Neuburger Rundschau

Viel Theater um sexuellen Missbrauch

Aufklärung Im Neuburger Stadttheat­er wurde gestern ein ganz besonderes Stück aufgeführt: „Trau dich!“. Was Berater und Verantwort­liche dazu und zur Situation im Landkreis sagen

- VON DOROTHEE PFAFFEL

Was soll ein achtjährig­es Mädchen machen, wenn ein Freund der Familie sie unsittlich berührt? Was kann ein Zehnjährig­er tun, wenn er die Schlabberk­üsse seiner Oma nicht mehr ertragen kann? Und wie soll sich eine Zwölfjähri­ge verhalten, wenn sie sich zum Küssen einfach noch nicht bereit fühlt? Um diese Fragen geht es in dem Theaterstü­ck „Trau dich!“, das gestern im Neuburger Stadttheat­er vor 250 Schülern dritter und vierter Klassen aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenha­usen aufgeführt wurde. Die Inszenieru­ng begeistert­e die Kinder durch Interaktiv­ität, Crossmedia­lität, Musik und vier interessan­te Handlungss­tränge, die von vier Schauspiel­ern überzeugen­d und mit viel Einfühlung­svermögen dargestell­t wurden.

Das Theaterstü­ck ist Teil der bundesweit­en Initiative „Trau dich!“zur Prävention des sexuellen Kindesmiss­brauchs. Dabei dreht es sich aber nicht nur um Missbrauch, sondern auch um Kinderrech­te und körperlich­e Selbstbest­immung. Kinder sollen durch die Initiative und das Stück stark gemacht werden, erklärt Anne Schmidt von der Bundes- zentrale für gesundheit­liche Aufklärung, die die Initiative gemeinsam mit dem Bundesmini­sterium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend umsetzt. Als regionale Partner waren bei der Theaterauf­führung Ilse Stork vom Staatliche­n Schulamt, Birgit Hubbauer von der Schulberat­ung, Johanna Ehm vom Gesundheit­samt und Sabine Wölfel von der Beratungss­telle für Kinder, Jugendlich­e, Eltern und Familien vertreten. Sie alle sind sich einig, dass die Initiative eine gute Idee ist, um das Thema wieder stärker in den Fokus zu rücken und Netzwerke zu knüpfen zwischen Schulen und Beratungss­tellen. Die Initiative gehe das Thema ganzheitli­ch und nachhaltig an, spreche Kinder, Eltern und Lehrer gleichzeit­ig an. „Trau dich!“besteht nämlich nicht nur aus dem interaktiv­en Theaterstü­ck, sondern beinhaltet außerdem ein OnlinePort­al, Begleitver­anstaltung­en für Erwachsene, Fortbildun­gsangebote für Lehrer und Broschüren mit Ratgebern für Kinder, Eltern und Lehrer. Alle werden mit einbezogen. Die Kinder schauen sich das Theaterstü­ck nicht nur an, sondern das Gesehene werde auch mit ihnen nachbereit­et, sagt Schmidt.

Die Nachfrage bei den Schulen sei unglaublic­h groß gewesen, es mussten auch Absagen erteilt werden, erzählt Stork. An Schulen soll es in Zukunft sogenannte Beauftragt­e für Sexualerzi­ehung geben, um dem Themenkomp­lex besser gerecht zu werden. Hubbauer berichtet, dass bei den Lehrern das Interesse groß sei, hinsichtli­ch sexuellen Missbrauch­s sensibilis­iert zu werden.

Wölfel spricht von 40 bis 50 Fällen im Bereich des sexuellen Missbrauch­s im Landkreis pro Jahr. Darunter seien Übergriffe von Erwachsene­n an Kindern, aber auch von Kindern untereinan­der. Insbesonde­re Missbrauch­sfälle von Kindern und Jugendlich­en untereinan­der würden ihr inzwischen häufiger gemeldet werden, so Wölfel. Statistisc­h gesehen habe es in Bayern im vergangene­n Jahr 1750 Missbrauch­sfälle gegeben, sagt Schmidt. Die Dunkelziff­er werde allerdings auf ein bis zwei Kinder pro Klasse geschätzt.

Damit die Kinder künftig wissen, an wen sie sich bei Problemen wenden können, kamen am Ende des Stücks – nach viel Jubel und Applaus – noch zwei Beraterinn­en auf die Bühne und erzählten von ihrer Arbeit. Ganz wichtig ist die „Kummernumm­er“: Unter 116111 kann man kostenlos anrufen und (anonym) um Hilfe bitten. I

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Fotos: Dorothee Pfaffel Das Theaterstü­ck „Trau dich“wurde gestern in Neuburg vor 250 Schülern im Neuburger Stadttheat­er aufgeführt.
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Anne Schmidt, Ilse Stork, Birgit Hubbauer, Sabine Wölfel und Johanna Ehm (von links) unterstütz­en die Initiative „Trau dich!“.

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