Neuburger Rundschau

Auf der Fraueninse­l leistete sie großartige Aufbauarbe­it

Serie Irmgard von Chiemsee gilt als zweite Klostergrü­nderin. Warum sie nach ihrem Tod über 370 Jahre kopflos war

- VON DR. MANFRED VEIT

Es waren für Bayern nicht ganz einfache Zeiten, als sich Bayernherz­og Tassilo III. mit Karl dem Großen anlegte und dafür 788 entmachtet wurde. Darunter litten auch viele der von ihm gegründete­n Klöster, wie das Frauenstif­t aus dem Jahr 766 auf der Insel Frauenwört­h, der heutigen Fraueninse­l, im Chiemsee. Es kam herunter und drohte zu verfallen.

Der Enkel Karls des Großen, Ludwig der Deutsche, König des ostfränkis­chen Reiches, hatte drei Töchter. Diese ließ er in dem von ihm gestiftete­n, seit 816 nach der Benediktin­erregel wirkenden Kloster Buchau auf der Insel im Federsee ausbilden. Die zweite Tochter Irmgard, die um 831 in Regensburg geboren wurde, nahm dort den Schleier und soll Äbtissin geworden sein. Vor 857 versetzte sie ihr Vater nach Frauenchie­msee, um das am Boden liegende Kloster wieder hochzubrin­gen.

Irmgard erledigte diese Aufgabe mit voller Kraft, baute unermüdlic­h auf und weiter aus und förderte die Spirituali­tät im Konvent. Deshalb ist sie auch als zweite Klostergrü­nderin überliefer­t. Dazu erlangte sie wegen ihres frommen und gottgefäll­igen Lebens schnell den Ruf der Heiligkeit. Gleich nach ihrem Tod auf Frauenchie­msee im Jahr 866 verbreitet­e sich ihre Verehrung so stark, dass sie selbst als Tote über Jahrhunder­te keine Ruhe fand.

Im Jahr 1004 öffnete man erstmals ihr Grab und legte ihre Gebeine in einen Marmorsark­ophag, zusammen mit einer gravierten Bleiplatte, auf der eine Kurzbiogra­fie ihres Lebens steht, und bestattete sie unter einer Säule der Klosterkir­che. Auf der Bleiplatte ist ihr Todestag vermerkt: „Am 16. Juli legte sie ihren Leib ab.“

Im Oktober 1631 entnahm man ihre sterbliche­n Überreste aus dem Erdgrab, um sie zur Ehre des Altares zu erheben. Damals war man überrascht, dass dem ansonsten vollständi­gen Gerippe der Kopf fehlte. Den hatte sich bei der ersten Öffnung des Grabes der Abt des nahegelege­nen Klosters Seeon wohl in der Hoffnung auf regen Pilgerzusp­ruch für seine Abtei angeeignet. Der Wunsch des Abtes erfüllte sich nicht und der Reliquienr­aub geriet in Vergessenh­eit. Erst im 17. Jahrhunder­t kam er wieder ins Bewusstsei­n.

Schließlic­h strebte Kardinal Faulhaber von München-Freising 1922 den Seligsprec­hungsproze­ss an, der durch Papst Pius XI. 1928 erfolgreic­h abgeschlos­sen wurde. Die Reliquien Irmgards kamen in einen Glasschrei­n in den Altar der Kapelle hinter dem Hochaltar. Gleichzeit­ig wurde auch der Kopf aus Seeon zurückgebr­acht.

Aber erst nach der eindeutige­n Zuordnung durch DNA-Bestimmung kam auch das Haupt im Jahr 2003 zu seinem Körper im Glassarg zurück. Ab jetzt wird Irmgard hoffentlic­h endgültig ihre Ruhe gefunden haben.

Die selige Irmgard ist Patronin des Chiemgaus und soll – warum auch immer – bei Kinderwuns­ch helfen.

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Foto: Wolfgang Sauber, Sarleinsba­ch OÖ Die selige Irmgard von Chiemsee auf dem Deckel des ehemaligen Hochgrabs in der Klosterkir­che von Frauenchie­m see.

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