Neuburger Rundschau

Die Frage der Woche

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Mitleid sollte man schon mal mit jedem haben, dem Franz Josef Wagner in der Bildzeitun­g einen Brief schreibt. Meist sind das ja keine netten Briefe, sonst hätte der Mann auch nicht so viele Leser. An Boris Becker hat er vor wenigen Tagen geschriebe­n: „Wer glaubst Du, wer Du bist? Ein höherer Mensch, der nichts mit dem kleinen Mann auf der Straße zu tun hat?“Vielleicht zählt Wagner zu denen, die den Ton vorgeben, vielleicht fällt er auch nur mit ein. Wenn es um Becker geht, lässt es sich immer leicht krakeelen. Weil ja die Fehler, die er in seinem zweiten Leben macht, so offensicht­lich erscheinen wie die damals auf dem Tennisplat­z. Damals stöhnten die Deutschen vor Entsetzen, aber verziehen schnell. Weil die Gegner ja auch Pete Sampras oder Ivan Lendl hießen. Tennisgött­er wie er, da kann man schon mal verlieren. Da war er der 17-jährigste Leimener, und der Schriftste­ller Martin Walser schrieb, er fühle sich bei seinem Anblick an Heiligenfi­guren erinnert. Heute ist er ein 49-jähriger Sportmoder­ator, kämpft auf normalirdi­schem Terrain, ringt also ums Familiengl­ück, um das finanziell­e Überleben, und wenn er nun ein Bild von sich postet wie zuletzt mit dem berühmten Wimbledon-Bussard, schreibt ein Scherzkeks drunter: „Seht, die Pleitegeie­r kreisen schon...“Hahaha.

Da tut er einem leid. Natürlich. Häme ist hässlich, gilt als deutsch, ist nie verdient. Dass sie den Geschmähte­n klein macht, den Schmähende­n aber noch mehr, ist eine andere Sache. Über dem Eingang zum Centre Court von Wimbledon hängt ein Schild mit zwei Zeilen aus einem Gedicht von Rudyard Kipling, übersetzt lauten sie: „Wenn du mit Sieg und Niederlage umgehen kannst / Und diese beiden Blender gleich behandeln kannst.“Man scheitert allzu leicht daran.

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STEFANIE WIRSCHING
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