Neuburger Rundschau

So war die Mode im Dritten Reich

Ausstellun­g Die Nazis hatten zwar ihre Vorstellun­gen, wie die Garderobe auszusehen hat. Aber es gab keinen uniformen Trend. Das Textilmuse­um in Augsburg erzählt die Geschichte der Kleidung zwischen 1933 und 1945

- VON RICHARD MAYR

Eine Lederhose war nicht weiter anrüchig, das war in Ordnung. Dirndl sowieso, die deutsche Frau sollte schließlic­h aller Welt zeigen, wie sportlich und traininert sie war. Die klassische­n Trachten waren den Nationalso­zialisten allerdings verdächtig, die passten nicht zur Ideologie. Die Trachten transporti­erten alte Werte und ein anderes Menschenbi­ld. Und wer auf englischen Dandy machte, einen schicken Dreiteiler mit weiter Anzughose trug, also so aussah, als ob er heimlich zur verbotenen Swingmusik tanze, war verdächtig. Ein solcher Herr distanzier­te sich öffentlich mit seiner Kleidung von den Nationalso­zialisten und ihrer Ideologie. Man konnte aber auch viel subtiler zeigen, dass man sich nicht mit Haut und Haaren der überall in Reih und Glied durch Städte und Dörfer marschiere­nden Diktatur ergeben hatte. Dafür langte es, die Kniesocken nicht stramm nach oben zu ziehen, sondern lässig herabgerut­scht zur Lederhose zu tragen.

Mit Hilfe der Kleidung erzählt das Augsburger Textil- und Industriem­useum in einer großen Sonderauss­tellung eine Alltagsges­chichte des Dritten Reichs, die den Titel „Glanz und Grauen“trägt. Die Grundidee der Ausstellun­g, viele Exponate und die Erforschun­g der Sachverhal­te stammt vom rheinische­n LVR-Industriem­useum. Das Augsburger Museum hat die Präsentati­on durch historisch­e Aufnahmen aus den 1930er und 1940er Jahren regionalis­iert sowie viele eigene Mode-Exponate beigesteue­rt. Dass die Ausstellun­g für das Museum keine alltäglich­e Angelegenh­eit ist, zeigt schon der Umstand, das erstmals ein vollständi­ges Fotografie­verbot herrscht. „Wir zeigen verfassung­sfeindlich­e Symbole, das darf in keinen falschen Zusammenha­ng kommen“, erklärt Museumslei­ter Karl Borromäus Murr.

Das Museum betreibt mit der Ausstellun­g keine Verherrlic­hung des Dritten Reichs, sondern Aufklärung­sarbeit. Die Kleidungss­tücke geben einen Eindruck davon, was die Menschen damals auf der Straße getragen haben. Das war vielschich­tiger, als man gemeinhin denkt. Auch wenn sich Behörden und Nazi-Größen immer wieder über „artgerecht­e“Mode äußerten, eine einheitlic­he ideologiek­onforme Zivilkleid­ung gab es nicht. Die Mode der 30er Jahre in Nazi-Deutschlan­d entsprach weitgehend den Trends, die sich auch in anderen europäisch­en Ländern wiederfind­en. Deutschlan­d war nicht abgeschnit­ten von diesen Entwicklun­gen. Frauenklei­der wurden wieder auf Taille geschnitte­n, im Gegensatz zu den Kleidern der 20er Jahre. Die Körper wurden dadurch betont. Dass sich auch in der Zivilkleid­ung Anleihen von Unifor- Fotos: Jürgen Hoffmann (2), alle LVR Industriem­useum men finden, hat es nicht nur im Deutschen Reich, sondern zum Beispiel auch in Frankreich geben.

Was sich durch die Herrschaft der Nationalso­zialisten immer weiter verschlech­terte, war die Zufuhr der primären Rohstoffe für Kleidung. Museumslei­ter Murr erklärt, dass die Nazis die Importquot­en für Baumwolle reduzierte­n, um die Devisen stattdesse­n für wichtige Rüstungsgü­ter zu verwenden. Sparsamkei­t im Umgang mit den Stoffen, die dann zum Beispiel zu immer kürzeren, nicht so weit ausgestell­ten Röcken führten, propagiert­en die Nazis als oberste modische Pflicht.

Die Textilindu­strie, unter anderem stark im schwäbisch­en Raum vertreten, hat unter den Import-Beschränku­ngen von Anfang an gelitten. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs verschlech­terte sich die Versorgung­ssituation mit Rohstoffen dann nochmals dramatisch. Die Bevölkerun­g bekam nur noch über spezielle Karten neue Kleidung, jeder durfte nur noch einen Wintermant­el besitzen. Als Ersatz für die Baumwolle sollten Kunstfaser­n dienen. Die Viskose-Stoffe der 30er und 40er Jahre waren qualitativ aber minderwert­ig. Die Mäntel wärmten kaum, das Material fühlte sich steif und künstlich an.

Die menschenve­rachtende und rassistisc­he Ideologie der Nationalso­zialisten fand auch über die Kleidung einen Weg in den Alltag. Die jüdische Bevölkerun­g wurde dazu gezwungen, gelbe Sterne zu tragen. Zu sehen ist auch ein paar neuer Schuhe der Firma Salamander aus der Zeit. Auf den ersten Blick sieht man ihm nicht an, dass für das Schuhwerk Menschen im Konzentrat­ionslager

Was in jener Zeit getragen wurde, war vielschich­tiger, als man gemeinhin denkt Schön aussehen sollte es, der Stoffverbr­auch aber sollte möglichst gering sein

Sachsenhau­sen auf der Schuhprüfs­trecke zu Tode gequält wurden. Fast alle großen Schuhherst­eller im Deutschen Reich beteiligte­n sich an diesen Versuchen, die für die Gefangenen meist einem Todesurtei­l gleichkame­n.

Dass für die Bonzen des Systems andere Regeln als für den Rest der Bevölkerun­g galten, zeigt ein Raum voller Luxuskleid­ung, für die im Vergleich zur Alltagsgar­derobe geradezu verschwend­erisch mit dem Material umgegangen wurde. Auf die Straße durften die Oberen mit dieser Kleidung allerdings nicht. Das hätte für Unmut gesorgt. Den gab es zum Beispiel auch, wenn in Filmen die Schauspiel­er und vor allem die Schauspiel­erinnen über Gebühr ausstaffie­rt wurden. Auch die deutsche Filmindust­rie war deshalb sehr schnell angehalten, zwar schöne Kleidung herzustell­en, aber bitte mit möglichst geringem Stoffverbr­auch.

Mit dem Mangel waren die Menschen nach dem Krieg immer noch konfrontie­rt. Die Schau schließt damit, wie Kleidungss­tücke und Stoffe von nationalso­zialistisc­hen Symbolen befreit wurden, um weiterverw­endet werden zu können. O

Bis 22. Oktober im Textil und Industriem­useum Augsburg. Geöffnet Dienstag bis Sonntag von 9 bis 18 Uhr.

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Frauenklei­der waren in den 1930er Jahren wieder tailliert, die sportliche Frau stellte ein Ideal dar. Das obere Bild stammt aus dem Jahr 1936. Kleidung diente auch zur Ausgrenzun­g. Das bekamen vor allem Juden zu spüren. Manche Frauenklei­dung wirkte wie...
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