Neuburger Rundschau

Mehr Geld für Alleinerzi­ehende

Soziales Der Anspruch auf Unterhalts­vorschuss wird ausgeweite­t. Das Jugendamt rechnet mindestens mit einer Verdoppelu­ng der Fallzahlen im Landkreis. Was das bedeutet

- VON DOROTHEE PFAFFEL

Eine junge Frau bekommt ein Kind. Ihr Exfreund weigert sich allerdings, die Vaterschaf­t anzuerkenn­en, solange sie nicht durch einen Test bewiesen ist. Folglich zahlt er auch keinen Cent Unterhalt. Die alleinerzi­ehende Mutter ist verzweifel­t. Sie verdient schlecht oder ist sogar arbeitslos. Sie ist also auf die Unterhalts­zahlung des Vaters angewiesen. Außerdem ist dieser gesetzlich dazu verpflicht­et. Was tun? Die junge Frau geht ins Jugendamt und beantragt einen Unterhalts­vorschuss. Dies sei der klassische Fall, wie sie ihn täglich erlebten, schildert Beate Herrmann, die sich bereits seit 2004 am Jugendamt Neuburg-Schrobenha­usen mit dem Unterhalts­vorschussg­esetz auseinande­rsetzt. Ab Juli gibt es in diesem Bereich zwei erhebliche Änderungen.

Einen Unterhalts­vorschuss erhalten alle Alleinerzi­ehenden, die keinen oder nicht regelmäßig Unterhalt von dem anderen Elternteil erhalten, erklärt Johann Kreutzer, Verwaltung­sleiter im Jugendamt. Bisher hätten diesen Vorschuss aber nur Kinder bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahr­s bekommen, fährt Sachbearbe­iterin Bianca Kleber fort. Außerdem sei die Zahlung auf 72 Monate begrenzt gewesen. Nun hat der Bundestag ein Gesetz beschlosse­n, dass – sobald es vom Bundespräs­identen unterschri­eben ist – rückwirken­d zum 1. Juli auch Alleinerzi­ehenden mit Kindern im Alter zwischen zwölf und 18 Jahren einen Unterhalts­vorschuss gewährt. Die bisherige Höchstbezu­gsdauer von 72 Monaten wird für alle Kinder aufgehoben.

Laut Kreutzer erhalten im Landkreis 250 Kinder (Stand Juni) einen Unterhalts­vorschuss. „Durch das neue Gesetz rechnen wir mit einer Verdoppelu­ng, wenn nicht sogar mit einer Verdreifac­hung der Fälle“, sagt Kreutzer. Allein in den ersten vier Tagen im Juli seien bereits 36 Anträge abgegeben und zusätzlich 124 Anträge gestellt worden. Zum Vergleich: Im Jahr 2016 waren es insgesamt nur 89 neue Fälle, also pro Woche zwei bis drei. Aber auch schon im ersten Halbjahr 2017 – noch vor der aktuellen Gesetzesän­derung – sind die Vorschussz­ahlungen gestiegen: 2016 wurden im Landkreis rund 400000 Euro ausbezahlt, in den ersten sechs Monaten 2017 waren es bereits 250 000 Euro.

Um der Antragsflu­t Herr zu werden, hat das Landratsam­t eine neue Vollzeitkr­aft eingestell­t: Kathrin Kreitmeier. Kreutzer: „Ob die Antragsste­ller trotzdem mit längeren Bearbeitun­gszeiten rechnen müssen, ist noch nicht absehbar. Das hängt davon ab, wie viele Anträge tatsächlic­h eingehen.“Kleber weist darauf hin: Nur wer seinen Antrag noch im Juli stelle, bekomme auch wirklich ab Juli rückwirken­d (nicht sofort) seinen Vorschuss. Ansonsten gilt das Datum, an dem der Antrag eingegange­n ist. Der Antrag kann persönlich im Amt oder per Post gestellt werden. Das Formular gibt es auch zum Download im Internet.

Ist der Unterhalts­vorschuss gewährt, geht der Anspruch des Kin- auf den Freistaat Bayern über. Damit dieser sein Geld irgendwann wieder bekommt, haben die Jugendämte­r verschiede­ne Möglichkei­ten: Sie können die Unterhalts­pflichtige­n dazu anhalten, sich eine Arbeit oder einen Nebenjob zu suchen. Sie können die Alleinerzi­ehenden zur Polizei schicken, um Anzeige zu erstatten – Unterhalts­pflichtver­letzung ist nämlich eine Straftat. Und sie können Pfändungen durchführe­n. 58 waren es laut Jugendamt im vergangene­n Jahr. Dadurch flossen von den 400 000 Euro immerhin 125 000 zurück. Der Rest wird über Steuergeld­er finanziert. „Die Rückholquo­te war schon mal besser“, gibt Kreutzer zu. Woran das liegt? Hier spielen mehrere Aspekte eine Rolle, zum Beispiel die steigende Zuwanderun­g. Außerdem wird die wirtschaft­liche Situation vieler Menschen schlechter – es gibt viele Geringverd­iener –, während die Unterhalts­beiträge regelmäßig steigen. „Wir haben durchaus einige, die Unterhalt zahlen wollen, es aber einfach nicht können“, erzählt Sachbearbe­iterin Herrmann. Anderersei­ts würde man schon auch merken, dass die Zahlungsmo­ral in der Gesellscha­ft schlechter werde, fügt Kreutzer hinzu.

Hinzu kommen diejenigen, die diese Sozialleis­tung einfach ausnutzen wollen, wie Kleber berichtet: Frauen, die nur behaupten, den Vater nicht zu kennen und auf diese Weise doppelt Unterhalt kassieren wollen, oder vermeintli­ch Alleinerzi­ehende, die überhaupt nicht in Trennung leben. So hat eine Mitarbeite­rin zufällig einmal ein angebdes

lich getrenntes Pärchen Händchen haltend in der Stadt gesehen. Manchmal bekommt das Jugendamt auch anonyme Hinweise. Solchen Fällen geht die Behörde dann nach und stellt die Vorschussz­ahlungen gegebenenf­alls ein.

Das Wichtigste sei dabei jedoch immer – da sind sich alle Mitarbeite­r der Abteilung einig –, dass der Unterhalt sichergest­ellt ist und die Kinder versorgt sind. O

Kontakt Das Jugendamt ist Montag bis Freitag von 8 bis 12 Uhr geöffnet. Für persönlich­e Vorsprache­n wird eine te lefonische Terminvere­inbarung drin gend empfohlen. Adresse: Rückgebäud­e, Platz der Deutschen Einheit 1, 86633 Neuburg. Telefon: 08431/57 327 (Herr mann), 370 (Kleber) und 179 (Kreit meier). Fax: 08431/57 99278.

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Foto: pusteflowe­r9024, Fotolia Beim Unterhalts­vorschussg­esetz gibt es zwei wichtige Änderungen. Sie betreffen das Alter der Kinder und die Höchstbezu­gsdau er.
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Foto: dopf Beate Herrmann, Bianca Kleber und Ka thrin Kreitmeier (v. l.) arbeiten in der Abteilung Unterhalts­vorschuss.

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