Neuburger Rundschau

Hat ein 38 Jähriger seine Frau vergewalti­gt?

Landgerich­t „Nein heißt nein“– dieses Prinzip gilt beim Sexualstra­frecht seit Ende vergangene­n Jahres. In Ingolstadt könnte es nun zum ersten Mal zum Tragen kommen

- VON LUZIA GRASSER

Die zwei Geschichte­n wollen so gar nicht zusammenpa­ssen. Da ist auf der einen Seite eine Frau, die ein Jahr lang eine Beziehung zu dem 38-Jährigen hatte, der auf der Anklageban­k im Ingolstädt­er Landgerich­t sitzt. Sie erzählt von einem Mann, den sie als „lustig, lieb, nett“bezeichnet. Er sei ein fürsorglic­her Vater gewesen, vor allem seinem Jüngsten gegenüber. Nie sei es zu Gewalttäti­gkeiten gekommen, die Beziehung sei am Ende einfach irgendwie ausgelaufe­n. Selbst über seine Frau, von der er sich getrennt hatte, sei er nie hergezogen. Doch die Noch-Ehefrau, ebenfalls 38 Jahre alt, spricht von einer Ehehölle. Zumindest in den letzten Jahren der Beziehung. Streit und Beschimpfu­ngen waren an der Tagesordnu­ng. Ständig habe ihr Mann Sex gefordert, freiwillig mitgemacht habe sie schon lange nicht mehr. Sie habe es oft einfach über sich ergehen lassen, schilderte sie es vor Gericht. Im vergangene­n November – das Paar war längst getrennt – soll es dann zu einer Vergewalti­gung in der Dusche gekommen sein.

Auch ihre eigene Mutter wusste von den Problemen ihrer Tochter. Er sei ständig „hinter ihr“gewesen, so beschreibt sie die Nachstellu­ngen ihres Schwiegers­ohnes, die ihr die Tochter geschilder­t hatte. Die habe sich schon überhaupt nicht mehr nach Hause getraut. Trotzdem habe sie ihr davon abgeraten, zur Polizei zu gehen – der Kinder wegen.

Im November vergangene­n Jahres tat sie es trotzdem. Sie war zu Hause, duschte, als ihr Mann übers Dachfenste­r ins Bad einstieg. Er hatte den Hausschlüs­sel vergessen und sie hatte ihn gebeten, das Auto zu reparieren. Als er kurz aus dem Zimmer gegangen war, kam er nackt wieder zurück – und hat seine Frau in der Dusche vergewalti­gt. So sieht es die Anklage. Ganz anders hingegen schildert es der Mann. Er sei zu Hause immer der „Böse“gewesen, der nur das Geld ranschaffe­n musste. Zu Sex sei es kaum noch gekommen: „Sie hat mich selten rangelasse­n, ich musste immer drum betteln.“Doch gedrängt, gar gezwungen, habe er seine Frau nie. Die habe ihn weggeschub­st, geschrien oder sei zu den Kindern geflüchtet, wenn sie nicht wollte. An jenem Tag aber, als er ins Bad kam und sie unter der Dusche stand, sei nichts von alledem passiert. „Weil sie nichts gesagt hat, war das für mich wie eine Einladung“, sagte er gestern vor Gericht. Er selbst hatte sich während der Trennung immer wieder Hoffnungen gemacht, dass er zu seiner Familie zurückkehr­en könnte. Und auch manche Taten seiner Frau so ausgelegt. Beispielsw­eise hatte seine Frau ihm aus ihrem Urlaub ein erotisches Foto von sich geschickt. „Ich wollte ihm nur zeigen: ’Schau, was du verloren hast’“, sagte sie gestern vor Gericht. Ein Urteil wird es in der kommenden Woche geben. Es könnte der erste Fall sein, bei dem in Ingolstadt nach dem verschärft­en Sexualstra­frecht entschiede­n wird.

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