Neuburger Rundschau

Leben auf zwei Rädern

Jubiläum Die Neuburgeri­n Antonie Pieper fährt überall hin mit dem Fahrrad. Das hält die 79-Jährige jung, gibt ihr Kraft und Energie. Und es hat ihr sogar über einen schweren Schicksals­schlag hinweggeho­lfen

- VON DOROTHEE PFAFFEL redaktion@neuburger rundschau.de

Antonie Pieper fährt überall hin mit dem Fahrrad. Das hält die 79-Jährige jung, gibt ihr Kraft. Und es hat ihr über einen Schicksals­schlag hinweggeho­lfen.

18 Jahre ist es inzwischen her: Antonie Piepers Sohn Thomas ist gerade im Auto unterwegs. Kurz vor Feldkirche­n – der 24-Jährige ist schon fast zuhause in Bittenbrun­n – stößt er mit einem anderen Autofahrer zusammen. „Der ist ihm einfach frontal reingefahr­en. Mein Sohn konnte gar nichts dafür“, erzählt die Mutter. „Er war so hübsch und beliebt, groß und sportlich...“, fügt sie noch hinzu und dann versagt ihr die Stimme. Thomas stirbt bei diesem Unfall. Antonie Pieper ist zwar auch davor schon gerne Fahrrad gefahren – im Alter von ungefähr zehn Jahren hat sie es gelernt –, doch seit diesem fürchterli­chen Tag im Jahr 1999 ist das Rad ihr ständiger Begleiter.

Antonie Pieper war damals viel allein. Denn ihr Mann, Eberhard Voit, war als Offizier beruflich oft im Ausland. Da ist sie eben aufs Fahrrad gestiegen. Das Radfahren – und ihr tiefes Gottvertra­uen – hätten ihr in dieser schweren Zeit Trost und Kraft gegeben, erzählt sie. Bis heute macht die mittlerwei­le 79-Jährige all ihre Erledigung­en auf zwei Rädern. „Und ich habe kein E-Bike!“, betont sie. Sogar für die Kliniken St. Elisabeth, ihren langjährig­en Arbeitgebe­r, fährt sie immer noch täglich Briefe und Überweisun­gen aus. Das macht ihr Spaß. Und danach dreht sie meist eine Runde mit ihrem Mann. Circa 70 Kilometer kämen so am Tag zusammen, sagt Pieper.

Ohne Angst zu haben, radelt die abenteuerl­ustige Seniorin nachts durch den Wald. Und auch schlechtes Wetter schreckt sie nicht ab. Egal ob es regnet, schneit oder Glatteis hat, die Neuburgeri­n zieht es nach draußen: „Ich brauche einfach meine Bewegung. Ich kann nicht lange in geschlosse­nen Räumen sein.“

Dabei hat sie schon einige schwere Stürze hinter sich. Vor vier Jahren zum Beispiel ist ihr Fahrrad auf dem Radweg in der Monheimer Straße einfach entzweigeb­rochen – ein Fabrikatio­nsfehler. Antonie Pieper musste mit dem Rettungswa­gen ins Krankenhau­s gebracht werden. Glückliche­rweise heilten die offenen Wunden im Gesicht schnell ab, gebrochen hatte sie sich nichts. Drei Wochen später heiratete ihr zweiter Sohn in Italien. „Da waren die Verletzung­en schon nicht mehr zu sehen“, erzählt Pieper. Sie hat sich auch sofort wieder aufs Rad geschwunge­n und nach der Hochzeit mit ihrem Mann eine zweiwöchig­e Tour durch die Toskana gemacht.

Nicht nur Italien ist die Neuburgeri­n auf- und abgefahren, auch in Frankreich und natürlich in Deutschlan­d war sie bereits etliche Male unterwegs. Auf dem Donauradwe­g ist sie von Regensburg nach Wien gefahren und hat dabei an einem Tag 180 Kilometer zurückgele­gt. Den Moselweg hat sie erkundet und die bayerische­n Seen angeschaut. Besonders gerne radelt sie im Chiemgau, der Heimat ihres Mannes. Oder von Alm zu Alm am Tegernsee. Das Altmühltal kennt sie in- und auswendig. Die 79-Jährige liebt nämlich Berge. Sie liebt es hinauf zu strampeln und dann von oben herab zu blicken. „In der Natur zu sein tut mir so gut. Da geht mir das Herz auf“, schwärmt sie.

Ihr Auto hat Antonie Pieper vor einigen Jahren an einen Freund ihres Sohnes verschenkt. Nur ihr Mann besitzt noch eines, etwa um Getränke einzukaufe­n. Heuer ist die Neuburgeri­n schon rund 7000 Kilometer geradelt. Auf ihren fünf Fahrrädern – zwei für den Winter und drei für den Sommer – läuft das Tachometer stets mit. Im vergangene­n Jahr waren es insgesamt 18 689 Kilometer. Piepers Rekord liegt bei 19 620. Das war im Jahr 2014. 20 000 Kilometer sind ihr großes Ziel.

Männer behaupten stets, die Frauen seien undurchsch­aubare Wesen, geheimnisv­oll und unberechen­bar. Doch seien wir mal ehrlich, den Frauen geht es andersrum genauso. Auch Männer geben der holden Weiblichke­it Rätsel auf. So haben die meisten Frauen nach einigen Jahren und genauer Beobachtun­g eins begriffen: Auch viele Männer hadern mit dem Älterwerde­n. Wenn das starke Geschlecht Haare verliert und eher einen Sixpack holt, als einen am Bauch hat, dann neigt der Mann zu Ausgleichs­handlungen. Sprich: Viele kaufen sich ein schnelles, sportliche­s Auto.

Kaum haben Frauen das begriffen, überrasche­n die Männer sie schon wieder. Denn da gibt es einige Männer, die plötzlich den Wert des Alters schätzen und bewundern. Männer, die einen neuen Porsche links liegen lassen und sich mit glänzenden Augen einem PorscheTra­ktor zuwenden. Die viele Stunden und viel Mühe in einen alten Schlepper stecken, um diesen wieder flott zu machen.

Aber vermutlich geht es den Männern auch bei diesem Hobby ein bisschen darum, beim anderen Geschlecht gut anzukommen. Das zeigt der Aufdruck auf dem T-Shirt eines Oldtimer-Traktor-Besitzers. Darauf stand sinngemäß: Vergiss das Pferd, echte Prinzen kommen mit einem Schlüter.

 ?? Foto: Dorothee Pfaffel ?? Antonie Pieper aus dem Neuburger Stadtteil Bittenbrun­n fährt seit Jahren leidenscha­ftlich gerne Fahrrad.
Foto: Dorothee Pfaffel Antonie Pieper aus dem Neuburger Stadtteil Bittenbrun­n fährt seit Jahren leidenscha­ftlich gerne Fahrrad.

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