Neuburger Rundschau

Neue Ermittlung­en wühlen Volkswagen auf

Untreue Seit Jahren ist Bernd Osterloh der wohl mächtigste Betriebsra­t der Republik. Er nimmt kein Blatt vor den Mund. Nun fällt sein Name im Zuge staatsanwa­ltschaftli­cher Arbeit – die sich eigentlich gegen ganz andere richtet

-

Geld, Betriebsra­t, Volkswagen – dieser Dreiklang, der in Wolfsburg noch immer böse Erinnerung­en wachruft, ist wieder da. Einmal mehr nimmt sich die Justiz Europas größten Autobauer vor: Die Staatsanwa­ltschaft Braunschwe­ig ermittelt gegen ranghohe amtierende und frühere VW-Manager wegen des Verdachts der Untreue. Im Mittelpunk­t steht aber einer, der selbst gar nicht beschuldig­t wird: Betriebsra­tschef Bernd Osterloh, einer der mächtigste­n Männer der deutschen Autobranch­e, der sich oft genug lautstark für die etwa 630000 VW-Mitarbeite­r eingesetzt hat. Osterloh soll, so der Verdacht, von den Managern aus dem Personalbe­reich zu hohe Bezüge genehmigt bekommen haben.

Der 60-Jährige, seit 2005 im Amt, kennt derartige Krisen aus vielen Perspektiv­en. Auch deshalb geht er am Freitag gleich in die Offensive, legt alle Zahlen auf den Tisch. Sein Grundgehal­t betrage rund 200 000 Euro, hinzu kämen – wie für „alle Manager dieser Ebene“– Bonuszahlu­ngen, die vom Geschäftse­rfolg abhingen, sagt Osterloh. „Ich habe nicht über mein Gehalt entschiede­n. Das Unternehme­n hat meine Einstufung nach Recht und Gesetz vorgenomme­n.“Und Osterloh, der die eines „Co-Managers“stets zurückweis­t, weist darauf hin: „Wäre es mir ums Geld gegangen, dann wäre ich heute nicht mehr Betriebsra­tsvorsitze­nder, sondern schon seit Ende 2015 Personalvo­rstand.“Dieses Angebot, das ihm ein millionens­chweres Salär eingebrach­t hätte, habe er aber ausgeschla­gen. Ohnehin ist die Bezahlung von freigestel­lten Betriebsra­tsmitglied­ern ein Dauerthema, sagen Juristen. Ein Schema F gebe es nicht. „Ich halte es für extrem schwierig, den Nachweis für eine unangemess­ene Vergütung wirklich zu erbringen“, sagt der Arbeitsrec­htler Michael Kliemt. Die Betriebsra­tsvergütun­g wird zwar im Betriebsve­rfassungsg­esetz geregelt. Die Bewertung der entspreche­nden Passagen sei aber an weitere Fragen geknüpft. Sinngemäß heißt es im Gesetz, dass Betriebsra­tsmitglied­er nicht weniger verdienen dürfen als vergleichb­are Mitarbeite­r mit einer für den BeFunktion trieb üblichen Entwicklun­g. Osterloh ist seit mehr als zehn Jahren Betriebsra­tschef. Als er 2005 anfing, bekam er rund 6500 Euro pro Monat, nun ist es deutlich mehr.

Für VW kommen die am Freitag publik gewordenen Ermittlung­en, die anscheinen­d schon seit Monaten laufen, einmal mehr zur Unzeit. Gerade schien sich der Autobauer nach dem Diesel-Skandal wieder freizuschw­immen, die jüngsten Quartalsza­hlen waren positiv, Millionen manipulier­ter Dieselfahr­zeuge sind bereits umgerüstet.

Nun steht ausgerechn­et der Vertreter der Belegschaf­t im Zentrum der Aufregung, der sich öffentlich­keitswirks­am dafür stark gemacht hatte, dass der Skandal die Beschäftig­ten möglichst wenig trifft und sich dafür auch mit VW-Markenchef Herbert Diess angelegt hatte. Die Bedeutung des VW-Betriebsra­ts ist historisch gewachsen. Die Keimzelle des Konzerns in Wolfsburg entstand unter den Nazis mit enteignete­m Gewerkscha­ftsvermöge­n. Daher sah die Arbeitnehm­erseite in VW stets einen Sonderfall. Das VW-Gesetz und die VW-Satzung räumen ihr eine einmalige Gestaltung­smacht ein.

Entspreche­nd viel lag der Konzernfüh­rung in der Vergangenh­eit an einem Betriebsra­t, der bei Laune gehalten wurde. Die Folge war das „System VW“und damit die aufsehener­regende Affäre 2005 um geheime Boni, Schmiergel­der und Lustreisen auf Firmenkost­en. Osterlohs Vorgänger Klaus Volkert musste deswegen in Haft, der damalige Personalvo­rstand Peter Hartz und VW-Personalma­nager KlausJoach­im Gebauer erhielten Bewährungs­strafen. Thomas Strünkelnb­erg

und Benedikt von Imhoff, dpa

 ?? Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa ?? VW Betriebsra­tsboss Bernd Osterloh steht im Zentrum einer neuen Affäre.
Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa VW Betriebsra­tsboss Bernd Osterloh steht im Zentrum einer neuen Affäre.

Newspapers in German

Newspapers from Germany