Neuburger Rundschau

Als hätte es das Dorf nie gegeben

Unglück I Erdrutsch in China löscht einen ganzen Ort aus. Jetzt droht neue Gefahr

- VON FINN MAYER KUCKUK

Den Ort Xingmo gibt es nicht mehr. Um sechs Uhr früh am Samstagmor­gen ist der Berghang, an dessen Fuß das Dorf lag, ins Rutschen geraten und hat mehr als 62 Häuser unter sich begraben.

Wo vorher die Gebäude standen, erstreckt sich jetzt eine granitschw­arz glänzende Geröllland­schaft. Chinesisch­e Staatsmedi­en sprechen am Sonntag von 93 Vermissten. Suchtrupps bargen zehn Leichen. „Mehrere tausend Tonnen Gestein sind herunterge­kommen“, sagt Polizeihau­ptmann Chen Tiebo im örtlichen Fernsehen. Einige Menschen seien 20 Meter tief verschütte­t, berichtet der Staatssend­er CCTV. Ursache für den Bergrutsch ist nach Meinung von Experten lang anhaltende­r Regen, der den Boden aufgeweich­t hat. Geologen zufolge seien in den vergangene­n Jahren zu viele Bäume gefällt, zu viele Schneisen geschlagen worden. Jetzt drohen neue Probleme: Die herabstürz­enden Geröllmass­en haben einen Fluss aufgestaut. Nun bildet sich ein instabiler See. Auch in den kommenden Tagen soll es regnen.

Überlebend­e berichten, dass das Unheil unglaublic­h plötzlich über sie hereingebr­ochen ist. „Wir hörten ein lautes Geräusch von hinten aus unserem Haus“, erzählt ein junger Mann im Krankenhau­s einem TV-Reporter. „Es gab Wind, Durchzug, und ich wollte die Tür zumachen.“Doch dann sei auf einmal Wasser von allen Seiten über seine Familie hereingebr­ochen, berichtet der Mann stockend. Er konnte sich rennend retten. Die Zeitung Sichuan Daily berichtet online, dass eine dreiköpfig­e Familie mit einem Baby sich vor den heranrolle­nden Gesteinsma­ssen retten konnte. „Unser Kind hat mich gerettet“, berichtet der Familienva­ter. Er sei aufgestand­en, um nach dem Baby zu sehen, das geschrien habe. Da habe er Anzeichen des Erdrutsche­s bemerkt. Er habe sich das Kind geschnappt, laut rufend seine Frau geweckt und sei losgerannt, während sich dicht hinter den dreien die Lawine über ihr Haus wälzte.

Die Wetterverh­ältnisse machen es den rund 3000 Rettern auch am Sonntag noch schwer. Sie lauschen nun vor allem den Hilferufen, die unter den Gesteinsbr­ocken zu hören sind. Viele graben mit Schaufeln und bloßen Händen. Doch die Hoffnung auf Überlebend­e ist Experten zufolge „sehr gering“. (mit dpa)

 ?? Foto: Ng Han Guan, AP, dpa ?? Wo das Dorf Xingmo war, liegt jetzt eine granitschw­arze Geröllland­schaft. Manche Opfer sind 20 Meter tief verschütte­t.
Foto: Ng Han Guan, AP, dpa Wo das Dorf Xingmo war, liegt jetzt eine granitschw­arze Geröllland­schaft. Manche Opfer sind 20 Meter tief verschütte­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany