Klappe, die nächste
Naturschutz In Spitzenzeiten gehen beinahe stündlich Jungtiere bei der Tierhilfe Jonathan ein – im Idealfall können sie nach kurzer Zeit wieder entlassen werden. Dafür braucht der Verein Helfer
Im Büro von Andrea Weng aus Weichering piepst und fiept es. Erst leise, dann lauter. Für Außenstehende ist unklar, woher die Geräusche kommen – Computer, Drucker und Aktenordner scheiden aus. Andrea Weng weiß, woher die Töne kommen. Zielsicher steuert sie auf eine kleine, unscheinbare Box zu, die auf einem Aktenschrank steht. Es ist Fütterzeit. Seit einer Woche ist Andrea Weng nicht nur Geschäftsfrau eines Garten-, Landschafts- und Straßenbauunternehmens, das sie zusammen mit ihrem Mann Roland betreibt, sondern auch „Pflegemama“bei der Tierhilfe Jonathan. Als solche hat sie drei Jungvögel in Obhut genommen, die aus ihrem Nest gepurzelt sind.
Eine Meise und zwei Spatzen sind die neuen „Kinder“von Andrea Weng. Ein paar Wochen lang wird sie sie füttern, pflegen und aufpäppeln – bis sie groß genug sind und in die Freiheit entlassen werden können. Noch sitzen sie jedoch zusammengekauert in einer alten Wollsocke, das Gefieder zart, die Schnäbel weit aufgerissen. Andrea Weng füttert sie mit einer Mischung aus Haferflocken, Mehlwürmern und Vitaminen, angerührt zu einem dick- Brei, den sie in hungrige Kehlen tropfen lässt. Alles, was sie für die Aufzucht der Vögel braucht, hat sie von der Tierhilfe Jonathan bekommen – plus fachkundige Beratung, versteht sich.
Die Entscheidung, sich bei der Tierhilfe zu engagieren, traf Andrea Weng spontan. Ausschlaggebend war ein Aufnahmestopp, den der Verein nach Pfingsten verhängen musste, da alle Plätze belegt und die Mitarbeiter ausgelastet waren. Wie es dazu kam, erklärt Günter Neuner von der Tierhilfe: „Im Mai ist bei vielen Vögeln Brutzeit und damit Hochsaison für Nestpurzler.“In Verbindung mit dem warmen Wetter über das Pfingstwochenende – was die jungen Tiere quirlig mache – seien bei der Tierhilfe innerhalb einer Woche 46 Tiere eingeliefert worden. Das brachte die vier Pflegestationen des Vereins an ihre Belastungsgrenze. Es war der zweite Aufnahmestopp, den der Verein in seiner achtjährigen Geschichte verhängen musste.
Der Klimawandel mit seinen ausgeprägten Hitzeperioden und plötzlichen Unwettern habe dazu beigetragen, dass die Zahl der abgegebeflüssigen nen Jungtiere in den vergangenen Jahren stetig zunahm. Im vergangenen Jahr gewährte der Verein 468 Tieren Asyl. Darunter vor allem Jungtiere, wie Vögel oder Feldhasenbabys, aber auch verunglückte Greifvögel sowie ab und an ein Marder oder ein Fuchs.
„Man braucht weder viel Platz noch Vorkenntnisse, um Tiere bei sich aufzunehmen“, sagt Neuner. Die Angst vor Krankheiten oder Schmutz sei ebenfalls unbegründet. Interessenten würden intensiv begleitet und zu Beginn „einfache Fälle“bekommen, bei denen sie nichts falsch machen könnten. „Zeit und Tierliebe sind die einzigen Voraussetzungen.“Beides bringt Andrea Weng mit. Sie hat eine Lehre im Zoofachhandel absolviert und bereits im vergangenen Jahr eine Krähe großgezogen, die sie beim Spazierengehen am Leitner Weiher gefunden hatte. „Es ist eine Bereicherung, ein Tier im Alltag aufwachsen zu sehen – das war im Rückblick der schönste Sommer meines Lebens“, sagt sie. Nun liegt ein neuer vor ihr. Und in einer halben Stunde beginnt es wieder zu piepsen. O
Wer sich bei der Tierhilfe Jona than engagieren möchte, kann sich un ter Telefon 08431 44833 informieren.