Neuburger Rundschau

Navid Kermani: Ein scharfer Beobachter

Literaturt­age Humorvoll, intelligen­t, nachdenkli­ch – warum die Lesung des preisgekrö­nten Autors ein Höhepunkt war

- VON ELKE BÖCKER

Der vielfach preisgekrö­nte Autor, der unter anderem 2014 den Friedenspr­eis des Deutschen Buchhandel­s erhielt, ließ den Literatura­bend im Kulturzent­rum neun wie im Flug vergehen. Mit „Sozusagen Paris“, seinem aktuellen, bei Hanser erschienen­en Roman, zieht Navid Kermani wieder einmal alle Register.

Die Geschichte einer Begegnung mit der ehemals großen Liebe lässt Raum für allerlei amüsante und kluge Spielereie­n rund um Paris, das Synonym für Liebe. „Sozusagen Paris“– „eben nicht genau Paris“, wie Kermani im Gespräch mit Moderator Thomas Kraft erläutert, erzählt die Geschichte einer Nacht, aber auch die des Lebens. Was ist Liebe, was Verliebthe­it? Im Märchen heißt es am Ende, dann wenn die Verliebten endlich vereint sind: Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute. Wollen wir wirklich wissen, was aus ihnen geworden ist?

Kermani und seine Romanfigur­en reflektier­en ihre jeweilige Position, kommunizie­ren gleichsam mit dem Leser und mit dem vermeintli­chen Lektor des entstehend­en Romanes rund um die „Liebe“, die „Ehe“und das Leben. Die Romanfigur­en verlassen gleichsam den Roman, der Leser darf eintreten. Mit diesem literarisc­hen Kunstgriff will Navid Kermani die ursprüngli­che Erzähltrad­ition von Literatur wieder aufgreifen, Räume für Gedankenex­perimente schaffen und auch Reflexion über Literatur ermögli- chen. Doch „Sozusagen Paris“ist kein theoretisc­hes Buch über Literatur, sondern ein lesenswert­es, amüsantes Kleinod voller gedanklich­er Frische. Ein überrasche­nder Liebesroma­n, eine feinsinnig­e Eheanalyse, eine Sozial- und Gesellscha­ftsstudie – dazu noch spannungsg­eladen und witzig. Man kann das Buch kaum aus der Hand legen, möchte mit dem Autor weitere spannende Gespräche führen und spürt einmal mehr die gesellscha­ftliche Bedeutung von Literatur beziehungs­weise Kultur.

Oder wie der Autor meint: „Durchlässi­gkeit ist das, was Kultur ausmacht. Kulturen, die das nicht zulassen, sterben ab.“Ein aussagekrä­ftiges Statement für Toleranz und demokratis­che Diskussion.

 ?? Foto: Elke Böcker ?? Navid Kermani (rechts) las bei den Ingolstädt­er Literaturt­agen aus seinem aktuellen Buch „Sozusagen Paris“.
Foto: Elke Böcker Navid Kermani (rechts) las bei den Ingolstädt­er Literaturt­agen aus seinem aktuellen Buch „Sozusagen Paris“.

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