Die Wildnis vor der Haustür
Nationalparks sind Orte, an denen wieder Wildnis entstehen soll – mitten in Deutschland! Was manche Zeitgenossen herbeisehnen, lehnen andere strikt ab. Das Thema bietet also jede Menge Stoff für Konflikte und Kontroversen.
Die Idee eines dritten Nationalparks in Bayern nimmt Gestalt an und schon bald wird die Entscheidung über den Standort fallen. Andernorts wird oder wurde schon mit harten Bandagen gekämpft: Der bereits vor der Nationalpark-Initiative der Staatsregierung bei Naturschützern hoch gehandelte Steigerwald ging aus politischen Gründen gar nicht erst ins Rennen, im Spessart hat die Diskussion zwischen Befürwortern und Gegnern in Windeseile tiefe Gräben aufgerissen. Nur entlang der Donau ist die Lage (noch) entspannt – möglicherweise der entscheidende Trumpf für einen Zuschlag.
Vielleicht liegt die Akzeptanz vor Ort in den bereits geschaffenen und mithin akzeptierten Strukturen. Mit viel Einsatz und Mitteln haben Freistaat und Kommunalpolitik in Kooperation mit Verbänden und der Katholischen Universität Eichstätt in den vergangenen Jahren ein europaweit beachtetes Projekt zur Redynamisierung der DonauAuen zwischen Neuburg und Ingolstadt angestoßen und mit dem Auenzentrum Naturschutz, Forschung und Tourismus auf ideale Weise unter einem Dach vereint. Die Weiterentwicklung dieses Pilotprojekts als Keimzelle eines Nationalparks wäre ein folgerichtiger Schritt.
Freilich müssen die Einwände von Interessensverbänden Ernst genommen werden. Mögliche Vorbehalte von Jägern, Land- und Forstwirten und Grundbesitzer müssen gehört und ausdiskutiert werden. Deshalb spielt die Kommunikation mit den Betroffenen eine überragende Rolle. Nur mit breiter Akzeptanz, das weiß man auch in München, wird sich an der Donau die Nationalpark-Idee etablieren lassen.
Dabei sähe ein Nationalpark eigentlich nur Gewinner: Einheimischen und Touristen würde sich ein völlig neues Landschaftserlebnis eröffnen, Flora und Fauna könnten in ungeahnter Artenvielfalt aufblühen. Eine Arche für Mensch und Natur könnte entstehen. Und Naturschutz tut Not. Der alljährlich veröffentlichte Artenschutzreport Deutschland ist alarmierend. Ein Drittel der untersuchten Tier-und Pflanzenarten ist gefährdet und auf Dauer im Bestand bedroht. So wichtig vor dem Hintergrund des Klimawandels internationale Bemühungen um den Schutz des Regenwaldes am Amazonas oder gefährdeter Ökosysteme in anderen Weltgegenden sind: Der Ruf nach mehr Wildnis muss auch vor der eigenen Haustüre Gehör finden.