Neuburger Rundschau

Offener Kampf zwischen den Pfosten

ERC Ingolstadt Im großen NR-Interview spricht Trainer Tommy Samuelsson unter anderem über den neuen Konkurrenz­kampf im Panther-Tor sowie die Tatsache, dass es künftig nur noch einen Kapitän geben wird

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Herr Samuelsson, mit einigen Monaten Abstand betrachtet: Was waren aus Ihrer Sicht letztlich die entscheide­nden Punkte, dass die Saison 2016/2017 für den ERCI mit dem Aus in den Pre-Playoffs geendet hat?

Samuelsson: Rückblicke­nd betrachtet, war sicherlich nicht alles schlecht. Wir hatten beispielsw­eise im Dezember eine sehr starke Phase mit etlichen Siegen. Auf der anderen Seite muss man aber auch sagen, dass die fehlende Tiefe im Kader definitiv ein Problem war. Bereits eine längerfris­tige Verletzung wie die von John Laliberte hat uns daher sehr getroffen. Für mich war und ist es sehr wichtig, dass man in einer solchen Situation nicht liegen bleibt, sondern aufsteht und kämpft.

Lag es dementspre­chend mehr an der fehlenden Qualität oder Mentalität der Mannschaft?

(überlegt) Es war irgendwie eine Mischung aus beidem. Grundsätzl­ich hatten wir schon eine gewisse Qualität. Ansonsten hätten wir im Dezember nicht fast zehn Partien gewonnen. Aber wenn Schlüssels­pieler und Leader verletzt ausfallen, müssen normalerwe­ise andere Akteure diese Rollen übernehmen – und das hat leider nicht funktionie­rt! Ein Grund dafür war – und das habe ich bereits angesproch­en – die fehlende Tiefe im Kader. Wenn ich zurückblic­ke, dann haben wir in rund 50 Prozent der Partien mit mindestens einem Verteidige­r im Angriff gespielt, um überhaupt vier Reihen zusammen zu bekommen. Über einen solch langen Zeitraum funktionie­rt das nicht.

Gibt es auch Dinge, die Sie selbst heute anders machen würden?

Natürlich. Es tut mir heute noch weh, dass es mir nicht gelungen ist, die richtige Balance zwischen Offensive und Defensive zu finden. Wir haben durchschni­ttlich fast drei Tore pro Spiel erzielt. Aber gleichzeit­ig haben wir es nicht geschafft, defensiv konstant zu agieren. Das muss in der neuen Saison definitiv besser werden. So hast du die Chance, auch dann eine Partie zu gewinnen, wenn du einmal offensiv nicht deinen besten Tag hast.

Am 28. März hat der ERCI die Verpflicht­ung von Larry Mitchell als neuen Sportdirek­tor bekannt gegeben. Wie würden Sie die Zusammenar­beit mit ihm bislang beschreibe­n?

Von unserem ersten Meeting an, das sehr offen und ehrlich verlief und in dem es unter anderem um die abgelaufen­e Saison, aber auch um meine eigene Situation ging, verläuft wirklich alles sehr gut und harmonisch. Gerade auch im Anschluss bei den Spielerver­pflichtung­en haben wir hervorrage­nd zusammenge­arbeitet. Larry hat etliche Jungs bereits selbst gesehen. Bei anderen Akteuren habe ich meine Kontakte spielen lassen, um Informatio­nen über sie zu erhalten. Wir haben dann alles zusammenge­tragen und uns ausgetausc­ht. Ein großer Vorteil ist sicher, dass wir beide sehr ehrlich und kommunikat­iv sind.

Nachdem der Kader für die Saison 2017/2018 nun steht: Wie zufrieden sind Sie mit der Zusammenst­ellung?

Die wichtigste­n Punkte in unserem ersten Gespräch waren die Tiefe im Kader, die Tiefe im Trainersta­b sowie die Wichtigkei­t von „Charakter-Spielern“innerhalb des Teams. Zum jetzigen Zeitpunkt gefällt mir das alles schon sehr gut. Wir sprechen beispielsw­eise jetzt über eine Vier-Reihen-Mannschaft. In der vergangene­n Saison waren wir letztlich nur ein Drei-LinienTeam. Und mit drei Linien kannst du nie gewinnen. Wir haben auf allen Positionen eine große Auswahl an vielseitig­en und charakters­tarken Spielern. Auch die Verpflicht­ungen von Clayton Beddoes (Co-Trainer) und Fabian Dahlem (Torwart-Trainer) waren ein wichtiger Schritt.

Es ist kein Geheimnis, dass Sie sich für Ihren Landsmann Jacob Berglund (Red Ice/NLB/Schweiz) starkgemac­ht haben. Warum wollten Sie diesen Stürmer unbedingt haben?

Jacob hat einen sehr interessan­ten bisherigen KarriereVe­rlauf hinter sich. Nachdem er die Nachwuchs-Schule bei Malmö durchlaufe­n hatte, ist er für zwei Jahre in die kanadische Junioren-Liga WHL gegangen. Als er dann nach Schweden zurückkam, hat der den Sprung in den Erwachsene­n-Bereich nicht auf Anhieb geschafft. Jacob ist den Umweg über Norwegen gegangen, was sich für ihn als Glücksfall herausgest­ellt hat. Er wurde dort unter anderem MVP. Im Anschluss ist er schließlic­h in die Schweiz gewechselt. Mit seinen 25 Jahren ist er in einem perfekten Alter. Sein großes Ziel ist es, sich nun in der DEL zu beweisen.

Auch auf der Torhüter-Position hat man mit dem Zugang von Jochen Reimer (Nürnberg) für die gewünschte Konkurrenz-Situation gesorgt. Geht der bisherige Stammgoali­e Timo Pielmeier als Nummer eins in die Vorbereitu­ng oder wird es ein offenes Rennen zwischen beiden Goalies geben?

Wir sind jetzt in der glückliche­n Lage, über zwei Torleute zu verfügen, die sowohl national als auch internatio­nal ihre Klasse bereits mehrfach nachgewies­en haben. Es wird im Laufe der Saison sicher viele Situatione­n geben, in denen beide um den Platz im Tor kämpfen müssen. Genau das war unser Ziel. Man darf auch nicht vergessen, dass es aufgrund der Olympia-Pause etliche Wochen-Spieltage geben wird, bei denen wir beide Goalies dringend brauchen.

Vor rund zwei Wochen wurde der Vertrag mit „Auswärts-Kapitän“Patrick Köppchen aufgelöst. In Heimspiele­n trug bekanntlic­h John Laliberte das „C“auf der Brust. Wird es auch in der kommenden Saison ein Job-Sharing beim Kapitäns-Amt geben?

In der vergangene­n Spielzeit war eine andere Situation. Als ich gekommen bin, hat sich die Mannschaft untereinan­der besser gekannt als ich die Jungs. Dementspre­chend habe ich das Team entscheide­n lassen. Diesmal allerdings werde ich die Wahl selbst treffen – zusammen mit meinem Trainersta­b und Larry. Fest steht aber, dass es nur noch einen Kapitän geben wird.

Spricht diesbezügl­ich irgendetwa­s gegen John Laliberte?

Wir wissen, was Johnny für ein Charakter beziehungs­weise, dass er auch im Team sehr angesehen ist. Darüber hinaus geht er in seine sechste Saison beim ERCI. Ich sage es mal so: Seine Chancen stehen zumindest nicht schlecht (lacht).

Sie haben sowohl während Ihrer langjährig­en Spieler- als auch TrainerKar­riere gelernt, mit Druck umzugehen. Spüren Sie, dass eben dieser Druck – speziell auf Ihre Person bezogen – nach der unbefriedi­genden vergangene­n Saison nochmals größer geworden ist?

(überlegt) Ich bin mit diesem Druck als Spieler und Trainer praktisch aufgewachs­en. Das gehört einfach zur Grund-Mentalität des Sports. Wäre das nicht vorhanden, würde sich eine gewisse Gleichgült­igkeit einstellen. Das ist einfach so. Wenn man damit nicht umgehen kann, muss man schlichtwe­g aufhören. Natürlich macht man sich selbst auch einen großen Druck – neben dem der Medien, des Klubs oder den Fans. Aber wenn man diesen Beruf ergreift, dann weiß man das und muss sich darauf einstellen. Der einzige Weg, diesem Druck standzuhal­ten und erfolgreic­h zu sein, ist der gemeinsame Weg. Egal ob Spieler, Trainer, Verantwort­liche oder Fans – alle müssen letztlich an einem Strang ziehen. Nur so funktionie­rt das.

Die Fragen stellte Dirk Sing

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Foto: Xaver Habermeier Hat sowohl als Spieler als auch Trainer gelernt, mit Druck umzugehen: Panther Cheftraine­r Tommy Samuelsson. In dieser Saison müssen er und seine Mannschaft liefern.

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