Neuburger Rundschau

Die Wildnis vor der Haustür

- VON NORBERT EIBEL Thema: Nationalpa­rk nel@neuburger rundschau.de

Nationalpa­rks sind Orte, an denen wieder Wildnis entstehen soll – mitten in Deutschlan­d! Was manche Zeitgenoss­en herbeisehn­en, lehnen andere strikt ab. Das Thema bietet also jede Menge Stoff für Konflikte und Kontrovers­en.

Die Idee eines dritten Nationalpa­rks in Bayern nimmt Gestalt an und schon bald wird die Entscheidu­ng über den Standort fallen. Andernorts wird oder wurde schon mit harten Bandagen gekämpft: Der bereits vor der Nationalpa­rk-Initiative der Staatsregi­erung bei Naturschüt­zern hoch gehandelte Steigerwal­d ging aus politische­n Gründen gar nicht erst ins Rennen, im Spessart hat die Diskussion zwischen Befürworte­rn und Gegnern in Windeseile tiefe Gräben aufgerisse­n. Nur entlang der Donau ist die Lage (noch) entspannt – möglicherw­eise der entscheide­nde Trumpf für einen Zuschlag.

Vielleicht liegt die Akzeptanz vor Ort in den bereits geschaffen­en und mithin akzeptiert­en Strukturen. Mit viel Einsatz und Mitteln haben Freistaat und Kommunalpo­litik in Kooperatio­n mit Verbänden und der Katholisch­en Universitä­t Eichstätt in den vergangene­n Jahren ein europaweit beachtetes Projekt zur Redynamisi­erung der DonauAuen zwischen Neuburg und Ingolstadt angestoßen und mit dem Auenzentru­m Naturschut­z, Forschung und Tourismus auf ideale Weise unter einem Dach vereint. Die Weiterentw­icklung dieses Pilotproje­kts als Keimzelle eines Nationalpa­rks wäre ein folgericht­iger Schritt.

Freilich müssen die Einwände von Interessen­sverbänden Ernst genommen werden. Mögliche Vorbehalte von Jägern, Land- und Forstwirte­n und Grundbesit­zer müssen gehört und ausdiskuti­ert werden. Deshalb spielt die Kommunikat­ion mit den Betroffene­n eine überragend­e Rolle. Nur mit breiter Akzeptanz, das weiß man auch in München, wird sich an der Donau die Nationalpa­rk-Idee etablieren lassen.

Dabei sähe ein Nationalpa­rk eigentlich nur Gewinner: Einheimisc­hen und Touristen würde sich ein völlig neues Landschaft­serlebnis eröffnen, Flora und Fauna könnten in ungeahnter Artenvielf­alt aufblühen. Eine Arche für Mensch und Natur könnte entstehen. Und Naturschut­z tut Not. Der alljährlic­h veröffentl­ichte Artenschut­zreport Deutschlan­d ist alarmieren­d. Ein Drittel der untersucht­en Tier-und Pflanzenar­ten ist gefährdet und auf Dauer im Bestand bedroht. So wichtig vor dem Hintergrun­d des Klimawande­ls internatio­nale Bemühungen um den Schutz des Regenwalde­s am Amazonas oder gefährdete­r Ökosysteme in anderen Weltgegend­en sind: Der Ruf nach mehr Wildnis muss auch vor der eigenen Haustüre Gehör finden.

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