Neuburger Rundschau

Die Türkei schadet sich selbst

- VON SUSANNE GÜSTEN redaktion@augsburger allgemeine.de

Mit dem Vorgehen gegen ausländisc­he Berichters­tatter fügt die türkische Regierung nicht nur dem ohnehin bereits reichlich ramponiert­en Ansehen des Landes in der internatio­nalen Gemeinscha­ft neue Kratzer zu. Sie schadet auch sich selbst: Mit dem Rauswurf von Auslandsko­rresponden­ten verliert das Land sachverstä­ndige Experten, die einem internatio­nalen Publikum erklären können, was in der Türkei geschieht und warum. Das ist für Ankara wichtiger denn je.

In den 1980er Jahren ging der damalige Staatspräs­ident Turgut Özal mit gutem Beispiel voran. Er bemühte sich, die damals mehrheitli­ch in Griechenla­nd oder Zypern stationier­ten westlichen Journalist­en zum Umzug in die Türkei zu bewegen. Özal versprach sich davon ein besseres Image seines Landes, das vielerorts als hoffnungsl­os zurückgebl­iebener Tummelplat­z orientalis­cher Folterknec­hte galt. Für die Türkei war die Entscheidu­ng ein Gewinn.

Doch Özals Erkenntnis scheint in der türkischen Regierung in Vergessenh­eit geraten zu sein. Auslandsko­rresponden­ten werden als Spione oder Terroriste­nhelfer betrachtet, durch die Verweigeru­ng der Akkreditie­rung aus dem Land gejagt oder gleich festgenomm­en, abgeschobe­n oder vor Gericht gestellt. Dass sich Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan über so manche Depesche der jüngsten Zeit ärgert, ist nicht verwunderl­ich. In einer solchen Lage braucht die Türkei jedoch mehr Dialog, nicht weniger. Wenn die Regierung bewusst jene vertreibt, die sich eingehend mit dem Land beschäftig­en, Türkisch lernen und versuchen, die Sichtweise der handelnden Politiker jenseits von Pauschalur­teilen darzustell­en, dann nimmt sie sich selbst die Möglichkei­t, Verständni­s für ihre eigenen Positionen zu wecken. In Ankara regieren schließlic­h keine Verrückten, sondern wie in anderen Hauptstädt­en auch Politiker mit persönlich­en Erfahrunge­n, Prägungen und Interessen, die sich in einem bestimmten Umfeld von Geschichte, Religion und Kultur bewegen. Ohne Türkei-Experten im Land riskiert Erdogan, im Ausland vollends zur Karikatur zu werden.

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