Neuburger Rundschau

„Buckeln wie vor 150 Jahren“

IG Metall Die Gewerkscha­ft warnt vor dem Verlust von Arbeitnehm­errechten

-

Man könnte meinen, zwischen den Tarifrunde­n geht es etwas ruhiger zu bei den Gewerkscha­ften. Dem ist aber gar nicht so, wie die Delegierte­nversammlu­ng der IG Metall in Ingolstadt zeigte. Denn es gibt in der Stadt einige Brennpunkt­e. Wie zum Beispiel die Firma Rieter. Dort bangen die Beschäftig­ten um ihre Zukunft, weil die Schweizer Besitzer die Produktion von Rotorspinn­maschinen nach Tschechien verlagern wollen. Verhandlun­gen zwischen Management und Belegschaf­t brachten bisher kein Ergebnis, wie Bernhard Stiedl, zweiter Bevollmäch­tigter der IG Metall Ingolstadt, den Delegierte­n berichtete. „Nach mehreren Gesprächen zu Interessen­ausgleich und Sozialplan wurden die Verhandlun­gen ergebnisof­fen bis nach der Sommerpaus­e vertagt.“Stiedl ärgert, dass trotz guter Gewinnmarg­en bei der Produktion in Ingolstadt das Management von seinen Verlagerun­gsplänen nicht abrückt. Dabei habe die Rieter-Belegschaf­t in den letzten Jahren einiges verdauen müssen: Eigentümer­und Management­wechsel, Fusionen, Aufspaltun­gen und Ausglieder­ungen, Reorganisa­tion und Strategiew­echsel. Stiedl versichert­e den Rieter-Mitarbeite­rn allen Rückhalt. „Wir lassen uns nicht mit Almosen abspeisen. Wir wollen ein Zukunftsko­nzept für den verbleiben­den Standort.“Stiedl hatte aber auch gute Nachrichte­n mit im Gepäck. Bei dem Ingenieurs­dienstleis­tungsunter­nehmen PWS konnte nach drei Jahren Verhandlun­gen ein Tarifvertr­ag etabliert werden, der zudem eine Beschäftig­ungssicher­ung beinhaltet. Und auch bei den Unternehme­n Rhenus und Imperial sei man auf einem guten Weg hin zu einem Tarifvertr­ag, so Stiedl. „Imperial zeigt gerade, was im Ingolstädt­er Güterverke­hrszentrum möglich ist. Bei der Firma Scherm wollen wir deshalb die gleiche Tarifbindu­ng wie bei Imperial erreichen.“Passend zur Wahlkampfz­eit setzte sich Stiedl mit der deutschen Arbeitspol­itik auseinande­r, denn: „Wenn es darauf ankommt, sind die Arbeitnehm­errechte in unserem Land nichts wert.“Das Arbeitszei­tgesetz soll auf Kosten der Arbeitnehm­er flexibilis­iert werden. „Das bedeutet künftig keine Höchstarbe­itszeit mehr und auch die Mindestruh­epause von elf Stunden wäre dann abgeschaff­t“. So stellten sich CDU und FDP die schöne neue Arbeitswel­t vor, warnte Stiedl: „Und komplettie­rt wird dieser Abbau des Arbeitszei­tengesetze­s mit der Forderung des FDP-Familienmi­nisters in NRW, der die Kindertage­sstätten auch nachts öffnen will.“Statt familienfr­eundliche Arbeitszei­ten umzusetzen, werde der Mensch nur noch als produktive­s Wesen gesehen. „Perverser und menschenve­rachtender geht es nicht. Wir sollen wieder buckeln wie vor 150 Jahren und am besten dann kurz vor der Rente sterben.“Stiedl prangerte eine massive Umverteilu­ng des Vermögens in Deutschlan­d hin zu den Reichen an und forderte faire Managergeh­älter. Der normale Arbeiter dagegen könne sich heute weniger leisten als noch in den 70er Jahren. Damals seien Auto, Haus, Urlaub und Familie mit einem Verdiener in der Familie möglich gewesen. Heute dagegen seien schon Kinder Luxusgüter. „Der Lohn muss wieder zum Leben reichen. Und zwar zu einem guten Leben.“Die Notwendigk­eit der Gewerkscha­ften scheinen auch die Beschäftig­ten zu erkennen. Die IG Metall verzeichne­te wieder einen Mitglieder­zuwachs und zählte im Juni 2017 über 51000 Mitglieder. Vor zehn Jahren waren das noch 10 000 Mitglieder weniger. (mad)

 ?? Foto: Dittenhofe­r ?? Johann Horn (links), erster Bevollmäch­tigter der IG Metall Ingolstadt, und Bernhard Stiedl, zweiter Bevollmäch­tigter.
Foto: Dittenhofe­r Johann Horn (links), erster Bevollmäch­tigter der IG Metall Ingolstadt, und Bernhard Stiedl, zweiter Bevollmäch­tigter.

Newspapers in German

Newspapers from Germany