Hermes, wo bleibst Du?
Ach Hermes, alter Götterbote! Wärst Du doch hier auf Erden und würdest hin und wieder mal Dein Bodenpersonal in die Schranken weisen. Denn hättest Du Deine Arbeit als Zeus’ Botschafter so verrichtet, wie manche Deiner irdischen Abgesandten hier ihren Botendiensten nachgehen – Zeus hätte sich nur schwerlich an der Spitze der griechischen Gottheiten halten können.
Nicht, dass Deine Namensvertreter optisch keinen dynamischen Eindruck machen würden in ihren rasanten Gefährten mit den blauen Flügeln. Nur scheint manch Bote auf seinen Reisen gerne einmal die Orientierung und das Zeitgefühl zu verlieren. Anders ist es kaum zu erklären, dass ein Päckchen jüngst gleich vier Anläufe brauchte, um in meine Hände zu gelangen. Beim ersten Versuch war ich nicht da – mea culpa. Beim zweiten Versuch war ich den ganzen Tag da – nur leider der angekündigte Bote nicht. Als er dann am späten Abend per elektronischer Botschaft verkündete, er habe niemanden angetroffen, stieg Verwunderung in mir empor. Aus ihr wurde Verärgerung, als sich das Spielchen am nächsten Tag wiederholte. Ich da, er nicht – seine (der Wahrheit bewiesenermaßen nicht ganz entsprechende) Nachricht lautete: „Kunde wurde nicht angetroffen.“
Erst ein erboster Anruf in der weltlichen Zentrale Deines göttlichen Unternehmens machte dem säumigen Laufburschen Feuer unter dem lahmen Flügel. Am nächsten Tag war das ersehnte Päckchen plötzlich da. Still und leise hatte er es vorbeigebracht. Wenn er jetzt auch noch ein kleines bisschen Feingefühl an den Tag gelegt hätte und die abzuliefernde Jeansjacke nicht mit aller Gewalt durch einen Briefkastenschlitz gepresst hätte – ach, wie wäre ich glücklich. So aber bleibt die Hoffnung, dass Du, Hermes, mal hier vorbeischaust und Deinem Bodenpersonal erklärst, wie man es zum Götterboten schafft – und wie nicht.