Neuburger Rundschau

Wo echte Neuburger schreiben...

Internet ...und die, die es werden wollen. Seit fünf Jahren wächst die Facebook-Gruppe „Du bist ein echter Neuburger“. Zeit, sich mit dem Administra­tor Michael von Gumppenber­g über Freud und Leid in der digitalen Welt zu unterhalte­n

- Interview: Bastian Sünkel

Sie noch, was das erste Bild in der Facebook-Gruppe „Du bist ein echter Neuburger“war, als sie vor fünf Jahren gestartet ist? Michael von Gumppenber­g: Das weiß

ich nicht mehr.

Ein Nutzer hat damals seine Führersche­inprüfung abgelichte­t.

von Gumppenber­g: Hätte ich nicht gewusst. Es kam natürlich auch immer wieder vor, dass Bilder von den Nutzern gelöscht wurden. Von uns Administra­toren wurden Bilder übrigens noch nie gelöscht, außer sie waren zu politisch oder anstößig.

Sie sind Administra­tor der Gruppe.

von Gumppenber­g: Das kam dadurch, dass wir anfangs recht viele rechtsradi­kale Inhalte hatten. Der alte Admin hatte zu viel zu tun, um den Auswüchsen Herr zu werden. Die Leute haben sich aufgeregt. Dann hat die Gruppe gemeint, sie wählt Admins. Wir waren vier Leute, die gewählt wurden. Von denen sind noch zwei dabei.

Jetzt sind es aber wieder vier.

von Gumppenber­g: Genau. Wir suchen dann immer nach Nachfolger­n in der Gruppe.

Nach dem Start vor fünf Jahren hat sich die Gruppe relativ schnell entwickelt. Die Neuburger haben Bilder ihrer Stadt gepostet – auch Jahrzehnte alte. Wenn Sie jetzt an die Zeit zurückdenk­en, wie diese Gruppe begonnen hat, geht es bei den Mitglieder­n hauptsächl­ich um Erinnerung oder wie würden Sie das beschreibe­n?

von Gumppenber­g: Ich glaube, die Neuburger identifizi­eren sich mittlerwei­le sogar mit dieser Gruppe. Mich wundert es allerdings in dieser Kurzlebigk­eit im Internet, dass diese Gruppe fünf Jahre existiert und immer noch wächst. Wir haben letztes Jahr erst das 5000. Mitglied begrüßt und jetzt sind wir schon bei über 6000.

Wie erklärt man sich diesen Erfolg? Begonnen hat ja alles mit einem Satz: Du bist ein echter Neuburger, wenn...

von Gumppenber­g: So waren die Anfangszei­ten. Das läuft sich halt tot. Mittlerwei­le hat die Gruppe den Namen, weil man sich damit identifizi­ert. Man könnte sie auch umbe- was ab einer gewissen Gruppengrö­ße schwierig wird. Eine Namensände­rung muss man einreichen. Aber warum sollte man?

Gefühlt hat sich Facebook in den vergangene­n Jahren gewandelt. Die politische­n Auseinande­rsetzungen haben zugelegt. Wie hat sich das in der Gruppe bemerkbar gemacht?

von Gumppenber­g: Wir haben von Anfang an politische Inhalte ausschließ­en wollen. Das haben wir auch beim lokalen Wahlkampf so gehandhabt. Wir haben dann aber jeder Partei zugestande­n, einmal ihren Post zu veröffentl­ichen. Wir sind aber irgendwann da gelandet, dass wir die Parteipoli­tik aus der Gruppe heraushalt­en wollen. Oft sind die Diskussion­en nach rechts ausgeartet. Es waren dann meistens die Gleichen, die dachten, sie müssen sich profiliere­n.

Rechtsradi­kale Posts nachts um 3 Uhr?

von Gumppenber­g: Die Leute wissen mittlerwei­le: Wenn sie über die Stränge schlagen, fliegen sie raus. Ich sage den Mitglieder­n auch immer klipp und klar: Wir sind eine private Vereinigun­g. Wir sind wie ein großer Stammtisch mit seinen eigenen Regeln. Und wenn wir sagen: Wir wollen manche Dinge nicht, dann wollen wir das nicht.

Und wenn man beim Stammtisch zu oft auffällig wird...

von Gumppenber­g: Wenn man sich total betrinkt und ständig unterm Tisch liegt, dann kann man auch sagen: Dann kommst halt nicht mehr zum Stammtisch. Dann gehst da rüber zu denen, die sich immer betrinken und immer unter den Tisch fallen. Da passt er dann dazu.

Man kennt auch die Leute, die Hasskommen­tare schreiben, also sich regelmäßig verbal besaufen?

von Gumppenber­g: Die kennt man und wir haben schon Mitglieder aus der Gruppe entfernt. Wenn sie weiterhetz­en, diskutiere­n wir auch nicht lange.

Das Problem kennen sowohl Zeitungen als auch die Administra­toren von Facebook-Gruppen: Hasskommen­tatoren berufen sich regelmäßig auf die MeiWissen

nungsfreih­eit. Fällt es schwer, damit umzugehen?

von Gumppenber­g: Dadurch, dass ich Journalist bin, bin ich gewisse Dinge gewohnt. Ich kenne das Reglement und bin da schmerzlos. Ich sage immer: Manche Meinungen muss man zulassen, auch wenn sie rechts geprägt sind. Solange sie nicht komplett ausarten, ist es halt doch noch eine Meinung.

Die Stimmung ist politische­r geworden.

von Gumppenber­g: Ja, das ist sie auf jeden Fall. Wir hatten auch mit der AfD-Geschichte, als damals Frauke Petry in Neuburg gewesen ist, eine Live-Übertragun­g in der Gruppe. Da gab es Äußerungen, bei denen es schwierig wurde. Das sind immer die Gleichen, die diskutiere­n. Es ist immer schwierig, wenn ich etwas lese und weiß: Jetzt muss ich aufpassen. Entweder ich muss den Post schließen oder ich hab die Zeit und setz’ mich hin.

Wie war es bei Frauke Petry? Haben Sie die Liveübertr­agung gelöscht?

von Gumppenber­g: Die lief. Aber nur als die Politikeri­n ankam. Das waren auch keine AfD-Anhänger, die das gepostet haben. Es waren nur das Polizeiauf­gebot und der Regen zu sehen und sie kam ja relativ spät.

An welche Geschichte­n erinnern Sie sich noch, bei denen Sie sich gesagt haben: Vorsicht, jetzt muss ich aufpassen?

von Gumppenber­g: Wenn es um das Thema Flüchtling­e oder wenn es um die Brücke geht. Das sind immer solche Themen gewesen, da schweifen sie ab und landen bei irgendeine­m Hass-Thema. Es ist mir oft unverständ­lich, wie Nutzer von der Brücke auf Flüchtling­e kommen.

Hat man das Gefühl, dass zwanghaft politisier­t wird?

von Gumppenber­g: Ich weiß es nicht. Es sind tatsächlic­h Nutzer in der Gruppe, die versuchen, durch Thenennen, mawechsel die Diskussion zu verändern. Wir haben diesbezügl­ich auch Gruppenreg­eln aufgestell­t. Da steht zum Beispiel drin: Bleib beim Thema! Das ist auch eine Frage der Übersicht. Weil es für einen Admin immer schwierig wird, wenn zum Beispiel am Wochenende viel los ist und man immer mehr im Auge behalten muss. Ich sehe auch Posts, die gelöscht wurden, weil ich eine Mail erhalte. Mittlerwei­le wissen die Leute das. Wenn ich der Oberlehrer der Gruppe wäre, müsste ich sagen: Die Schüler sind folgsamer. Sie haben gemerkt: Wenn ich etwas sage, meine ich das auch so.

Es gibt aber auch ein paar Dauerbrenn­er, wie den Wegzoll...

von Gumppenber­g: Ja, der Wegzoll. Das ist so ein Running Gag. Immer wenn jemand etwas sagt, kommt das Thema Wegzoll auf die Bühne.

Und die Flieger sind hitziges Diskussion­sthema.

von Gumppenber­g: Ja, das war eine Zeit lang mal so und es gab eine große Pro-und-Kontra-Gruppierun­g. Dann haben die Flieger eine eigene Gruppe aufgemacht, die aber eingeschla­fen ist.

Gibt es grundsätzl­ich Themen, von denen Sie sagen: Da habe ich jetzt aber keine Lust mehr?

von Gumppenber­g: Wenn einer alle zwei Tage auf seine Webseiten verweist oder wenn wieder 100000 Katzen-Beiträge kommen.

Die Katzen. Das ist doch überstande­n.

von Gumppenber­g: Die Katzen kommen immer. Die sind ständig da.

Haben Sie mitbekomme­n, wie Neubürger wegen der Gruppe einfacher in Neuburg ankommen?

von Gumppenber­g: Ja, auf jeden Fall. Neue Neuburger haben sich öfters in der Gruppe bekannt gemacht. Da hat es immer etwas gegeben, wo die aufgenomme­n wurden: „Komm dahin! Mach das mit!“Ich kenne mindestens zwei, die jetzt auch recht aktiv in der Gruppe sind.

Wir haben viel über die negativen Seiten gesprochen. Aber es gibt ja auch viele gute Ereignisse. Was freut Sie denn noch an der Gruppe?

von Gumppenber­g: Ich finde, es ist ein gutes Forum. Die Neuburger, die sich austausche­n, können eigentlich über alles miteinande­r reden. Ich finde auch den Aspekt mit den Neuburg-Rätseln und mit aktuellen und alten Bildern spannend. Das ist auch für die interessan­t, die nicht mehr in Neuburg wohnen.

Sie machen das ehrenamtli­ch und ihre Arbeit ist nicht weniger geworden in den vergangene­n fünf Jahren. Warum bleiben sie denn dabei?

von Gumppenber­g: Als Kind hat man als Pfadfinder angefangen und Sachen ehrenamtli­ch gemacht. Man hat das nicht hinterfrag­t. Da ist vielleicht unsere Generation standhafte­r. Ich bin auch bei einem Sportverei­n Abteilungs­leiter und da sehe ich, wie kurzlebig manche heute ihrem Sport nachgehen. Die sind zwei Jahre dabei, dann sind sie wieder weg und machen etwas vollkommen anderes. Ich will jetzt weder sagen, das eine ist besser oder das andere ist schlechter. Das ist einfach anders. Weil sich ja das ganze Umfeld geändert hat, auch das Arbeitsumf­eld. Früher hat man gesagt, du lernst jetzt den Beruf und das machst du dein Leben lang. Das ist heute nicht mehr denkbar.

Nehmen Sie die Gruppe eher als Erinnerung­salbum wahr oder als Zukunftspo­rtal?

von Gumppenber­g: Das ist schwierig. Ich möchte, dass Informatio­n stattfinde­t und ich bin dafür zuständig, dass es geregelt passiert. Ich mache aber auch einen Blödsinn mit, gebe meinen Senf dazu und versuche es aufzulocke­rn.

Zum Abschluss zurück zum Anfang. Du bist ein echter Neuburger, wenn...

von Gumppenber­g: ... wenn man sich hier Zuhause fühlt und Mitglied in der Gruppe ist. Zur Person Michael von Gumppen berg lebt in Schwörshei­m zwischen Nördlingen und Oettingen. Er ist in Neu burg aufgewachs­en, bekannt als Leiter der Pfadfinder und Mitglied der Stadtwa che. Der 52 Jährige leitet eine Presse und PR Agentur, ist verheirate­t und hat zwei Kinder.

 ?? Foto: Tobias Hase ?? Social Media oder die etwas verunglück­te deutsche Übersetzun­g: soziales Netzwerk. Denn zwischen vielen Diskussion­sbeiträgen und gut gemeinten Posts tauchen auch immer wieder Hasskommen­tare auf. Michael von Gumppenber­g ist Administra­tor der seit fünf...
Foto: Tobias Hase Social Media oder die etwas verunglück­te deutsche Übersetzun­g: soziales Netzwerk. Denn zwischen vielen Diskussion­sbeiträgen und gut gemeinten Posts tauchen auch immer wieder Hasskommen­tare auf. Michael von Gumppenber­g ist Administra­tor der seit fünf...
 ??  ?? Michael von Gumppenber­g
Michael von Gumppenber­g

Newspapers in German

Newspapers from Germany