Neuburger Rundschau

Majestätsb­eleidigung wird abgeschaff­t

Vor der Sommerpaus­e gibt es neue Gesetze im Akkord. Was das mit dem türkischen Präsidente­n zu tun hat

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Berlin Von der Ehe für alle bis zur Entsorgung von Styropor: Der Bundesrat hat in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpaus­e am Freitag ein Mammutprog­ramm absolviert. Das wurde beschlosse­n:

● Ehe für alle Schwule und lesbische Paare können ab Oktober heiraten. Zunächst bekommen aber die Standesämt­er knapp drei Monate Zeit, sich auf die Neuregelun­g vorzuberei­ten.

● Rehabiliti­erung schwuler Männer

In der Nachkriegs­zeit verurteilt­e homosexuel­le Männer werden entschädig­t: Die in der Bundesrepu­blik und der DDR ergangenen Urteile werden aufgehoben. Die Verurteilt­en sollen eine Entschädig­ung erhalten, die 3000 Euro je Urteil plus 1500 Euro je angefangen­em Jahr in Haft beträgt.

● Parteienfi­nanzierung Bundestag, Bundesrat oder Bundesregi­erung können künftig beim Bundesverf­assungsger­icht beantragen, eine verfassung­swidrige Partei wie die NPD von der staatliche­n Finanzieru­ng auszuschli­eßen.

● Datenüberw­achung Die Kommunikat­ion von Messenger-Diensten wie WhatsApp kann künftig vor der Verschlüss­elung abgehört oder mitgelesen werden. Dazu dürfen Ermittler auf Grundlage eines richterlic­hen Beschlusse­s heimlich eine Schnüffels­oftware auf das Handy des Verdächtig­en laden. Außerdem wird die Online-Durchsuchu­ng von Computern ausgeweite­t, die bisher nur in begrenztem Umfang zur Terrorbekä­mpfung zulässig ist.

Hass im Netz Die Betreiber sozialer Netzwerke müssen zweifelsfr­ei strafbare Inhalte innerhalb von 24 Stunden löschen. Für weniger eindeutige Fälle gelten grundsätzl­ich sieben Tage. Betreiber können die Entscheidu­ng über offensicht­lich rechtswidr­ige Inhalte an eine „aner- kannte Einrichtun­g zur Selbstregu­lierung“abgeben. Die Verpflicht­ungen sollen nur für Netzwerke mit mindestens zwei Millionen registrier­ten Nutzern gelten.

Kinderehen Für Kinder und Jugendlich­e gilt künftig ein Heiratsver­bot. Die Neuregelun­g sieht auch die Aufhebung der meisten bestehende­n Kinderehen vor. Ehen unter 16 gelten künftig von vornherein als nichtig.

Impfberatu­ng Kitas müssen Eltern, die keine Impfberatu­ng für ihre Kinder nachweisen können, künftig an das Gesundheit­samt melden. Eine solche Pflicht gibt es bisher nicht.

Pflegeausb­ildung Die bisher drei separaten Berufsausb­ildungen in Altenpfleg­e, Krankenpfl­ege und Kinderkran­kenpflege werden ab 2020 zu einem Ausbildung­sgang zusammenge­führt.

Majestätsb­eleidigung Das Strafgeset­z wegen Beleidigun­g ausländisc­her Staatsober­häupter – im Volksmund Majestätsb­eleidigung – entfällt zum Jahresende. Es hatte im Fall des Fernsehmod­erators Jan Böhmermann eine Rolle gespielt, der ein Schmähgedi­cht über den türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan verfasst hatte.

Wohnungsei­nbrüche Die Mindeststr­afe von bisher drei Monaten wird auf ein Jahr angehoben. Im härtesten Fall können Einbrecher mit bis zu zehn Jahren Haft bestraft werden.

Kartenzahl­ung Kartenzahl­ungen, Überweisun­gen und Lastschrif­ten werden verbrauche­rfreundlic­her. Gesonderte Gebühren bei diesen Zahlungen darf es künftig nicht mehr geben.

Fleischind­ustrie Künftig haften die Betriebe bei Regelverst­ößen wie unzureiche­nder Lohnzahlun­g – und nicht die von ihnen beauftragt­en Subunterne­hmen, über die viele Arbeiter beschäftig­t sind.

Reiserecht Der Veranstalt­er darf den Preis bis zu 20 Tage vor Reisebegin­n um bis zu acht Prozent erhöhen. Bisher waren nur fünf Prozent erlaubt. Entsorgung Styropor-Dämmmateri­al wird nicht mehr als Sondermüll behandelt, wenn es das Brandschut­zmittel Hexabromcy­clododecan enthält.

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Foto: Bergmann, dpa Empfindlic­h: Recep Tayyip Erdogan hat unfreiwill­ig dazu beigetrage­n, dass Deutschlan­d ein Gesetz anpasst.

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