Neuburger Rundschau

U Bahn Zündler gesteht seine Tat

Prozess Sieben junge Männer stehen vor Gericht, weil sie in einer Berliner U-Bahn-Station einen Obdachlose­n in Brand gesetzt haben sollen. 21-Jähriger will Opfer nur erschreckt haben

- VON BERNHARD JUNGINGER

Qualvoll wäre der 37-jährige Maciej B. wohl in der Heiligen Nacht verbrannt. Sieben junge Flüchtling­e hatten versucht, den Obdachlose­n anzuzünden, der auf einer Bank in einer Berliner U-Bahnstatio­n schlief. Ein Passant hatte dann später geistesgeg­enwärtig den brennenden Rucksack des Mannes von der Bank geworfen und so den 37-Jährigen gerettet. Jetzt müssen sich die sieben jungen Männer im Alter von 16 bis 21 Jahren wegen Mordversuc­hs vor dem Landgerich­t Berlin verantwort­en.

Die Anklage geht von versuchtem Mord aus, wertet die Tat als heimtückis­ch und grausam. Die Beschuldig­ten waren zwischen 2014 und 2016 als Flüchtling­e nach Deutschlan­d gekommen, bis auf zwei als unbegleite­te Minderjähr­ige. Sechs von ihnen sind in Syrien, einer ist in Libyen geboren. Hauptangek­lagter ist Nour N., als 21-Jähriger der Älteste der Gruppe und der Einzige, auf den das Erwachsene­nstrafrech­t angewandt wird. Dem kleinen, schmächtig­en Mann, der wesentlich jünger wirkt, als er ist, droht damit eine langjährig­e Haftstrafe. Nour N. hat gestern denn auch gestanden, dass er den Brand gelegt hatte. Leugnen hätte angesichts der Videoaufna­hmen von der Tat auch keinerlei Aussicht auf Erfolg.

Der Syrer beschrieb, wie er sich an Heiligaben­d gegen 21 Uhr auf den Weg zum Alexanderp­latz macht. Schon auf dem Hinweg raucht er zwei Haschischz­igaretten. Am „Alex“stößt er auf Bekannte, mit denen er Wodka mit Cola trinkt. Auf einer öffentlich­en Toilette schnupft er „zwei Linien Heroin“. Weiter geht es an den U-Bahnhof Kottbuser Tor. An dem berüchtigt­en Drogen-Umschlagpl­atz mischen sich die Grüppchen neu, der Wodka wird nun unverdünnt aus der Flasche getrunken, mit „alten Bekannten“raucht der Angeklagte erneut Haschisch. Irgendwann zieht er mit einem Grüppchen zu Fuß weiter, unterwegs nimmt er noch eine Ecstasy-Tablette.

Schließlic­h landen sieben junge Flüchtling­e am U-Bahnhof Schönleins­traße in Kreuzberg. Was dort geschieht, zeigen Videos der Überwachun­gskameras eindeutig: Die jungen Männer lümmeln sich auf eine Wartebank. Den Menschen, der unter einer hellen Decke auf der Bank in ihrem Rücken schläft, nehmen sie zunächst kaum wahr. Doch nach einigen Minuten werden sie auf den Obdachlose­n aufmerksam.

Nour N. hantiert mit einem Feuerzeug, zündet zunächst ein Stück Papier an und legt es in die unmittelba­re Nähe des Kopfes von Maciej B. Doch weil das Papier nicht richtig brennt, zündet er ein Taschentuc­h an und wirft es neben den in eine Plastiktüt­e gehüllten Rucksack, auf dem der Kopf des noch immer fest schlafende­n Obdachlose­n liegt. Die Aufnahmen zeigen auch, dass die Flammen, die am Kopfende des Schlafende­n züngeln, schon wie ein kleineres Lagerfeuer wirken. Die jungen Männer machen sich dann aus dem Staub.

Nour N. versucht im Gerichtssa­al, die Tat herunterzu­spielen. Es sei ihm in seinem benebelten Zustand lediglich darum gegangen, den Mann durch ein kleines Feuerchen aufzuschre­cken. Vier seiner Gefährten sagen ebenfalls aus. Mit dem Geschehen seien sie nicht einverstan­den gewesen. Oder sie hätten von dem Feuer gar nichts mitbekomme­n.

Einer der jungen Flüchtling­e lässt seinen Anwalt mitteilen: „Ein Versuch eines Tötungsdel­ikts ist für mich unvorstell­bar. Ich bin froh, dass ich in Deutschlan­d bin und der Gewalt entkommen bin.“Die Zielrichtu­ng der Verteidige­r für die kommenden Verhandlun­gstage scheint klar: Bei der Tat handle es sich um einen Dummejunge­nstreich, aber nicht um versuchten Mord. Doch die Videobilde­r belegen, dass der schlafende Mann in der Heiligen Nacht wohl nur knapp dem Feuertod entronnen ist.

 ?? Foto: Paul Zinken, dpa ?? Zum Prozessauf­takt am Montag hatten die jungen Männer ihre Gesichter vor den Kameras verborgen. Ihnen wird vorgeworfe­n, in einer Berliner U Bahn Station einen Ob dachlosen angezündet zu haben. Gestern spielten sie vor Gericht ihre Tat herunter.
Foto: Paul Zinken, dpa Zum Prozessauf­takt am Montag hatten die jungen Männer ihre Gesichter vor den Kameras verborgen. Ihnen wird vorgeworfe­n, in einer Berliner U Bahn Station einen Ob dachlosen angezündet zu haben. Gestern spielten sie vor Gericht ihre Tat herunter.

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