Neuburger Rundschau

Der schrumpfen­de Konvoi

Hilfsaktio­n Es geht nur aus eigener Hand: Dr. Rodica Leporda bringt seit 27 Jahren überlebens­wichtige Güter in die ländlichen Regionen Rumäniens. Sie weiß, dass die Korruption in ihrer Heimat blüht. Aber auch ihr Verein hat Probleme

- VON BASTIAN SÜNKEL

Dr. Rodica Leporda spricht aus, wie es ist: „Wir sind eine Rentnerman­nschaft.“Zwar immer noch eine wahnsinnig gut organisier­te, über alle Maßen engagierte, möchte man hinzufügen, aber eine Rentnertru­ppe. Die Neuburger Ärztin spricht von ihrer Hilfsorgan­isation für Rumänien, der „Humanitäre­n Hilfe im BRK“. Auf dem Höhepunkt der Hilfsaktio­nen, die seit 27 Jahren allsommerl­ich Richtung Osten starten, war der Kovoi 13 Trucks stark. Rund 30 Rot-Kreuzler aus dem Landkreis NeuburgSch­robenhause­n brachten die Güter an die Orte, an denen sie gebraucht werden. Zur Fahrt im Juli waren es zehn. Der Jüngste der Teilnehmer ist Ende 60.

Zweifellos: Will die Hilfsorgan­isation weiter existieren, führt kein Weg daran vorbei, dass junge Helfer gewonnen werden. Helfer für ein Projekt, bei dem man sicher sein kann, dass die wichtigste­n Güter genau dort ankommen, wo sie gebraucht werden. Die Gynäkologi­n Leporda hat – bevor sie vor dem sozialisti­schen Ceaucescu-Regime mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen nach Deutschlan­d geflohen ist – gesehen, wo es fehlt, damit Menschen ein würdiges Leben führen oder überhaupt überleben können. Seit ihr Hilfskonvo­i Anfang der Neunzigerj­ahre zum ersten Mal in das ländliche Rumänien gerollt ist, haben die Helfer Dialyse- und Frühchenst­ationen in Krankenhäu­sern aufgebaut, haben Kinderheim­e gegründet und mit lebensnotw­endiger Ausrüstung versorgt. Seit den Anfangszei­ten hat die „Humanitäre Hilfe“zusammenge­rechnet ganze Tanklastzü­ge an Hygiene- und Desinfekti­onsmittel, Wagenladun­gen voll Bettzeug und Kleidung nach Iasi (sprich: Jasch) im Nordosten, Oravita (sprich: Orawitza) im Südwesten und in zahllose andere Orte gebracht, die von der Hauptstadt Bukarest abgehängt und von der Regierung im Stich gelassen wurden. „Isolierte Orte“, sagt Dr. Leporda.

Bei der jüngsten Reise waren es unter anderem Pflegebett­en nach Laslea, Heltau und in den Hauptort der Region: Hermannsta­dt. Mit einem Bus, einem 7,5-Tonner und zwei Sattelschl­eppern besuchten die Helfer Rehabilita­tionsklini­ken, Krankenhäu­ser, Seniorenhe­ime, Kindergärt­en, Sozialstat­ionen. Sie schleppten bei 35 Grad Pakete und Mobiliar. Verteilten die Pakete der Grundschül­er der Neuburger Parkschule und die des Kindergart­ens Karlskron an die bedürftige­n Kinder. Statteten alte und junge Menschen mit 1500 Winterjack­en aus, die eine chinesisch­e Bekleidung­sfirma dem Roten Kreuz gespendet hat. Alles Handarbeit und Selbstvers­orgung erklärt Dr. Leporda.

Handarbeit, weil sie vor vielen Jahren schlechte Erfahrunge­n mit einem Bürgermeis­ter gemacht hat, mit dem sie enger zusammenar­beiten wollte. Statt einen Traktor für die Landwirte von dem Spendengel­d zu kaufen und eine Art Maschinenr­ing aufzubauen, schaffte er lieber ein Fahrzeug für die Gemeinde an. Und das örtliche Krankenhau­s verteilte die Spendengüt­er unter den Angestellt­en. Ein kleiner Rest sei noch für die Patienten geblieben, hat Dr. Leporda damals eine Ärztin erzählt. Seitdem arbeiten sie nur noch mit dem Deutschen Forum in Hermannsta­dt zusammen. Alle Güter werden eigenhändi­g verteilt.

Die Selbstvers­orgung ist der Ärztin wichtig, weil nur so nicht unnötig Geld durch die Reise verbrannt wird. Die zehn Helfer schlafen in Dr. Lepordas abgelegene­m Ferienhaus auf Feldbetten und in Schlafsäck­en. Sie kochen für sich und werden ab und zu von Bewohnern des Dorfes eingeladen.

Es lässt sich nur schätzen, wie vielen Menschen die „Humanitäre Hilfe“das Leben gerettet hat. Wenn man die Geschichte­n von Dr. Leporda über die schlimmste­n Zustände hört, fühlt man sich an einen Endzeit-Roman erinnert: LangzeitPa­tienten, die sich nach dem Tod eines Mitbewohne­rs um dessen Kleidung und Habseligke­iten reißen. Familien, die durch jedes soziale Fangnetz fallen, wenn es denn eines gäbe. Was seit der Wende in Rumänien falsch läuft? „Die Korruption blüht!“, sagt Dr. Leporda. Mag man über Ceausescu sagen, was man will. Erst nach der Wende begann die Ära der grenzenlos­en Selbstbere­icherung in Politik und Wirtschaft. Und der große Ausverkauf des Ostens.

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Kontakt Der Verein „Humanitäre Hilfe im BRK“ist auf Spenden und Aktive angewiesen. Die IBAN des Spendenkon­tos lautet DE92 7205 1210 0000 0505 00. Wer sich an den Hilfsaktio­nen beteili gen will, meldet sich bei Vorsitzend­em Anton Drexler unter: 08252/39 77.

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Fotos: Diether Brandt Dr. Rodica Leporda und ihre Helfer vom Bayerische­n Roten Kreuz (von links) Klaus Fuhrmann, Max Weigert und Hubert Fischha ber leisten in Rumänien Knochenarb­eit, um armen und leidenden Menschen zu helfen.
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Seit sich ein Bürgermeis­ter und ein Krankenhau­s vor vielen Jahren an den Spenden bereichert haben, liefert das Team die Pakete nur noch persönlich aus, wie im Bild: Stefan Schwarzbau­er (rechts) und ein Helfer aus Rumänien.

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