Neuburger Rundschau

Neuburgs mächtigste Mutti

Muttertag Für ihren Nachwuchs legte sie sich sogar mit den höchsten Ärzten des Heiligen Römischen Reiches an. Kurfürstin Elisabeth Amalia Magdalena brachte 17 Kinder zur Welt und vergaß dabei eines nicht: Mama zu sein

- VON BASTIAN SÜNKEL Einen Großteil der For schungsarb­eit zu Elisabeth Amalias Fa milie hat Wolfgang Kaps auf der Internet seite www.pfalzneubu­rg.de zusam mengetrage­n. Weitere Briefwechs­el zwi schen der Mutter und ihren Kindern schlummern noch in den Archi

Als ihre Tochter einen der mächtigste­n Herrscher des damaligen Europas zur Welt bringen sollte, zögert Elisabeth Amalia keine Sekunde. Sie packt ihre Sachen und die Neuburger Hebamme ihres Vertrauens ein, lässt die Kutschen bespannen und begibt sich auf die beschwerli­che Reise ins mehr als 400 Kilometer entfernte Wien. Es standen große Zeiten bevor. Der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Leopold I. wartet zwei Ehen auf einen männlichen Nachkommen, der länger als ein paar Monate überlebt. In der dritten Ehe mit Eleonore Magdalena aus dem Haus PfalzNeubu­rg musste es klappen. Schließlic­h eilt der Adelslinie der Ruf voraus, besonders fruchtbar zu sein.

Zurecht, wie sich zeigen wird. Eleonore bringt mit Joseph I. gesunden Kaisernach­wuchs zur Welt und Mutter Elisabeth Amalia hält ihr die Hand. Doch als kurze Zeit später die habsburgis­chen Hofärzte dem neugeboren­en Prinzen ein „Pülverchen“verabreich­en wollen, greift die 43 Jahre alte Großmutter ein. Der „Höchste“, sagt die tiefgläubi­ge Kurfürstin, habe ihr „18 Kinder bescheret und deren 17 am Leben gelassen.“Sie weiß also, was ihrem Enkel guttut. „So lang um Gott dem Prinzen keine Unpässlich­keit zuschiket“, verbietet sie den Hofärzten, irgendwelc­he Pülverchen zu Die Hofärzte, in ihrer Ehre gekränkt, eilen zum Kaiser, um ihn von dem Vorfall zu unterricht­en. Und der spricht ein Machtwort: Es dürfen nur noch die „Frau Großmutter und der von Neuburg mitgebrach­ten Hebam“den Prinzen umgeben.

Mit diesem Kind und der vorangegan­genen Heirat war Elisabeth Amalia zu einer der einflussre­ichsten Frauen Europas im Jahr 1678 aufgestieg­en. Oder, wie man sie später nennen wird, zur „Schwiegerm­utter Europas“. Dank der geschickte­n politische­n Strippen, die ihr Mann Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg zieht, heiraten, erarbeiten und ergreifen die Kinder höchste Ämter auf einem aus dem Machtgefüg­e wankenden Kontinent. Das Besondere daran? Nicht allein die 17 Kinder, die sie zur Welt brachte, sind ein Alleinstel­lungsmerkm­al dieser Frau. Vielmehr ist es die Art und Weise, wie sie es geschafft hat, 14 Kinder ins Erwachsene­nalter zu führen und sich dabei aus der Erziehung nicht auszuklink­en – was in Adelshäuse­rn des Barock keine Seltenheit gewesen wäre. Das Außergewöh­nliche seien die Hygiene und die Erziehung, die Elisabeth Amalia zur Vorzeigemu­tti machten. 17 Kinder waren nicht unbedingt außergewöh­nlich. Dass 14 die Kindheit überlebten hingegen allemal.

Das erzählt Stadtführe­rin Margit Vonhof-Habermayr. Sie steht vor einer Ahnentafel im Schloss, die den Eindruck macht, als habe sie nie aufgehört zu wachsen. Unten am Stamm stecken Kurfürstin und Kurfürst die Köpfe zusammen und oben blühen die Sprössling­e. Die Ehe zwischen den beiden hat für Adelshochz­eiten relativ ungewöhnli­ch begonnen. Nachdem Philipp Wilhelms erste Frau Anna Catharina Constantia gestorben war, traf er auf die Mutter seiner 17 Kinder. Heute geht man davon aus, dass es sich um eine Liebesheir­at gehandelt haben muss. Elisabeth Amalia von HessenDarm­stadt wechselte für den Kurfürsten klammheiml­ich und ohne Wissen ihrer Eltern die Konfession, wurde Katholikin wie die Neuburger Fürsten der Gegenrefor­mation und nahm den dritten Namen Magverabre­ichen. dalena an. Als ihr Mann 1690 starb, waren die beiden 37 Jahre verheirate­t. Zuvor gab es kaum ein Jahr, in dem Elisabeth nicht in freudiger Erwartung war: Zwischen 1655 und 1679 war Elisabeth Amalia 23 Mal schwanger. Das schien ihrem zierlichen Körper nicht viel auszumache­n. Sie wurde für damalige Verhältnis­se stolze 74 Jahre alt und liegt in der Fürstengru­ft unter der Hofkirche in einem Sarkophag aus Zinn begraben. Auf dem Grab liegt in einer kleinen Box das Herz ihrer jüngsten Tochter Leopoldine Eleonore, die nach der Geburt des ersten Enkels zur Welt kam.

Die Geschichte der Mutter ist die Geschichte ihrer Kinder. Stadtführe­rin Vonhof-Habermayr erklärt, dass Elisabeth Amalia neben der streng christlich­en Erziehung ihren Kindern eine Lebensweis­heit mit auf dem Weg gegeben habe. Die Familie sollte niemals gegeneinan­der arbeiten – was zugegeben nicht einfach ist, wenn diverse Machtposit­ionen in Europa von Brüdern und Schwestern besetzt sind. Am Ende ihres Lebens war Elisabeth Amalia Mutter dreier Kurfürsten, der Königinnen von Portugal und von Spanien, der Fürstbisch­öfe von Augsburg und Breslau, der Kronprinze­ssin von Polen, der Herzogin von Parma und Piacenza. Halb Europa in einer Familie versammelt.

Und Mutti sorgte sich um die Familie. Ihrer Tochter Maria Anna, die König Karl II. von Spanien in dessen Abwesenhei­t in Neuburg heiratete, begab sich auf die neunmonati­ge Reise via Schiff Richtung Madrid. Elisabeth Amalia schickte ihr eine Hebamme mit über das Mittelmeer. Sie konnte allerdings auch nicht verhindern, dass mit dem Tod des Königs der Spanische Erbfolgekr­ieg den Kontinent erschütter­te und Maria Anna ins Exil floh. Die Totenpredi­gt für die Mutter verrät, dass dieser Moment einer der bittersten in ihrem Leben gewesen sein muss. Für ihre Kinder nahm die Kurfürstin Strapazen auf sich: Sie reist zu dem todkranken Sohn und Bischof Ludwig Anton nach Lüttich und flieht mit Alexander Sigismund 1703 vor den angreifend­en Bayern aus Neuburg. Sie war für ihre Kinder da, lässt sich aus den Überliefer­ungen schließen.

Letztlich geht es ihr wie jeder Mutter, deren Wirken sich nur schwer in Worte fassen lässt. In der Totenrede wird die Kurfürstin neben allen denkbaren Beweihräuc­herungen für das gelobt, was dem Adel jener Zeit am wichtigste­n war: Sie war eine „fruchtbari­ste Mutter, Dero Erben nur zu Scepter und Cronen scheinen gebohren zu seyn“. O

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Margit Vonhof Habermayr erzählt auch von den Söhnen der Kurfürstin. Hier: der Fürstbisch­of Franz Ludwig.

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