Vater droht Tochter mit Ketchup
Gericht Eine Neuburgerin hat ihren Vater angezeigt: Er soll ihr in Tomatensoße-Buchstaben mit dem Tod gedroht haben
Das Verhältnis zwischen Tochter und Vater ist sichtlich zerrüttet. Das bewies gestern nicht nur der Gruß, den der 53-Jährige kurz vor Verhandlungsbeginn für die Zeugin übrig hatte, die zuvor Anzeige erstattet hatte: ein ausgestreckter Mittelfinger.
Wie es so weit kommen konnte, wurde am ersten Verhandlungstag nicht klar. Die Anklageschrift gegen den Mann, der seit Jahren in Nürnberg lebt, Mitte 2016 aber kurzzeitig nach Neuburg zurückgekehrt ist, liest sich wie eine bis in die kleinste Faser zerstörte Beziehung zweier Familienangehöriger. Auf der einen Seite steht die Tochter, deren Mutter zusammen mit ihr den Vater vor Jahren verlassen hat. Im Mai 2015 soll sie ihren Vater in Nürnberg besucht haben, der nur wüste Beschimpfungen für sie übrig gehabt haben soll, lautet der erste Punkt der Anklage, die in einer regelrechten Stalking-Orgie ein Jahr später endete. Zu dieser Zeit zog der Angeklagte nach Neuburg und habe seiner Tochter in ihrem Wohnort am Tag bis zu 30 Nachrichten geschrieben – keine Zeile soll dabei herzlich gewesen sein.
Er habe der Frau und ihren beiden Kindern aufgelauert, habe gedroht, sie umzubringen, und schließlich war laut Anklageschrift auf dem Schulhof der Ostend-Schule eine weitere Eskalationsstufe erreicht. Vater und Tochter seien aufeinandergetroffen, als diese ihre Tochter von der Schule abholte. Danach folgte das alte Spiel: Beschimpfungen, Drohungen.
Deshalb habe das Gericht am 6. Juni 2016 ein Kontaktverbot gegen den 53-Jährigen verhängt. Das Urteil regelte klar, dass sich der Mann weder der Frau noch den Kindern und auch dem Wohnhaus nicht nähern darf. Durchgehalten habe der Mann nur knapp zwei Wochen, verliest der Staatsanwalt. Als sich Vater und Tochter auf dem Parkplatz eines Discounters eher zufällig trafen, habe er sich nicht an das Verbot gehalten. Er habe viel mehr seine Tochter mit einem Taschenmesser und den Worten gedroht: Sie solle sich überlegen, was sie der Polizei erzähle. Als letzter Akt soll der Vater schließlich zwei Tage später den Garten der Familienmutter aufgesucht, die Terrasse verwüstet und mit Ketchup in Großbuchstaben am Rollo eine Botschaft hinterlassen haben: „Dich bring ich um!“
Eine ganze Reihe von Vergehen zählte die Staatsanwaltschaft also auf: von Bedrohung bis zur Nötigung. Dass es schließlich nicht zur Verhandlung kam, obwohl vier Zeugen und der Angeklagte darauf warteten, von Richterin Bettina Mora angehört zu werden, hatte nichts mit der Geste des Angeklagten vor Prozessbeginn zu tun. Verteidiger, Staatsanwalt und Richterin unterhielten sich im Hinterzimmer eine Stunde lang, ob es möglich sei, sich zu verständigen, also einen sogenannten „Deal“einzugehen. Schließlich wurden einige geringere Punkte von der Anklageschrift gestrichen und dem 53-Jährigen nahe gelegt zu gestehen – dafür werde die Freiheitsstraße mindestens acht, höchstens elf Monate ausfallen.
Doch der Mann sieht den Fall anders. Er hat weitere Zeugen zur Verhandlung hinzugezogen und deutete kurz vor Gericht an, dass es der Tochter um Geld gehe. Die beiden hätten bis vergangenes Jahr ein gutes Verhältnis gehabt. Doch als der Vater irgendwann nicht mehr habe zahlen wollen, sei die Situation eskaliert. Der Prozess wird nun am 7. September fortgesetzt.