Neuburger Rundschau

Protest: Landwirt wirft Gurken Ernte weg

Essen Der Handel stelle zu hohe Anforderun­gen, sagt er. Die Supermärkt­e bestreiten das

- VON REGINA STERK UND NORBERT HOHLER

Vor der Gärtnerei von Franz Hagn fährt ein Auto nach dem anderen vor. Mit dem normalen Tagesgesch­äft hat das wenig zu tun. All diese Menschen sind da, weil der Landwirt aus Segnitz (Landkreis Kitzingen) seinem Unmut auf Facebook Luft gemacht hat. Er stellte ein Video ins Netz, auf dem zu sehen ist, wie er eine Tagesernte Gurken auf einem Feld verteilt und unterpflüg­t. Der Grund: Einige Lebensmitt­elgroßkund­en würden nur noch eingeschwe­ißte Ware abnehmen, deshalb bliebe er auf seinen Gurken sitzen, beklagt Hagn.

Die Minigurken sind seine Spezialitä­t. Er verkauft sie über die Gartenbauz­entrale Main-Donau an diverse große Supermarkt­ketten in Deutschlan­d. Doch die Händler wollen die Fünf-Kilo-Kisten aus Segnitz nicht mehr in ihren Läden haben. Stattdesse­n sollen seit einigen Wochen immer drei Gurken in eine Schale gelegt und mit Folie verschweiß­t werden. Woher diese Vorgabe kommt, weiß Hagn nicht.

Zwar habe er die Maschine, um das Gemüse selbst zu verpacken, aber seine Menge reicht nicht aus, damit das wirtschaft­lich wäre. Und: Sein Betrieb ist als Lieferant für die Verpackung­seinheiten gelistet. Deshalb wird der Landwirt seine Ware nicht los. Was geerntet im Kühlhaus liegt, verkauft er nun direkt vom Hof zu Niedrigpre­isen. Rund 100 000 Euro werde der Schaden betragen, schätzt er – mindestens.

Sein Video löste auf Facebook viel Solidaritä­t aus. Der Film wurde millionenf­ach angeklickt. Wie sehr die Menschen der Fall bewegt, zeigt das Beispiel von Gaby Weimer. Sie ist extra zwei Stunden aus Böblingen bei Stuttgart angereist, nachdem sie das Video gesehen hatte. Mehr als 100 Kilo Gurken hat sie in ihren Kombi geladen und will sie an Freunde, Kindergärt­en und Verwandte verteilen.

Die Genossensc­haft, zu der Hagn gehört, zeigt sich von dem Protest besorgt. Der stellvertr­etende Geschäftsf­ührer, Kai Fuchs, ist verärgert. „Wir haben vom Film nichts gewusst und distanzier­en uns von der Aktion“, sagt er. Dass Bauern gerade Schwierigk­eiten haben, ihre Waren loszuwerde­n, liege an der Witterung. Es gebe derzeit sehr große Mengen Minigurken auf dem deutschen Markt. Dass die Supermärkt­e die Gurken plötzlich nicht mehr wollen, will Fuchs so nicht stehen lassen.

Und auch die Ketten selbst distanzier­en sich von der Kritik: Auf Anfrage teilte die Pressestel­le der Edeka-Gruppe mit, dass sie Hagns Vorwürfe zurückweis­e. In EdekaMärkt­en würden Minigurken seit Jahren lose und verpackt angeboten. Rewe äußert sich ähnlich. Es gebe keinerlei vertraglic­he Abmachunge­n über die Abnahme von Minigurken, heißt es. Franz Hagn jedenfalls ist bewegt vom großen Zuspruch. Und betont: „Ich wollte niemanden angreifen.“

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Foto: Regine Sterk Franz Hagn vernichtet­e seine Gurken, weil sie keiner kauft.

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