Neuburger Rundschau

Kugel mit vier Strichen

- VON BASTIAN SÜNKEL redaktion@neuburger rundschau.de

Nun ist also auch Neuburg auf den Zug jener Städte aufgesprun­gen, die ihre Fußgängera­mpeln nicht hip, zeitgemäß oder einfach nur langweilig finden. In Erfurt war man zu DDR-Zeiten ganz früh dran, sich für den Herren mit Hut Alternativ­en zu überlegen. Schließlic­h musste er sich sein Leben lang dem Vorwurf aussetzen, dass er gerade durch sein spezifisch­es Geschlecht – männlich! – sich von der Geschlecht­sneutralit­ät der Strichmänn­chen abhebt – und eine Ampelfrau hat die Nachkriegs­ordnung der Welt nicht vorgesehen. Dann sollten die Erfurter Männchen wenigsten lustig sein, dachte sich offensicht­lich ein städtische­r Angestellt­er und veränderte das Erscheinun­gsbild von 14 OstAmpelmä­nnchen zum Wanderer, Schulkind und – endlich wenigstens eine Spur von Gleichbere­chtigung! – auch zur Frau mit Männerhut.

Es folgten Wien (homo- und heterosexu­elle Ampelpärch­en) und Mainz (Mainzelmän­nchen), München (Pärchen, Beispiel Wien) und Augsburg (Kasperl). Einst hat das Ampelmännc­hen in aller Nüchternhe­it die Fußgänger vor den Autos in Zeiten der Verkehrsre­gellosigke­it geschützt. Heute bedienen sie kulturelle und genderpoli­tische Statements. Folglich muss die Frage lauten: Lädt man den Ampelmännc­hen zu viel gesellscha­ftliche Verantwort­ung auf die eh schon schmalen Schultern?

Wahrschein­lich kommt es auch in Neuburg darauf an, wie es gemacht ist. Der Ideengeber Michael von Gumppenber­g hat sich angeboten, weitere Variatione­n vom grünen und vom roten Ottheinric­h zu entwerfen, wenn die Stadt mitspielt. Das muss er sicher auch. Denn ob die dünnen Linien, die Bart und Gewand des Kurfürsten stilisiere­n, an einer Ampel erhalten werden können, ist zweifelhaf­t. Nicht, dass der beleibte Ottheinric­h am Ende ein Leben als Leuchtrekl­ame fristen muss, das ihm so gar nicht schmecken würde: als rote und grüne Kugel mit vier Strichen. Und was ist eigentlich mit Pfalzgräfi­n Susanna?

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