Viel Theater um sexuellen Missbrauch
Aufklärung Im Neuburger Stadttheater wurde gestern ein ganz besonderes Stück aufgeführt: „Trau dich!“. Was Berater und Verantwortliche dazu und zur Situation im Landkreis sagen
Was soll ein achtjähriges Mädchen machen, wenn ein Freund der Familie sie unsittlich berührt? Was kann ein Zehnjähriger tun, wenn er die Schlabberküsse seiner Oma nicht mehr ertragen kann? Und wie soll sich eine Zwölfjährige verhalten, wenn sie sich zum Küssen einfach noch nicht bereit fühlt? Um diese Fragen geht es in dem Theaterstück „Trau dich!“, das gestern im Neuburger Stadttheater vor 250 Schülern dritter und vierter Klassen aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen aufgeführt wurde. Die Inszenierung begeisterte die Kinder durch Interaktivität, Crossmedialität, Musik und vier interessante Handlungsstränge, die von vier Schauspielern überzeugend und mit viel Einfühlungsvermögen dargestellt wurden.
Das Theaterstück ist Teil der bundesweiten Initiative „Trau dich!“zur Prävention des sexuellen Kindesmissbrauchs. Dabei dreht es sich aber nicht nur um Missbrauch, sondern auch um Kinderrechte und körperliche Selbstbestimmung. Kinder sollen durch die Initiative und das Stück stark gemacht werden, erklärt Anne Schmidt von der Bundes- zentrale für gesundheitliche Aufklärung, die die Initiative gemeinsam mit dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend umsetzt. Als regionale Partner waren bei der Theateraufführung Ilse Stork vom Staatlichen Schulamt, Birgit Hubbauer von der Schulberatung, Johanna Ehm vom Gesundheitsamt und Sabine Wölfel von der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche, Eltern und Familien vertreten. Sie alle sind sich einig, dass die Initiative eine gute Idee ist, um das Thema wieder stärker in den Fokus zu rücken und Netzwerke zu knüpfen zwischen Schulen und Beratungsstellen. Die Initiative gehe das Thema ganzheitlich und nachhaltig an, spreche Kinder, Eltern und Lehrer gleichzeitig an. „Trau dich!“besteht nämlich nicht nur aus dem interaktiven Theaterstück, sondern beinhaltet außerdem ein OnlinePortal, Begleitveranstaltungen für Erwachsene, Fortbildungsangebote für Lehrer und Broschüren mit Ratgebern für Kinder, Eltern und Lehrer. Alle werden mit einbezogen. Die Kinder schauen sich das Theaterstück nicht nur an, sondern das Gesehene werde auch mit ihnen nachbereitet, sagt Schmidt.
Die Nachfrage bei den Schulen sei unglaublich groß gewesen, es mussten auch Absagen erteilt werden, erzählt Stork. An Schulen soll es in Zukunft sogenannte Beauftragte für Sexualerziehung geben, um dem Themenkomplex besser gerecht zu werden. Hubbauer berichtet, dass bei den Lehrern das Interesse groß sei, hinsichtlich sexuellen Missbrauchs sensibilisiert zu werden.
Wölfel spricht von 40 bis 50 Fällen im Bereich des sexuellen Missbrauchs im Landkreis pro Jahr. Darunter seien Übergriffe von Erwachsenen an Kindern, aber auch von Kindern untereinander. Insbesondere Missbrauchsfälle von Kindern und Jugendlichen untereinander würden ihr inzwischen häufiger gemeldet werden, so Wölfel. Statistisch gesehen habe es in Bayern im vergangenen Jahr 1750 Missbrauchsfälle gegeben, sagt Schmidt. Die Dunkelziffer werde allerdings auf ein bis zwei Kinder pro Klasse geschätzt.
Damit die Kinder künftig wissen, an wen sie sich bei Problemen wenden können, kamen am Ende des Stücks – nach viel Jubel und Applaus – noch zwei Beraterinnen auf die Bühne und erzählten von ihrer Arbeit. Ganz wichtig ist die „Kummernummer“: Unter 116111 kann man kostenlos anrufen und (anonym) um Hilfe bitten. I