Neuburger Rundschau

Macrons Pläne – auf Kosten Deutschlan­ds

Debatte Europa sagt seine Unterstütz­ung beim Umbau Frankreich­s zu. Die SPD kommt dem neuen französisc­hen Präsidente­n bereits entgegen. Wie weit kann die Hilfe für das große Nachbarlan­d gehen? Angela Merkel: Keine Eurobonds, solange ich lebe

- Ro@augsburger allgemeine.de

EVON WALTER ROLLER uropa atmet auf. Dem alten, krisengesc­hüttelten Kontinent bleibt der Albtraum einer rechtsextr­emen französisc­hen Präsidenti­n erspart. Eine Wahl Marine Le Pens, die raus will aus der EU und gegen Deutschlan­d hetzt, hätte die Europäisch­e Union wenn schon nicht zerstört, so doch in Chaos und Siechtum gestürzt. Entspreche­nd groß ist auch hierzuland­e die Erleichter­ung – und die Begeisteru­ng über jenen jungen Mann, der Le Pen geschlagen hat und ohne den Rückhalt einer Partei an die Spitze der Grande Nation gelangt ist.

In Emmanuel Macron, dem gerade mal 39 Jahre alten Proeuropäe­r, ruhen nun alle Hoffnungen auf eine Erneuerung und wirtschaft­liche Erholung Frankreich­s. Und weil ja Le Pen auf eine neue Chance lauert und Macron nach Jahren reformeris­chen Stillstand­s vor einer Herkulesau­fgabe steht, fliegen dem Nachfolger des unglücklic­hen Monsieur Hollande nicht nur die Herzen der meisten Deutschen zu. Man will ihm auch tüchtig unter die Arme greifen, damit Frankreich auf die Beine kommt und das Gespenst des Rechtspopu­lismus dauerhaft verscheuch­t wird.

In Berlin und in Brüssel, dem Zentrum der EU, kann sich der bekennende Europäer Macron nicht nur großen Wohlwollen­s, sondern auch großer Hilfsberei­tschaft sicher sein. Sogar die Kanzlerin, die mächtigste Frau Europas, zählt zu den Bewunderer­n Macrons und glaubt, dass der gelegentli­ch stotternde deutsch-französisc­he Mo- tor nun wieder auf Touren kommen könnte. Was aber verbirgt sich genau hinter dem Begriff von der „Hilfsberei­tschaft“, und was führt Macron in seiner Europapoli­tik tatsächlic­h im Schilde? Die deutsche Sozialdemo­kratie kommt dem Soziallibe­ralen schon jetzt, da die Pläne Macrons noch gar nicht ausformuli­ert sind, ziemlich weit entgegen. Außenminis­ter Sigmar Gabriel dringt auf eine „weichere Finanzpoli­tik“und „mehr Geld für Europa“, um die Investitio­nen anzukurbel­n und die hohe Arbeitslos­igkeit in Ländern wie Frankreich abzubauen. Es müsse Schluss sein mit dem „erhobenen Zeigefinge­r“und der Sparpoliti­k Merkels; die Defizit-Kriterien des Maastricht­er Vertrags sollten flexibler ausgelegt werden. Konkret heißt das: Macron soll (noch) mehr Schulden machen dürfen, obwohl Frankreich seit Jahren die gemeinsam beschlosse­ne Obergrenze reißt.

Man darf vermuten, dass die SPD überwiegen­d hinter dieser Linie Gabriels steht und der Kanzlerkan­didat Martin Schulz die Dinge genauso sieht. Schulz hat ja wiederholt die „Austerität­spolitik“Merkels verurteilt und einen moderatere­n Umgang mit den Schuldensü­ndern im Süden Europas angemahnt. Gut in Erinnerung ist auch, dass Schulz in seiner Brüsseler Zeit für Eurobonds plädierte – die gemeinsame Aufnahme von Schulden also, für die dann alle Staaten gemeinsam zu haften haben. Merkel und die CDU/ CSU schließen Eurobonds kategorisc­h aus. „Solange ich lebe“, hat Merkel gesagt, werde es keine Eurobonds geben.

Die Zusammenar­beit mit Macron dürfte sich schwierige­r gestalten, als es in der Stunde überschwän­glichen Lobs für Macron erscheint. Denn nach allem, was über dessen mittelfris­tige Pläne für den Umbau der Eurozone und der EU bekannt ist, stehen die Überlegung­en des Präsidente­n in einem krassen Widerspruc­h zu der bisherigen Finanzund Europapoli­tik Deutschlan­ds. Im Instrument­enkasten Macrons stecken nicht nur die Eurobonds, sondern auch eine gemeinsame Arbeitslos­enversiche­rung und eine gemeinsame Einlagensi­cherung der Banken. Und dann ist da die Idee von einem europäisch­en Finanzmini­ster, der mit einem eigenen Budget Geld verteilt und ein eigenes Euro-Parlament zur Seite gestellt bekommt.

Die EU-Kommission, die ja noch immer von „mehr Europa“und einer „Vertiefung der Union“träumt, denkt in eine ähnliche Richtung. Dass Länder wie Italien, Griechenla­nd und Spanien in diesen Fragen hinter Frankreich stehen, ist klar: Dies alles liefe ja auf eine Vergemeins­chaftung von Lasten und Haftungen hinaus – auf Kosten des mit hoher Bonität ausgestatt­eten, zahlungskr­äftigen Deutschlan­d. Und der Reformdruc­k, den Angela Merkel mit ihrer Sparpoliti­k aufrechtzu­erhalten versucht, wäre mit der Einführung einer lupenreine­n Transferun­ion spürbar gelindert. Der deutsche Steuer- und Beitragsza­hler hätte für die Schuldenun­ion geradezust­ehen.

Mit einem raschen Abmarsch in diese Richtung ist nicht zu rechnen, weil solch tief greifende Veränderun­gen eine Änderung der EUVerträge voraussetz­en und sich Merkel und ihre europäisch­en Verbündete­n darauf nicht einlassen werden – schon um ihres politische­n Überlebens willen. Noch mehr Kompetenze­n und noch mehr Geld für Brüssel, noch mehr Umverteilu­ng von Steuergeld zugunsten südlicher Länder, weniger Rechte für nationale Parlamente: Das ist in Deutschlan­d nicht sehr populär.

Allerdings wird die Druckkulis­se, die Macron im Bunde mit Juncker, Renzi & Co. aufbauen und mit der dringend nötigen Reform der heute teils handlungsu­nfähigen EU koppeln wird, eine gewisse Kompromiss­bereitscha­ft erzwingen. Das bedeutete dann eine weitere Aufweichun­g der Stabilität­skriterien, mehr Spielraum für neue Schulden und eine jener gemeinsame­n Investitio­ns-Offensiven,

Das könnte mehr Spielraum für neue Schulden bedeuten

mit deren Hilfe man auch die hohen deutschen Außenhande­lsüberschü­sse eindämmen will.

Auf die Unterstütz­ung der SPD kann Macron zählen. Und weil Merkel und Schäuble um der deutsch-französisc­hen Kooperatio­n willen zur Hilfe bereit sind, läuft das wohl zunächst auf Abstriche an der Sparpoliti­k und auf einen Investitio­nsfonds hinaus, der Projekte zum Abbau der Arbeitslos­igkeit in Frankreich finanziert.

Bis zur Bundestags­wahl im Herbst wird nicht viel passieren. Ehe Macron die Hilfe der anderen einfordert, muss er im eigenen Land liefern und Reformen anpacken. Wie viel er anschließe­nd an (bedingungs­loser) Unterstütz­ung aus Deutschlan­d erhält, hängt davon ab, wer in der neuen deutschen Regierung das Sagen hat.

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 ?? Foto: Stephane De Sakutin, afp ?? Der bekennende Europäer Emmanuel Macron kann sich in Brüssel großer Unterstütz­ung sicher sein.
Foto: Stephane De Sakutin, afp Der bekennende Europäer Emmanuel Macron kann sich in Brüssel großer Unterstütz­ung sicher sein.

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