Test: So ist der Alltag mit Handicap
Aktion Ausgestattet mit Rollator und Rollstuhl haben Ehekirchens Bürgermeister und Mitarbeiter des Landratsamts erkundet, wie barrierefrei diese Gemeinde ist. Was sich in Neuburg tut
Der Rundgang beginnt im Rathaus: Hier statten Christian Kutz, Leiter der Abteilung Senioren und Betreuung im Neuburger Landratsamt, und seine Mitarbeiterin Daniela Schläfer alle Teilnehmer mit verschiedenen Hilfsmitteln – und somit auch mit Behinderungen – aus. Manche bekommen spezielle Brillen, die ihre Seefähigkeit einschränken. Bürgermeister Günter Gamisch erhält außerdem einen Rollator. Der zweite Bürgermeister Thomas Bednarz zieht einen „Altersanzug“an. Das bedeutet: Seine Gelenke werden durch Bandagen versteift, zusätzliche Gewichte erschweren seine Bewegungen und eine Brille mit dicken Gläsern lässt ihn nur noch verschwommen sehen. Dann geht der Spaziergang los.
800 Meter sei eine Strecke, die ein Senior fußläufig gut überwinden können sollte, sagt Kutz. Anlässlich der Aktionswoche „Zu Hause daheim“, die derzeit in Bayern stattfindet, haben er und seine Kollegin die Gemeinde Ehekirchen ausgewählt, um herauszufinden, wie barrierefrei die Kommune wirklich ist und an welchen Stellen es ältere Menschen und solche mit Behinderung schwer haben. Schon wer im Rollstuhl zum Büro des Bürgermeisters will, muss erst einmal um das Gebäude herum über den Parkplatz und dabei eine achtprozentige Steigung überwinden. Das sei für einen Rollstuhlfahrer ohne Begleitung zu gefährlich und auch zu anstrengend, erklärt Kutz. Dann folgt zwar eine gut zu meisternde Rampe, aber bevor man schlussendlich die Eingangstür erreicht – die, wie es sich gehört mit einem Knopf automatisch geöffnet werden kann – muss man eine Kante und ein kurzes Stück Kopfsteinpflaster überwinden. Die Behindertentoilette im Rathaus ist laut Kutz ebenfalls nicht optimal: Sie ragt nicht weit genug in den Raum hinein, die Griffe können nicht seitlich weggeklappt werden, damit man sich selbst leichter auf den Toilettensitz hieven kann. Es seien diese Kleinigkeiten, die das Leben für Menschen mit Behinderung und auch für Ältere schwierig machten, erklärt Kutz. Beim Rundgang fallen weitere Stolpersteine auf: Unebenheiten auf der Straße und auf Gehwegen, eine fehlende Rampe an der Kirche, zu enge Gänge innerhalb der Kirche, Schotter und Pflastersteine auf dem Friedhof, zu weit abgesenkte Flächen vor Metzger, Bäcker und Sparkasse. Das Pfarrbüro ist nur über eine Treppe erreichbar. An einer viel befahrenen Straße gibt es nicht genug Überquerungsmöglichkeiten. Ruhebänke befinden sich in erhöhten Grünstreifen, die von denjenigen, die sie brauchen, nicht erreicht werden können. Ursula Schimmel, Seniorenreferentin in ist überrascht, an wie vielen Ecken im Ort etwas getan werden muss. In der Gemeinde sei schließlich einiges neu gebaut worden. Es gebe viele gute Sachen, aber eben auch zahlreiche kleine Schwierigkeiten, an die bisher nicht gedacht worden sei. Auch Bürgermeister Gamisch zeigt sich ernüchtert: „Wir hatten vieles nicht auf dem Radar. Barrierefrei ist eben nicht barrierefrei.“Jetzt will er handeln: „Da, wo es mit einfachen Mitteln möglich ist, werden wir etwas ändern.“Das Wichtigste sei, dass man nun sensibilisiert sei für die Zukunft. Bei Baumaßnahmen im Rahmen der Dorferneuerung wolle man auf Barrierefreiheit achten. Die Gemeinderäte, von denen nur eine am Spaziergang teilnahm, mussten übrigens im Vorfeld Punkte hinsichtlich der Barrierefreiheit ihrer Gemeinde vergeben. Das Ergebnis – und die Differenz zwischen Einschätzung und Wirklichkeit – soll bei einer Sitzung im Juni bekannt gegeben werden.
Christian Kutz sieht die Angelegenheit realistisch: An der Topografie eines Ortes lasse sich nichts ändern und man werde auch nicht in jedem Ortsteil einen Supermarkt eröffnen können. Trotzdem müsse man die Nahversorgung und die Bewegungsfreiheit einer alternden Bevölkerung so weit sichern, dass die Menschen auch im Alter dort bleiben könnten, wo ihr soziales Umfeld sei.
In Neuburg kümmert sich der AWO-Ortsvorsitzende, Stadtrat und Umweltreferent Heinz Schafferhans (SPD) um das Thema Barrierefreiheit. Er sieht die Stadt im „guten Mittelfeld“. Der Oswaldplatz sei zum Beispiel gelungen, so Schafferhans. Dort dienen Markierungen am Boden blinden Menschen als OrienEhekirchen, tierung. Der 2013 umgebaute Eingang ins Rathaus sei zwar für Menschen im Rollstuhl gut nutzbar, Sehbehinderte hingegen täten sich hier schwer. Etwas anderes freut Schafferhans: Die AWO-Geschäftsstelle wird umgebaut. Dort entsteht eine öffentliche behindertengerechte Toilette, an der sich die Stadt finanziell beteiligt. Menschen mit Behinderung können sie mit einem sogenannten „Euroschlüssel“jederzeit öffnen. Bislang existiert laut Schafferhans in der Innenstadt nur eine behindertengerechte Toilette: im Bücherturm. Und es gibt noch eine weitere positive Nachricht: Der Bahnhof ist ein Stück barrierefreier geworden. Eigentümer Günter Gräbner hat an dem einen Eingang eine Rampe angebracht, am anderen ließ er die Rampe verbreitern und mit einem Geländer versehen – auf eigene Kosten im fünfstelligen Bereich, wie er angibt.