Neuburgs mächtigste Mutti
Muttertag Für ihren Nachwuchs legte sie sich sogar mit den höchsten Ärzten des Heiligen Römischen Reiches an. Kurfürstin Elisabeth Amalia Magdalena brachte 17 Kinder zur Welt und vergaß dabei eines nicht: Mama zu sein
Als ihre Tochter einen der mächtigsten Herrscher des damaligen Europas zur Welt bringen sollte, zögert Elisabeth Amalia keine Sekunde. Sie packt ihre Sachen und die Neuburger Hebamme ihres Vertrauens ein, lässt die Kutschen bespannen und begibt sich auf die beschwerliche Reise ins mehr als 400 Kilometer entfernte Wien. Es standen große Zeiten bevor. Der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Leopold I. wartet zwei Ehen auf einen männlichen Nachkommen, der länger als ein paar Monate überlebt. In der dritten Ehe mit Eleonore Magdalena aus dem Haus PfalzNeuburg musste es klappen. Schließlich eilt der Adelslinie der Ruf voraus, besonders fruchtbar zu sein.
Zurecht, wie sich zeigen wird. Eleonore bringt mit Joseph I. gesunden Kaisernachwuchs zur Welt und Mutter Elisabeth Amalia hält ihr die Hand. Doch als kurze Zeit später die habsburgischen Hofärzte dem neugeborenen Prinzen ein „Pülverchen“verabreichen wollen, greift die 43 Jahre alte Großmutter ein. Der „Höchste“, sagt die tiefgläubige Kurfürstin, habe ihr „18 Kinder bescheret und deren 17 am Leben gelassen.“Sie weiß also, was ihrem Enkel guttut. „So lang um Gott dem Prinzen keine Unpässlichkeit zuschiket“, verbietet sie den Hofärzten, irgendwelche Pülverchen zu Die Hofärzte, in ihrer Ehre gekränkt, eilen zum Kaiser, um ihn von dem Vorfall zu unterrichten. Und der spricht ein Machtwort: Es dürfen nur noch die „Frau Großmutter und der von Neuburg mitgebrachten Hebam“den Prinzen umgeben.
Mit diesem Kind und der vorangegangenen Heirat war Elisabeth Amalia zu einer der einflussreichsten Frauen Europas im Jahr 1678 aufgestiegen. Oder, wie man sie später nennen wird, zur „Schwiegermutter Europas“. Dank der geschickten politischen Strippen, die ihr Mann Philipp Wilhelm von Pfalz-Neuburg zieht, heiraten, erarbeiten und ergreifen die Kinder höchste Ämter auf einem aus dem Machtgefüge wankenden Kontinent. Das Besondere daran? Nicht allein die 17 Kinder, die sie zur Welt brachte, sind ein Alleinstellungsmerkmal dieser Frau. Vielmehr ist es die Art und Weise, wie sie es geschafft hat, 14 Kinder ins Erwachsenenalter zu führen und sich dabei aus der Erziehung nicht auszuklinken – was in Adelshäusern des Barock keine Seltenheit gewesen wäre. Das Außergewöhnliche seien die Hygiene und die Erziehung, die Elisabeth Amalia zur Vorzeigemutti machten. 17 Kinder waren nicht unbedingt außergewöhnlich. Dass 14 die Kindheit überlebten hingegen allemal.
Das erzählt Stadtführerin Margit Vonhof-Habermayr. Sie steht vor einer Ahnentafel im Schloss, die den Eindruck macht, als habe sie nie aufgehört zu wachsen. Unten am Stamm stecken Kurfürstin und Kurfürst die Köpfe zusammen und oben blühen die Sprösslinge. Die Ehe zwischen den beiden hat für Adelshochzeiten relativ ungewöhnlich begonnen. Nachdem Philipp Wilhelms erste Frau Anna Catharina Constantia gestorben war, traf er auf die Mutter seiner 17 Kinder. Heute geht man davon aus, dass es sich um eine Liebesheirat gehandelt haben muss. Elisabeth Amalia von HessenDarmstadt wechselte für den Kurfürsten klammheimlich und ohne Wissen ihrer Eltern die Konfession, wurde Katholikin wie die Neuburger Fürsten der Gegenreformation und nahm den dritten Namen Magverabreichen. dalena an. Als ihr Mann 1690 starb, waren die beiden 37 Jahre verheiratet. Zuvor gab es kaum ein Jahr, in dem Elisabeth nicht in freudiger Erwartung war: Zwischen 1655 und 1679 war Elisabeth Amalia 23 Mal schwanger. Das schien ihrem zierlichen Körper nicht viel auszumachen. Sie wurde für damalige Verhältnisse stolze 74 Jahre alt und liegt in der Fürstengruft unter der Hofkirche in einem Sarkophag aus Zinn begraben. Auf dem Grab liegt in einer kleinen Box das Herz ihrer jüngsten Tochter Leopoldine Eleonore, die nach der Geburt des ersten Enkels zur Welt kam.
Die Geschichte der Mutter ist die Geschichte ihrer Kinder. Stadtführerin Vonhof-Habermayr erklärt, dass Elisabeth Amalia neben der streng christlichen Erziehung ihren Kindern eine Lebensweisheit mit auf dem Weg gegeben habe. Die Familie sollte niemals gegeneinander arbeiten – was zugegeben nicht einfach ist, wenn diverse Machtpositionen in Europa von Brüdern und Schwestern besetzt sind. Am Ende ihres Lebens war Elisabeth Amalia Mutter dreier Kurfürsten, der Königinnen von Portugal und von Spanien, der Fürstbischöfe von Augsburg und Breslau, der Kronprinzessin von Polen, der Herzogin von Parma und Piacenza. Halb Europa in einer Familie versammelt.
Und Mutti sorgte sich um die Familie. Ihrer Tochter Maria Anna, die König Karl II. von Spanien in dessen Abwesenheit in Neuburg heiratete, begab sich auf die neunmonatige Reise via Schiff Richtung Madrid. Elisabeth Amalia schickte ihr eine Hebamme mit über das Mittelmeer. Sie konnte allerdings auch nicht verhindern, dass mit dem Tod des Königs der Spanische Erbfolgekrieg den Kontinent erschütterte und Maria Anna ins Exil floh. Die Totenpredigt für die Mutter verrät, dass dieser Moment einer der bittersten in ihrem Leben gewesen sein muss. Für ihre Kinder nahm die Kurfürstin Strapazen auf sich: Sie reist zu dem todkranken Sohn und Bischof Ludwig Anton nach Lüttich und flieht mit Alexander Sigismund 1703 vor den angreifenden Bayern aus Neuburg. Sie war für ihre Kinder da, lässt sich aus den Überlieferungen schließen.
Letztlich geht es ihr wie jeder Mutter, deren Wirken sich nur schwer in Worte fassen lässt. In der Totenrede wird die Kurfürstin neben allen denkbaren Beweihräucherungen für das gelobt, was dem Adel jener Zeit am wichtigsten war: Sie war eine „fruchtbariste Mutter, Dero Erben nur zu Scepter und Cronen scheinen gebohren zu seyn“. O