Neuburger Rundschau

Aus dem Leben einer Sennerin

Interview Martina Fischer ist eigentlich Krankensch­wester. Doch seit einigen Jahren verbringt sie viel Zeit auf der Alm. Darüber hat sie ein Buch geschriebe­n. Bei den Maschinenr­ingen liest sie daraus vor – schon vorab erzählt sie

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Seit 2011 verbringt die gelernte Krankensch­wester Martina Fischer ihre Sommer als Almerin in den Chiemgauer Alpen. In ihrem Buch „Die Alm – Ein Ort für die Seele“erzählt sie, warum das arbeitsrei­che und oft recht einsame Leben auf dem Berg für sie zum Glücklichs­ein einfach dazugehört. Neben persönlich­en Erlebnisse­n enthält ihr Buch viel Praktische­s: traditione­lle Rezepte von Topfenstru­del über Almnussen bis zum Almrauschl­ikör, Rat für viele Lebenslage­n des Almalltags und ein Interview mit konkreten Tipps, wie man selbst Almer werden kann. Mit diesem Buch kommt Fischer am Mittwoch, 17. Mai, ins Haus der Maschinenr­inge, gemeinsam mit ihrem Mann Franz wird sie zur musikalisc­hen Unterhaltu­ng den Zuhörern mit dem Flügelhorn aufspielen.

Frau Fischer, haben Sie mit Ihrem Buch, in dem Sie von Ihren Sommern auf der Alm erzählen, einen Nerv getroffen?

Voll. Ich glaube, ich habe da so ein Sehnsuchts­thema angestoßen. Viele Menschen fühlen sich im Hamsterrad – es muss immer alles so schnell gehen. Da wünschen sich viele, einfach mal etwas anderes zu machen. Ich glaube, es geht nicht darum, dass jeder auf die Alm gehen möchte. Viele sagen auch: Für mich wäre das nichts. Das wäre ihnen zu viel Arbeit, zu einsam, zu beschwerli­ch. Trotzdem nehmen die Leute, wenn sie das Buch lesen, etwas mit.

Können Sie sich erklären, was das genau ist?

Ich habe viel darüber nachgedach­t. Ich glaube, dass es vor allem darum geht, dass jeder etwas finden kann, was ihn wirklich zufrieden macht. Vielleicht geht es auch darum: sich zu trauen, lieber weniger zu machen, und das dafür gut. Ich kenne das von mir selbst: Jetzt muss ich noch joggen gehen, und dann wäre Yoga gut, und ins Kino gehen möchte ich auch. Man hat immer das Gefühl, man versäumt etwas. Da bleibt oft ein Verlustgef­ühl, weil man nie alles machen kann.

Dieses Verlustgef­ühl müsste auf der Alm eigentlich noch größer sein, oder?

Ganz im Gegenteil. Da mache ich eines nach dem anderen und bin nicht so zerstreut wie unten. Unten habe ich ein Handy, dann muss ich E-Mails schauen, dann klopft wer an die Tür. Was den Menschen so kaputt macht, ist, immer zehn Sachen gleichzeit­ig machen zu müssen oder zu wollen.

In Ihrem Buch beschreibe­n Sie, dass der Wunsch nach einem Sommer auf der Alm irgendwann immer stärker geworden ist. Wie kam das?

Seit ich Anfang 20 bin, gehe ich gerne auf Bergtouren. Und da haben mich die Almen schon immer besonders angezogen. Dann kam dazu, dass die Frau von meinem Cousin auf einer Alm war und ich sie oft besucht habe. Und dann habe ich immer stärker gespürt: Boah, das möchte ich auch machen. Und sie sagte dann: Ja dann mach‘s halt! Und dann kam noch dazu, dass sie gesagt hat: Ich wüsste vielleicht sogar eine Alm. Ich glaube, es war einfach der richtige Zeitpunkt da. Ich war mir immer noch nicht ganz sicher: Wie kann das mit der Arbeit funktionie­ren, und ist es für meinen Mann wirklich ok? Aber da musste ich auch mal sagen: Stopp mit diesen Gedankensc­hleifen! Man kann immer negativ denken und sich wieder Angst machen. Oder man kann es positiv formuliere­n und warten und vertrauen. Und so habe ich die Alm 2011 zum ersten Mal bekommen.

War es dann auf der Alm tatsächlic­h so schön, wie Sie erhofft hatten?

Ja. Für mich ist es eigentlich das Schönste, dass ich oben den ganzen Tag draußen sein darf. Was echt fasziniere­nd ist: Wenn ich da oben um halb fünf Uhr aufstehe, dann denke ich mir vielleicht eine halbe Minute lang: Ohh, jetzt schon aufstehen – aber dann ist es kein Problem mehr. Herunten muss ich mich da echt quälen. Auf der Alm ist das so selbstvers­tändlich.

Dein Arbeitspen­sum im ersten Sommer war gigantisch.

Ja, das stimmt. Aber trotzdem geht mir die Arbeit oben leicht von der Hand. Ich hatte zwei Milchkühe und 50 Stück Jungvieh zu versorgen, mit täglichem Melken, Buttern und Käsen, und dazu recht viel Bewirtung von Gästen. Da war so viel zu tun, dass ich mir den ganzen Sommer über fast nie ein warmes Essen gemacht habe, weil die Zeit dafür einfach nicht drin war.

Ihr Anspruch an sich selbst scheint enorm hoch zu sein. Oder täuscht der Eindruck?

Das gehört schon zu mir, ja. Aber ein bisschen verändert sich das auch durch die Sommer auf der Alm. Ich bin nicht mehr so hart mit mir, gerade im normalen Leben hier unten. Ob die Fenster geputzt sind oder nicht, das ist mir jetzt auch mal egal. Ich muss nicht immer alles auf einmal haben, muss nicht immer in allem perfekt sein.

Im letzten Sommer hatten Sie dann mehr Zeit für sich selbst, richtig?

Ja, 2015 und 2016 war es viel entspannte­r, weil es auf dieser Alm keine Milchkühe gab und weil ich an Gäste nur Getränke ausgeschen­kt habe, aber nicht wie auf der anderen Alm auch Brotzeiten und Topfenstru­del vorbereite­n musste. Es war Mutterkuhh­altung, da musst du halt schauen, ob alle in Ordnung sind. Dann einmal am Tag nach der Quelle schauen und die Leitungen sauber halten. Das Zäuneabgeh­en ist hier jeden Tag nötig, weil es viel Wild in der Gegend gibt, da sind oft die Zäune niedergedr­ückt.

Haben die fünf Sommer auf der Alm Sie verändert?

Ich habe auf jeden Fall mehr Selbstvert­rauen bekommen. Ich weiß jetzt, dass ich neue Situatione­n bewältigen kann und, dass ich keine Angst davor zu haben brauche. Vorher habe ich mich oft verrückt gemacht: Kann ich das und schaffe ich das? Jetzt denke ich mir: Ok, das ist jetzt eine neue Herausford­erung, ein wenig Bauchkribb­eln darf man haben, aber dann sage ich mir: So, das schaffe ich. Ich habe es vorher auch geschafft. Die Grundeinst­ellung wird ein wenig relaxter.

Interview: nr

O

Aufgrund der begrenzten Platzkapaz­ität werden alle Interessie­r ten gebeten, sich mit einer kurzen Email an almglueck@maschinenr­inge.com bis zum 10. Mai anzumelden. Der Eintritt zur Lesung ist kostenlos. Beginn ist um 19.30 Uhr (Einlass ab 19 Uhr), Ende ge gen 22 Uhr.

 ?? Foto: Peter von Felbert ?? Martina Fischer, Jahrgang 1972, verbrachte die Sommer 2011 bis 2013 als Sennerin auf der Rampoldalm und 2015 auf dem Laubenstei­n. Sie lebt mit ihrem Mann in ei nem alten Bauernhof nahe des Simssees in den Voralpen.
Foto: Peter von Felbert Martina Fischer, Jahrgang 1972, verbrachte die Sommer 2011 bis 2013 als Sennerin auf der Rampoldalm und 2015 auf dem Laubenstei­n. Sie lebt mit ihrem Mann in ei nem alten Bauernhof nahe des Simssees in den Voralpen.

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