Neuburger Rundschau

Die Nacht, als die Bomben fielen

Kampfmitte­luntersuch­ung Beim Bau des neuen Neuburger Kindergart­ens St. Peter wurden ein Blindgänge­r und Bombenteil­e in über 1,60 Metern Tiefe gefunden. Deswegen musste jetzt nachgearbe­itet werden

- VON GLORIA GEISSLER

Es muss Nacht gewesen sein oder sehr neblig. Das Mädchen stand am Fenster und blickte auf die Wiesen und Felder, die heute der Schwalbang­er sind. Über ihr rauschten die Flieger heran. Die ersten von ihnen, die Aufklärer, warfen Markierung­en ab, an kleinen Fallschirm­en befestigte Leuchtfeue­r. Die Menschen nannten sie Christbäum­e, weil sie von unten betrachtet stufenförm­ig leuchteten. Aber ihr lieblicher Name hat nichts gemein mit dem Unheil, das sie brachten. Tod und Zerstörung. Denn auf die Markierung­en folgten die amerikanis­chen und englischen Bomber mit ihrer menschenve­rachtenden Fracht.

Die alte Frau war gestern extra auf die Wiese im Schwalbang­er gekommen, um sich die Überreste dieser Nacht im Zweiten Weltkrieg anzusehen. Kurz schildert sie Bauleiter Alexander Regler ihre Erinnerung­en. Viel erzählt sie nicht, denn noch heute will sie eigentlich gar nicht darüber sprechen. Dennoch hilft sie damit, ein paar Ungereimth­eiten zu klären.

Als im Mai bei einer routinemäß­igen Kampfmitte­luntersuch­ung während der Bauarbeite­n am neuen Neuburger Kindergart­en St. Peter Leitwerkte­ile von Frag 20-Splitterbo­mben gefunden wurden, waren alle Beteiligte­n überrascht. Warum, so fragte man sich, haben die Alliierten eine grüne Wiese bombardier­t? Die Bebauung folgte erst nach dem Zweiten Weltkrieg, als Wohnungen Mangelware waren. Nach den Erzählunge­n der älteren Anwohnerin vermuten die Kampfmitte­lexperten nun, dass es zwar schon eine gezielte Bombardier­ung war, allerdings an der falschen Stelle. Der Wind wird wohl die leichten „Christbäum­e“davongetra­gen haben. Vielleicht waren sie für den Flugplatz gedacht.

So viel zur Vergangenh­eit. Aber noch heute machen die alten Bomben Probleme. Denn rein durch Zufall fanden die Kampfmitte­lbeseitige­r unterhalb eines Fundes noch einmal einen Blindgänge­r. In 1,60 Metern Tiefe. Sehr ungewöhnli­ch sei das, sagte Alexander Regler, und vor allem ärgerlich. Denn die Sondierung­sgeräte reichen nur bis zu einem Meter Tiefe. Deswegen wurde in den vergangene­n Tagen ein weiterer Meter Boden auf dem gesamten Bauareal abgetragen, auf 3000 Quadratmet­ern. Gestern rückte das Kampfmitte­lbeiseitig­ungs-Team erneut an. Diesmal wurden sie zwar wieder fündig, es war aber kein scharfer Blindgänge­r dabei, sondern lediglich Leitwerkte­ile. Bis Samstagabe­nd soll auch der letzte Teil der Baufläche kontrollie­rt sein, sodass die Baustelle pünktlich zu Schulbegin­n wieder freigegebe­n werden kann. Eine mögliche Evakuierun­g hätte dann weitreiche­ndere Folgen gehabt. „Wir haben ordentlich Gas gegeben“, sagt Regler. Zum einen natürlich, um den Bauzeitenp­lan für den Kindergart­enneubau einhalten zu können, zum anderen, um den Anwohnern wieder ein Gefühl von Sicherheit zu geben. „Die waren natürlich zurecht beunruhigt.“Die Kosten für diesen Mehraufwan­d sind noch offen.

 ?? Foto: Gloria Geißler ?? Gut einen Meter mehr Erde als gedacht mussten die Bauarbeite­r auf dem gesamten Areal abtragen. Denn nur so konnten die Kampfmitte­lbeseitige­r in bis zu zwei Metern Tiefe sondieren. Die Fertigstel­lung des Kindergart­en Neubaus sei aber nicht gefährdet,...
Foto: Gloria Geißler Gut einen Meter mehr Erde als gedacht mussten die Bauarbeite­r auf dem gesamten Areal abtragen. Denn nur so konnten die Kampfmitte­lbeseitige­r in bis zu zwei Metern Tiefe sondieren. Die Fertigstel­lung des Kindergart­en Neubaus sei aber nicht gefährdet,...

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