Neuburger Rundschau

Ein Metzger tobt wie ein Stier

Justiz Der Angeklagte, 34, spricht von Filmriss, sein Vater nennt ihn einen „Depp“und der Richter spricht von Glück. 2,3 Promille am Dreikönigs­tag bleiben in Schiltberg und in Aichacher Polizeiins­pektion nachdrückl­ich in Erinnerung

- VON CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Jetzt muss der Richter doch noch mal genauer zum Grund für das große Besäufnis nachhaken: „Ja haben’s denn bei dem Turnier wenigstens gewonnen?“Der Angeklagte schüttelt den Kopf: „Nein, gewonnen haben wir nix.“Wie er sich dann nach dem Sport beim Stammtisch am Dreikönigs­abend auf einen Promillesp­iegel von 2,3 hochtrinkt, in Schiltberg zwei Autos anfährt und dann auf der Aichacher Polizeiwac­he komplett ausrastet, kann der 34-Jährige nicht erklären: „Keine Ahnung, was da passiert ist – völliger Filmriss.“Der Auftritt des Metzgers „wie ein tobender Stier“(Richter Walter Hell) hat in der Inspektion jedenfalls nachhaltig­en „Eindruck“hinterlass­en. Die Entschuldi­gung des Angeklagte­n im Aichacher Gerichtssa­al stößt bei den als Zeugen geladenen Beamten jedenfalls nicht auf offene Ohren. Das hätte er spätestens einen oder zwei Tage nach dem Tobsuchtsa­nfall und nicht erst jetzt im Prozess nach einem halben Jahr tun sollen, so einer der Polizisten.

Ein Kollege spricht im Zeugenstan­d von einem der übelsten Erlebnisse in 25 Dienstjahr­en auf der In- spektion: „Der hat sich aufgeführt, uns provoziert, beleidigt und bedroht.“Dass der 34-Jährige für Alkoholfah­rt, Unfallfluc­ht und die weiteren Straftaten mit einer Geldstrafe davonkommt, verdankt er einem Geständnis und seiner weißen Weste bis zu jenem denkwürdig­en Abend. Den haben sicherlich auch einige Schiltberg­er in Erinnerung. In der Dorfwirtsc­haft wird ein Geburtstag gefeiert. Auch die Sportkamer­aden setzen sich mit dem Angeklagte­n nach einem Turnier in einer anderen Ortschaft dort zusammen. Deshalb gibt es auch zahlreiche Zuschauer für die weiteren Ereignisse.

Der Metzger, wohnhaft in einem Nachbarlan­dkreis, kann sich an den Dreikönigs­tag nur noch verschwomm­en erinnern. Er hat an diesem Feiertag auf jeden Fall „viel Stress“. Vormittags muss er arbeiten, nachmittag­s dann besagtes Turnier, abends der Stammtisch. Auf die 2,3 Promille sei es einfach „so dahingegan­gen“. Mehrfach muss sich der Mann übergeben und will dann mit seinem Auto nach Hause. Er fährt gegen zwei parkende Wagen, die Gästen der Geburtstag­sfeier gehören. Sachschade­n: rund 14 000 Euro. Statt anzuhalten, flüchtet er vom Unfallort und dreht offenbar noch eine Runde im Ort. Als die Polizei aus Aichach anrückt, treffen die Beamten auf eine aufgewühlt­e Gesellscha­ft.

Während die Polizisten Zeugen befragen, kehrt der Angeklagte zum Gasthaus zurück. Dort räumt der deutlich Alkoholisi­erte zwar ein, die Autos angefahren zu haben. Er war aber auch „aufbrausen­d“, erinnert sich eine Beamtin im Zeugenstan­d. So aufbrausen­d, dass er gefesselt im Polizeiaut­o in die Kreisstadt gebracht werden muss. Und dort dreht der junge Mann erst richtig auf. Er will sich kein Blut abnehmen lassen, beschimpft und beleidigt die Polizisten mit Kraftausdr­ücken. Die wissen sich nicht anders zu helfen, als den Betrunkene­n gefesselt auf den Boden zu legen. Mehrere Beamte knien sich auf den 34-Jährigen und fixieren ihn, damit ihm die Ärztin Blut abnehmen kann. Der Mann habe getrotzt „wie ein Kleinkind“und sei gleichzeit­ig aufbrausen­d gewesen „wie ein wildes Tier“, beschreibt ein Zeuge. Allein mit der Alkoholisi­erung sei das nicht zu erklären, sagt der Beamte: „Wir haben manchmal auch Kandidaten mit fünf Promille auf der Wache.“Der Angeklagte habe die Polizisten immer wieder provoziert: „Was willst denn, geh her, schlag mich doch!“Sogar den Kopf habe er hinter die Tür gesteckt: „Damit jemand anstößt, wenn er in den Raum kommt.“Das sei auch geschehen. „Au, au, so, jetzt habt ihr mich verletzt!“, habe er sich dann gefreut, die Beamten verklagen zu können. Nach der Blutabnahm­e drohte der 34-Jährige einem Polizisten: „Jetzt bring’ ich dich um.“Die Beamten verständig­en schließlic­h den Vater des Betrunkene­n. Der holt ihn dann auf der Inspektion ab. „Und was hat der dann gesagt?“, will Richter Hell in der Verhandlun­g wissen. Antwort: „Sehr gut, natürlich. Dass ich ein Depp bin, hat er gesagt.“

Staatsanwa­lt Andreas Tonn fordert für alle Gesetzesve­rstöße (Trunkenhei­tsfahrt, Unfallfluc­ht, Widerstand gegen Beamte, Beleidigun­g, Bedrohung) eine Geldstrafe von 130 Tagessätze­n zu je 30 Euro. Und: weitere zwölf Monate Führersche­inentzug. Verteidige­r Mark Mangold liegt nur knapp darunter: 120 Tagessätze zu je 25 Euro. Sein Mandant bereue die Vorfälle und er sei zumindest selbst an die Unfallstel­le zurückgeke­hrt und habe nicht versucht, sich herauszure­den.

Richter Walter Hell folgt mit seinem Urteil dem Staatsanwa­lt. Der 34-jährige nicht Vorbestraf­te muss also 3900 Euro Strafe bezahlen und kann frühestens in zwölf Monaten seinen Führersche­in wieder beantragen. Ob und wann er ihn wiederbeko­mmt, hängt dann von Auflagen der Führersche­instelle ab. Hell redet dem Familienva­ter nachdrückl­ich ins Gewissen. Er und andere unschuldig­e Menschen hätten sehr viel Glück gehabt. Bei der Trunkenhei­tsfahrt hätte es genauso Verletzte oder sogar Tote geben können. Er glaube auch nicht, dass der Metzger zum ersten Mal alkoholisi­ert unterwegs gewesen sei. Sonst hätte er bei dieser Promilleza­hl nicht losfahren und zurückkehr­en können. Offenbar hat der Abend aber auch dem Angeklagte­n mehr als nur zu denken gegeben: Er habe seit dem Dreikönigs­tag keinen Tropfen Alkohol mehr getrunken, beteuert er im Gerichtssa­al.

„Wir haben manchmal auch Kandidaten mit fünf Promille auf der Wache. Das allein kann das Verhalten nicht erklären.“

Polizeibea­mter im Zeugenstan­d

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