Von gestern, von heute
Typisch Presse von heute!“Er war schon in Rage, bevor er mit seinem Tablet unter dem Arm auf den Grantlerstein springt. Er, Schultern eines Gewichthebers, Bauch gemütlicher, mitten im Leben, wütend grob fünf Jahre älter. Er holt aus und hebt dabei sein Tablet hoch: „Der Artikel ist reißerisch und schlecht bis gar nicht recherchiert!“Auf dem Sèter Platz stehen am abklingenden Sommertag überraschend viele Verstreute. Es scheinen mehr zu werden. Drei heben die Daumen in die Höhe wie drei kleine Büchertürme zum Grantler hin gereckt. Er freut sich.
Ein Mädchen fragt aus der Menge heraus: „Was denn? Welcher Artikel? Welche Recherche?“Er: „Ist doch egal. Die Zeitung wird doch immer schlechter. Und lügen tut sie auch.“Sie guckt gespannt, gesprächsbereit: „Da fehlt doch irgendwas.“„Was?“„Argumente?“„Weiß man doch!“„Äh... Fakten?“„Liefern die doch auch nicht!“„Okay“, sagt das Mädchen, „dann wenigstens den Wunsch zu diskutieren! Irgendwas musst du doch damit bezwecken wollen? Entweder, dass ein Journalist seine Fehler zugibt, die korrigiert, ja, oder das ganz große Ding anzuzetteln und durch die Kritik die Presselandschaft zu verändern.“Die Menschen drehen sich von ihr ab.
Er: „Warum sollte ich mir die Mühe machen? Es wird doch nur das geschrieben, was die da oben wollen!“Sein Finger wandert den Bücherturm hoch. „Du glaubst also nicht daran, etwas verändern zu können, hast keine Lust, mit jemandem zu diskutieren, willst aber ernst genommen werden?“„Ist mir egal, wer mich hier ernst nimmt. Ich sag mein Zeug. Und wie du siehst, bin ich nicht der einzige, der so denkt.“Er zeigt in die Reihen ums Grantlereck. Selten so viele Menschen dort gesehen.
Langsam hat sich ein Chor gebildet. Erst leise, dann lauter. Allein, dass niemand den gleichen Text singt, unterscheidet die Menge vom klassischen Kirchenchor. Das Mädchen lauscht und liest aus dem Wortmorast Satzbruchstücke heraus, die sie schon hunderte Mal im Internet gelesen hat. „Lügenpresse. Schon wieder ein... Wenn sie keine anderen Probleme haben.“Niemand diskutiert, der Chor stellt nur fest.
Das Mädchen winkt ab: „Gut, ich wollte eh nur loswerden, dass ich nur selten einer Meinung mit dem bin, was hier und da geschrieben wird. Aber darüber lässt sich ja reden. Ich mag meine Meinung. Manchmal ändere ich sie auch. So geht das Spiel.“Das Mädchen läuft Richtung Schrannenplatz. Da haben sich mehr Menschen versammelt. Die sieht sie lieber. Sie hört aus der Ferne, wie er ruft: „Typisch Jugend von heute!“Vom Grantler