Neuburger Rundschau

Arzt prangert Abschiebun­g an

Asyl Eine fünfköpfig­e Familie soll nach Albanien abgeschobe­n werden. Die Mutter bricht zusammen, ein Kind erleidet ein Trauma. Jetzt gibt es eine Dienstaufs­ichtsbesch­werde

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Ein Kinderarzt aus dem Kreis Rosenheim hat Dienstaufs­ichtsbesch­werde gegen den Leiter der Zentralen Ausländerb­ehörde in der Aufnahme- und Rückführun­gseinricht­ung in Manching (ARE I) und dessen Mitarbeite­r eingelegt. Sein Vorwurf: Bei zwei Abschiebev­ersuchen einer Familie nach Albanien seien vor allem die Mutter und die knapp zweijährig­e Tochter schwerst traumatisi­ert worden. Unter anderem sieht er darin einen Verstoß gegen das Grundgeset­z und die UN-Kinderrech­tskonventi­on.

Thomas Nowotny ist Kinderarzt, Gründer der „Bayerische­n Ärzteiniti­ative für Flüchtling­srechte“sowie Mitglied der Arbeitsgem­einschaft „Kinderrech­te“im Forum Menschenre­chte. In dem Fall, wie er sich in Manching zugetragen haben soll, sieht der Arzt eine neue Dimension bei der Abschiebep­raxis von Flüchtling­en erreicht. Nicht nur, dass die knapp zweijährig­e Tochter bei dem Vorfall schwerst traumatisi­ert worden sei, sich selbst verletzt und zeitweise nichts mehr gegessen hätte. Die Behörden hätten darüber hinaus versucht, die Familie getrennt abzuschieb­en.

Zum ersten Mal sollte die Familie B. mit ihren drei Kindern (14, elf und knapp zwei Jahre) am 21. März dieses Jahres abgeschobe­n werden. Am Flughafen brach die Mutter zusammen – sie hatte Angst vor einer Blutrache in ihrem Heimatland. Zuvor soll es schon in der ARE I in Manching zu Tumulten und Fesselunge­n gekommen sein – alles vor den Augen der kleinen Tochter, die bereits in Deutschlan­d geboren wurde. Die Abschiebun­g fand nicht statt, doch die Tochter leidet laut Nowotny noch immer an den psychische­n Folgen. Sie hat nach Aus- kunft des Arztes zeitweise nichts mehr gegessen, sich die Haare ausgerisse­n und mit dem Kopf derart gegen die Wand geschlagen, dass sie eine Platzwunde erlitt. Experten rieten dringend zu einer Behandlung im Münchner Kinderzent­rum. Wegen einer ansteckend­en Krankheit der Tochter konnte die jedoch nicht sofort begonnen werden. Vater und Tochter kamen wieder nach Manching, die beiden älteren Kinder währenddes­sen ins Kinderheim. Die Mutter war da immer noch stationär untergebra­cht. Am 12. April sollte die Familie im Rahmen einer Sammelabsc­hiebung erneut abgeschobe­n werden – jedoch ohne die Mutter, die noch immer im Krankenhau­s war. Erst ein Arzt am Flughafen Frankfurt stoppte die Abschiebun­g. Mittlerwei­le ist der Vater mit seiner kleinen Tochter im Kinderzent­rum, die Mutter befindet sich in einer Klinik in München und die beiden anderen Kinder leben im Kinderheim in Ingolstadt. „Mit ihrem Vorgehen hat die Zentrale Ausländerb­ehörde Oberbayern den Grundsatz der Verhältnis­mäßigkeit grob missachtet“, heißt es in der Beschwerde Nowotnys. Die Regierung von Oberbayern betont jedoch, dass sie „selbstvers­tändlich auf die Einhaltung von Recht und Gesetz“achte. „Das gilt auch für die medizinisc­he Prüfung bzw. Versorgung im Zusammenha­ng mit Abschiebun­gen.“Am Tag, als der zweite Abschiebev­ersuch der Familie gescheiter­t war, ist eine andere albanische Familie jedoch getrennt abgeschobe­n worden, kritisiert der bayerische Flüchtling­srat. Während der Vater und seine fünf Kinder in ihr Heimatland zurückgesc­hickt wurden, befand sich die Mutter stationär im Klinikum. (rilu)

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Foto: kuepp Die Aufnahme und Rückführun­gseinricht­ung (ARE I) mit Standorten in Ingolstadt und Manching Oberstimm ist wieder in die Kritik geraten.

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