„Heavy“oder nicht?
Für die Musikwelt war 2016 kein gutes Jahr: Prince, Leonard Cohen und David Bowie, Glenn Frey von den Eagles, Maurice White von Earth, Wind and Fire – alle tot.
2017 scheint es nicht besser zu werden: Rock ‘n’ Roll-Legende Chuck Berry starb im März, Chris Cornell von Soundgarden im Mai. Letzterer ist vor allem bekannt für „You Know My Name“, den Titelsong des ersten Daniel-CraigBond-Films „Casino Royale“. Und jetzt also Chester Bennington. Der Sänger der Rockband Linkin Park wurde am 20. Juli erhängt aufgefunden, dem Geburtstag seines guten Freunds Chris Cornell. Dessen Sohn ist Benningtons Patenkind. Nicht nur für die hinterbliebenen Familienmitglieder ist das ein schwerer Schlag – auch LinkinPark-Fans aus aller Welt trauern um ihr Idol.
So auch in Deutschland. Fans erinnern sich offensichtlich an Chester und kaufen seine Musik: Diese Woche stehen ganze 17 Songs aus der gesamten Schaffenszeit der Band in den Top 100 der Charts, von „In the End“(2000, Platz 4) über „Numb“(2003, 13) und „What I’ve Done“(2007, 37) bis zu Songs aus ihrem aktuellen Album „One More Light“(„Heavy“, Platz 12). Gerade der letztgenannte Song ist von Kritikern und Fans wegen seines neuen Elektropop-Sounds nicht wohlwollend aufgenommen worden.
In den Anfängen verband Linkin Park Elemente von Metal und Hard Rock mit Rap-Einflüssen. Laut eigener Aussage konnte Sänger Bennington in diesem Stil seine wirklich heftige Kindheit verarbeiten, die von sexuellem Missbrauch, Drogensucht und familiären Problemen zerstört worden war. Je besser es ihm im Lauf seiner Karriere ging, desto mehr verabschiedete sich der Sound der Band vom Metal und wurde immer weniger „heavy“. Konstant blieben aber immer die dramatischen Liedtexte und Chester Benningtons Wahnsinnsstimme, die nun fehlen wird.
Eine Lücke, die mit Blick auf die Charts wohl kaum gefüllt werden kann. Allenfalls in den Songs der Imagine Dragons hört man heute im Mainstream-Dschungel überhaupt noch die eine oder andere verzerrte E-Gitarre, aktuell in „Believer“(Platz 64). Bezeichnend, dass ihre andere, synthesizerlastige und garantiert E-gitarrenfreie Single „Thunder“in Deutschland wesentlich erfolgreicher ist: Sie steht derzeit auf Platz 3, direkt vor „In the End“. Da hat man von Katy Perry schon härtere Beats gehört.