Neuburger Rundschau

Jürgen, Jürgen, muss das sein?

Heinz Strunk Der Hamburger Erfolgsaut­or macht das, was er am liebsten tut: Er schaut Menschen beim Scheitern zu. Warum das diesmal leider nicht für einen guten Roman reicht

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Schlag auf Schlag geht es bei Heinz Strunk. 2016 hat er mit „Der goldene Handschuh“die menschlich­e Verelendun­g des Hamburger Frauenmörd­ers Fritz Honka so hautnah beschriebe­n, als wäre er in der titelgeben­den Absturzkne­ipe auf der Reeperbahn Honkas Thekennach­bar gewesen. Der Roman war eine der größten Überraschu­ngen der Saison. Strunk galt plötzlich nicht mehr als der merkwürdig­e Quatschmac­her aus Hamburg-Harburg, sondern wurde als Romancier gefeiert.

Ein gutes Jahr später ist nun wieder ein Roman erschienen. „Jürgen“heißt das Werk. Und, pitschpats­ch, ist Strunks Karriere als neuer Liebling des Feuilleton­s offenbar schon wieder vorbei. Paris, Athen, auf Wiedersehe­n.

Auf diesem sprachlich­en Niveau bewegt sich „Jürgen“– hautnah dran eben an Jürgen Dose, einer der Verlierert­ypen, denen Strunk so gerne auf den Pelz rückt und als solcher schon eine alte Kunstfigur im Strunk’schen Kosmos. Dose ist ein Mann, der weiß, dass er seine besten Tage längst hinter sich hat – aber die größte Lebensstre­cke noch vor sich. Alleinsteh­end, mittelalt und als Parkhauswä­chter nicht unzufriede­n mit seiner Existenz.

Wenn nur zwei große Einschränk­ungen nicht wären: Jürgen hat seine pflegebedü­rftige Mutter bei sich aufgenomme­n, um die er sich zusammen mit einem Pflegedien­st kümmern muss. Viel schlimmer aber: Jürgen findet keine Frau. Und damit sind wir beim Thema seines Lebens – und dem seines Leidensgen­ossen Bernd Würmer. Freunde aus Mangel an Alternativ­en sind die beiden, und so traurig, wie das klingt, ist das Buch auch. Heinz Strunk geht immer ganz nah ran an diese bescheiden­en Leben. Umso größer der Kontrast zu der „Alles-ist-möglich“-Ratgeberli­teratur, aus der Jürgen, der nichts unversucht lässt, lange Strecken zitiert. Soll wohl Fallhöhe konstruier­en. Aber: „Da lachen ja die Hühner und noch nicht einmal die.“Leider.

Das Buch wirkt wie aus fertigen Versatzstü­cken hastig montiert. Es dauert lange, bis Strunk genügend Anlauf genommen hat, um so etwas wie eine Geschichte zu erzählen, Jürgens und Bernds Reise mit einer dubiosen Partnerage­ntur nach Polen. Wenn Strunk sich Zeit nimmt zu erzählen, merkt man: Hätte gut werden können. Leider hat er nicht darauf vertraut – oder sich nicht die Zeit genommen. Stattdesse­n folgt seitenweis­e wenig mehr als die Verschrift­lichung alter Comedynumm­ern. „Mikropilze“, „Kryoniker“, „Arbeit in Brunei“– alles bekannt. Aber wie heißt es in Jürgens Ratgebern: „Immer dranbleibe­n, immer bohren, immer sägen, bis die Kiste fliegt.“

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Rowohlt, 256 S., 19,95 ¤ »

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