitet. Als ehemalige Hauswirtschaftslehrerin für Edeltraud Mayer ein Leichtes. Abfälle, die dabei anfallen, wandern direkt auf den Kompost. Zusammen mit Gartenabfällen und Häckselmaterial werden daraus pro Jahr rund 500 Liter Erde, nebenbei überwintern darin Insekten wie Rosenkäferlarven oder Hornissenköniginnen. So schließt sich der Kreis.
Der verbreiteten Meinung, ein naturnaher Garten mache mehr Arbeit als ein Steingarten, widerspricht Wolfgang Bock. „Zwar müssen Laub gerecht und Sträucher geschnitten werden, dafür muss der Rasen nicht so oft gemäht werden“, gibt er zu bedenken. Zudem würde sich mit der Zeit auch in einem Steingarten Unkraut ansiedeln und das Gestein verwittern. „Dann muss gezupft und aufwendig gereinigt werden.“Für Bock sind Steingärten eine Modeerscheinung wie die Gärten in den 60er und 70er Jahren mit Waschbetonplatten, Blautannen und englischem Rasen. Er hofft, dass künftig die Natur wieder vermehrt Einkehr hält in Stadtgärten. „Dazu muss die Fläche gar nicht groß sein“, sagt er. Mit etwas Beratung und den richtigen Pflanzen könne man selbst auf zwei Quadratmetern der Natur ihren Platz einräumen. Dann summt und brummt und duftet es selbst auf einem Balkon.