Mikrokosmos Flohmarkt
Hobby Unter allen Verkäufern und Trödelliebhabern stechen die Eheleute Buckl hervor. Sie erzählen von ihrer Leidenschaft für Altes von Galina Bauer
Wenn auf dem Flohmarkt am Südpark eine Steirische Harmonika ertönt, dann kann es nur Klaus Buckl sein. Er hat eine Lederhose an, sitzt auf zwei Obstkisten neben seinem Anhänger und musiziert vor sich hin. Für ihn und seine Frau Rita Buckl ist der Trödelmarkt mehr als stöbern und feilschen. Es ist ein Lebensgefühl.
Die Eheleute beladen ihren Anhänger seit 16 Jahren mit Kunst und Krempel und stellen alles einmal im Monat am Südpark aus. Einige Sachen haben sie schon oft verstaut, eine Videokamera aus den 50er Jahren zum Beispiel. Verkauft haben sie das Gerät noch nicht. „Die Sachen müssen den Käufer finden, manchmal dauert es eben“, sagt Klaus Buckl. Ihre Ware ergattert das Ehepaar häufig bei Wohnungsauflösungen – eine intime Angelegenheit.
Wenn Klaus und Rita Buckl die Wohnung eines Fremden betreten, tauchen sie in dessen Welt ein. Aufgelöst wird meistens dann, wenn die Person gestorben ist. Respekt sei wichtig. Sowohl dem Verstorbenen gegenüber als auch dessen Hab und Gut. Die Angehörigen haben keine Verwendung für die Gegenstände. Für die Buckls hat jedes Teil seine eigene Geschichte. Die beiden sehen sie. Und was sie nicht sehen, das konstruieren die Eheleute. Sie fragen sich, was für ein Mensch das gewesen sein muss. Welche Geschichte hinter dieser und jener Kerbe im Holz steckt? „Wir wissen einfach nie, was uns hinter der Tür erwartet. Das macht es so spannend.“Das Ehepaar geht von Raum zu Raum, öffnet Kleiderschränke und Schubladen, blättert Unterlagen durch, tastet die Oberfläche von Kommoden und Stühlen ab, sucht nach Jahr, Ort, Hersteller und anderen Hinweisen. In Schuhkartons sind sie häufig fündig geworden. „Es ist verrückt, was die Leute dort lagern. Alte Pässe, Dokumente und Geld.“Abgelegtes Kapital, leicht verstaubt. Kürzlich ergatterten sie mehrere Röhrenradios und eine antike Wanduhr. „Der ehemalige Besitzer hat die Radios gesammelt. Sie sind 60 bis 70 Jahre alt, viele davon noch in sehr gutem Zustand.“
Doch nicht jeder denkt so. „Oft räumen die Menschen Regale und Schubladen aus und schmeißen die Sachen auf den Boden. Sie wühlen darin“, sagt der 55-Jährige und fügt hinzu: „So was kann ich nicht sehen, in solchen Fällen gehe ich.“
Bevor die Buckls ihre Ware am Südpark ausstellen können, dreht Manfred Rehm auf einem Segway seine Runden auf dem Parkplatz. Der großgewachsene Mann mit Rauschebart, gütigem Blick und Sicherheitsweste organisiert den Flohmarkt. Schon am Abend zuvor sperren seine Männer den Parkplatz ab. Halteverbotsschilder werden auf der B 16 aufgestellt. Mittlerweile parkt dort niemand mehr. „Wir greifen durch“, sagt Rehm. Sonst ist der Südpark am Sonntag menschenleer, am Flohmarktwochenende aber muss die Frühschicht schon um drei Uhr ran. 5000 Besucher und 250 Aussteller sind keine Seltenheit.
Während andere Verkäufer um vier Uhr morgens Plätze belegen, kommen die Buckls erst um halb sechs. Der Schattenplatz neben einem Imbissstand ist ihnen sicher. Sie sind Stammkunden. Während Flohmarktbesucher in der heißen Mittagssonne Bratwürste essen, feilschen die Buckls auf ihrem schattigen Platz um jeden Euro. In all den Jahren haben sie kaum einen Termin verpasst. Nur am Muttertag und dem Tag der Deutschen stellen sie nicht aus, diese Tage sind für die Familie reserviert.
Die ersten Besucher kommen um sieben Uhr. Dem Ehepaar bleibt genügend Zeit, um ihre Ware auf einem Tisch auszubreiten. Spielzeug, Kleidung und Bücher findet man bei ihnen kaum. Auch die Art, wie die Buckls ihre Schätze anrichten, ist entscheidend.
Beim Ehepaar ist jeder Handgriff aufeinander abgestimmt. Während ihr Mann die Klapptische aufstellt, holt Rita ein violettes Tuch aus Seide. Zusammen breiten sie es auf dem Tisch aus. Früher war das ein Vorhang, heute veredelt er den Stand der Familie. Schnell noch an zwei Ecken zurechtgezupft – drei Meter Verkaufsfläche sind bereit.
Dann geht alles ganz schnell. Die unhandlichen Röhrenradios platzieren sie als Erstes. Die Videokamera hat ihre besten Tage schon hinter sich. Klaus Buckl hievt sie behutsam aus seinem Anhänger. Wie einen Patienten. Das gilt auch für die Wanduhr. Blechdosen, Notenhefte und Anstecker folgen. Viele Stücke verschiebt Rita nachträglich. Dafür macht sie einen Schritt zurück. Ein kurzer Blick genügt. Die Gitarre rückt sie zwei Zentimer nach links, Krug und Glaskaraffe wandern weiter nach vorne. Dann beschließt Rita Buckl, die Notenhefte fächerförmig auf dem Plattenspieler auszubreiten. Direkt neben der Kasse schiebt sie einen Karton unter das Tuch, eine zweite Ebene entsteht. So kommt die Vase zur Geltung. Das alles in 20 Minuten. Ein Jesuskreuz hat es Klaus Buckl angetan. Es ist beschädigt. Die Farbe ist an vielen Stellen abgesplittert, der untere Teil fehlt. „Ein Fachmann sagte mir, dass darunter noch eine Marienfigur war.“Experten sind beide nicht. Über die Jahre lerne man aber dazu. Beim Preis ist sich das Ehepaar immer einig. Die antike Wanduhr: 95 Euro. Ein defektes Radio: 40 Euro. „Natürlich bekommt man solche Sachen schwieriger los als ein T-Shirt für einen Euro. Aber genau das macht uns Spaß“, sagt Klaus Buckl. Das Radio verkaufen sie schnell – ohne feilschen. Bei der Wanduhr wird Klaus handeln müssen, 65 Euro ist seine Schmerzgrenze. Etwa gegen neun Uhr findet sich ein Interessent. 50 Euro ist sie ihm wert. Er will sie restaurieren. Es geht eine Weile hin und her. Ein PreisangeEinheit bot jagt das nächste. Am Ende behält der 55-Jährige die Uhr. „Unter Wert möchte ich die Sachen nicht verkaufen“, erzählt Klaus Buckl. Das Geschäft läuft heute nicht. Wenn schönes Wetter ist, dann sei das häufig so. „Dann kommen Menschen, die nur über den Flohmarkt schlendern wollen.“Interessierte sichten den Flohmarkt auch bei Regen. Kleidung verkaufe sich schneller, sagt Klaus Buckl mit Blick auf den Nachbartisch. „Nur das Rumwühlen würde mich nerven.“
Der Stand nebenan gehört den Geschwistern Magdalena, Franziska und Thomas Mair aus Weilach. Das Rumwühlen ist ihnen auch aufgefallen. Im Minutentakt kommen Flohmarktbesucher, stöbern in ihren Klamotten und schmeißen sie hin. Einige Besucher greifen zu, bei zwei Euro pro Stück füllt sich die Kasse aber nur langsam. Die drei sind zum ersten Mal auf dem Flohmarkt. „Man mag es kaum glauben“, erzählt Thomas Mair und lacht. „Aber als Erstes haben wir spontan den Kombi unserer Eltern an einen anderen Aussteller verkauft.“Ursprünglich wollten die drei nur getragene Kleidung, ein paar Bücher und ihren Computer verkaufen. Gelegenheitshändler eben.
Auch die Buckls haben einst so angefangen. Notgedrungen. „Unsere Tochter ist so schnell aus ihren Sachen rausgewachsen“, erzählt Rita Buckl. „Wegschmeißen wollten wir die Kinderkleidung nicht und so kamen wir auf den Flohmarkt.“16 Jahre ist das nun her. Mittlerweile gehören Klaus und Rita Buckl zum Mikrokosmos Flohmarkt. Ihr außergewöhnlicher Stand ist nicht zu übersehen. Geschweige denn zu überhören.
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Der nächste Flohmarkt findet am Sonntag, 16. Juli, am Südpark statt. Von 7 bis 14 Uhr können Besucher dort stöbern und feilschen.