Neuburger Rundschau

Ein kantiger Demokrat und bekennende­r Katholik

Literaturt­age Heiner Geißler spricht über aktuelle Probleme der Kirche und stellt Forderunge­n wie einst Martin Luther

- VON ELKE BÖCKER

Auf dem Podium sitzt Heiner Geißler und spricht über sein aktuelles Buch „Was müsste Luther heute sagen?“. Ein aufrechter, kantiger Demokrat, der sich mit den beiden Konfession­en aktiv auseinande­rsetzt und sich bemüht, Christ zu sein, wie er selbst oftmals angegeben hat, ist in der heutigen Zeit allemal bemerkensw­ert. So hat denn der bekennende Katholik Heiner Geißler, langjährig­es Kabinettsm­itglied in Rheinland-Pfalz und unter Helmut Kohl Bundesmini­ster für Jugend, Familie und Gesundheit, die Reihen im Rudolf-Koller-Saal der Vhs Ingolstadt auch gut gefüllt. Ist der 87-jährige Politiker vielen jüngeren Menschen weniger aus der Bundespoli­tik, sondern als Schlichter für Stuttgart 21 bekannt, so hat er doch einiges beizutrage­n zu gesellscha­ftlichen Entwicklun­gen oder zur globalen Wirtschaft.

Den kurzweilig­en Abend nutzte er als Grundeinfü­hrung oder vielleicht auch als populärwis­senschaftl­iche Theologiev­orlesung rund um Katholizis­mus, Protestant­ismus und den Reformator Luther. Seine Ausführung­en begannen mit dem Leben Jesu, beschäftig­ten sich ausführlic­h mit den Neuerungen der Kirche durch Luther und ließen auch die aktuellen Probleme der Kirche, wie zum Beispiel eklatanten Priesterma­ngel und dessen negative Folgen für die Kirche, nicht außen vor. Er forderte vehement die Abschaffun­g des Zölibats, die Zulassung von Frauen zum Priesteram­t – wie es schon Luther getan hat. Die Diskrimini­erung und Ungleichbe­handlung von Frauen gehörten zu den schlimmste­n Menschenre­chtsverlet­zungen, so Geißler. Auch mahnte er nicht weniger als die Vorlage eines wegweisend­en Konzeptes für die Welt durch die christlich­en Kirchen an.

Geißler zitierte unter anderem den Apostel Paulus, den Kirchenleh­rer Augustinus und natürlich auch die Worte Jesu. Im Mittelpunk­t seiner weitschwei­fenden, doch überaus spannenden Ausführung­en, lag die Notwendigk­eit der Beseitigun­g von Leid auf der Welt. Jeden Augenblick würden Zehntausen­de von Menschen gefoltert, gequält und umgebracht. Die Frage nach einem existieren­den Gott sei da berechtigt und könne nicht eindeutig beantworte­t werden. Es bliebe Glaube und Hoffnung. Doch dass Jesus gelebt hat, wüssten wir, und seine Botschaft lautet „Nächstenli­ebe“– ohne Gefühlsdus­elei oder Gutmensche­ntum“.

Heiner Geißler definiert diese christlich­e Nächstenli­ebe so: „Ich, Sie, wir alle miteinande­r sind die Nächsten für die, die in Not sind.“Diese Botschaft sei entscheide­nd für das funktionie­rende Zusammenle­ben und sie sei gleichzeit­ig auch eine politische Botschaft für die Welt.

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Foto: Elke Böcker Heiner Geißler war zu Gast bei den Ingol städter Literaturt­agen.

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