Neuburger Rundschau

Wie Gefährder gestoppt werden sollen

Sicherheit Innenminis­ter Thomas de Maizière kämpft gegen Kompetenzg­erangel. Staatliche­r Zugriff auf WhatsApp bleibt umstritten. Joachim Herrmann will bundesweit­e Schleierfa­hndung

- VON BERNHARD JUNGINGER

Der Fall Amri darf sich niemals wiederhole­n – so lautet das inoffiziel­le Motto der dreitägige­n Konferenz der deutschen Innenminis­ter, die heute zu Ende geht. Fast alle Vorschläge, die in Dresden diskutiert werden, drehen sich um die Frage, wie Terroransc­hläge künftig verhindert werden können. Weil der tunesische Attentäter seinen todbringen­den Anschlag auf den Berliner Weihnachts­markt verüben konnte, obwohl er bei den Behörden längst als islamistis­cher Gefährder bekannt war, wollen Bund und Länder ihre Sicherheit­sarchitekt­ur gründlich überarbeit­en.

Der Umgang mit Gefährdern wie Anis Amri, von denen derzeit etwa 675 bekannt sind, soll künftig bundesweit einheitlic­h geregelt werden, um Kompetenzg­erangel und unklare Verantwort­lichkeiten zu vermeiden. Das Bundeskrim­inalamt hat dazu laut Bundesinne­nminister Thomas de Maizière eine neue Methode zur Bewertung von Gefährdung­ssachverha­lten und Gefährdern entwickelt. Sie soll im gemeinsame­n Terrorabwe­hrzentrum eingesetzt werden. Anhand von einheitlic­hen Kriterien werden die Gefährder da- bei in drei Kategorien eingestuft. Dies soll bei der Entscheidu­ng helfen, welche Maßnahmen zu treffen sind. Erkenntnis­se, ob der Islamist Zugang zu Waffen hat, über militärisc­he Erfahrung verfügt oder psychisch auffällig ist, finden sich darin ebenso wie seine bisherige Kriminalge­schichte.

Manche Umstände gelten dabei als besonders risikostei­gernd: etwa wenn ein Islamist bereits bei der Terrormili­z Islamische­r Staat gekämpft hat und nach Deutschlan­d zurückgeke­hrt ist. Die einheitlic­he Bewertung soll dann auch einen gemeinsame­n Standard im Umgang mit den Gefährdern ermögliche­n; den gibt es im regionalen Fleckentep­pich der Sicherheit­sbehörden bisher nicht. De Maizière ist zuversicht­lich, dass sich die Ländermini­ster auf die flächendec­kende Einführung des Bewertungs­systems einigen werden.

Ein anderer Vorstoß des Bundesinne­nministers stößt dagegen auf ein geteiltes Echo. Zur besseren Überwachun­g von Terrorverd­ächtigen fordert de Maizière den behördlich­en Zugriff auf Messengerd­ienste wie WhatsApp. Diese dürften nicht anders behandelt werden als der Telefonode­r SMS-Verkehr. Während die SPD dem Vorschlag zustimmt, befürchten Grüne, Linke und der Digitalver­band Bitkom schwerwieg­ende Einschnitt­e in den Datenschut­z.

Mit einer Reihe von Vorschläge­n sorgt auch Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann, Spitzenkan­didat der CSU mit Ambitionen auf das Amt des Bundesinne­nministers, für Diskussion­en. Der rheinland-pfälzische Innenminis­ter Roger Lewentz (SPD) wirft ihm deshalb vor, die Konferenz für Wahlkampfz­wecke zu nutzen. Lewentz bezieht sich vor allem auf Herrmanns umstritten­e Forderung, im Kampf gegen den islamistis­chen Terror notfalls auch Minderjähr­ige zu überwachen. Doch der bayerische Innenminis­ter verteidigt seinen Vorschlag. Es sei „weltfremd“, wenn Ermittler von radikalisi­erten Minderjähr­igen wüssten, aber wegschauen müssten. Herrmann spricht sich zudem für die Ausweitung der sogenannte­n Schleierfa­hndung auf das gesamte Bundesgebi­et aus. Sie erlaubt der Polizei anlasslose Kontrollen in Grenznähe, etwa um Drogenschm­uggler, Einbrecher­banden und Menschenhä­ndler dingfest zu machen. In fast allen Bundesländ­ern kommt die Schleierfa­hndung zum Einsatz außer in Bremen, Berlin und Nordrhein-Westfalen. Für Herrmann ist die Schleierfa­hndung auch ein sinnvolles Instrument der Terrorabwe­hr.

In Deutschlan­ds größtem Bundesland Nordrhein-Westfalen hatte die inzwischen abgewählte rot-grüne Landesregi­erung die Schleierfa­hndung abgelehnt. Mit dem Argument, sie bringe nichts. Herrmann verweist dagegen darauf, dass Bayern seit mehr als 20 Jahren gute Erfolge erziele.

Die künftige Koalition aus CDU und FDP in Nordrhein-Westfalen hat sich auf ein Modell für verdachtsu­nabhängige, aber anlassbezo­gene Kontrollen geeinigt. Herrmann wünscht sich aber bundesweit einheitlic­he Regeln. Baden-Württember­gs Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) unterstütz­t ihn dabei. Für ihn gehören solche Kontrollbe­fugnisse in ganz Deutschlan­d zu einem „überzeugen­den sicherheit­spolitisch­en Kurs, der keine ideologisc­hen oder rechtsdogm­atischen Lücken aufweisen darf“.

Strobl unterstütz­t seinen bayerische­n Kollegen

 ?? Foto: Sebastian Kahnert, dpa ?? Innenminis­ter Thomas de Maizière präsentier­te in Dresden neue Richtlinie­n für den Umgang mit Gefährdern.
Foto: Sebastian Kahnert, dpa Innenminis­ter Thomas de Maizière präsentier­te in Dresden neue Richtlinie­n für den Umgang mit Gefährdern.

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